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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Pinakothek schuf er eine Reihe von Fresken, welche Momente der heiligen Ge¬
schichte, der Mythologie u. s> w. zum Gegenstände haben; neuerdings leitete er
die Ausführung der Fresken am Schinkel'schen Museum zu Berlin und arbeitet
an den Cartons zum Friedhof des neuen Domes. In den vou ihm selbst ge¬
schaffenen Gestalten versinnlichte er stets die Ideen der Große, der Macht und
Erhabenheit; die sinnliche Wahrheit ließ er nnr in soweit gelten, als sie diesen
Ideen zum Gefäße dienen konnte. Zwar nahm er die Natur zur Lehrmeisterin
für die Formen seiner Darstellung, aber doch nur in bedingter Weise, niemals
in ihrer charakteristischen Wirklichkeit, und dieser gauzen Kunstrichtung entsprach
es, daß sein Pinsel, auch in der Oelmalerei, die Farbe des Lebens nichr zu er¬
reichen vermochte. Heß, Schmorr, Schlotthaner folgten mehr oder weniger seinen
Fußstapfen, und so lange die von ihm geebnete Bahn nicht verlassen wurde,
konnte die Technik des Fresko genügen, indem mau alle Hilfsmittel früherer Zeiten
erforschte, oder dnrch neuere chemische Kenntnisse ersetzte.

Nachdem die Komposition im Carton gezeichnet, in den meisten Fällen
anch eine Farbenskizze zur Andeutung der Farbentöne gefertigt ist, wird die Ma¬
lerei mit dem Pinsel aus eine mit Sand vermischte, noch frische Unterlage von
Kalk aufgetragen. Der Künstler empfängt nicht gleich während der Arbeit deu
Eindruck, den er bewirken will, denn die Farben müssen schon vor ihrer Anwen¬
dung so gemischt werden, daß durch ein Hellerwerden nach dem Trocknen die
beabsichtigte Wirkung sich herstelle. Er beginnt sein Werk in einer der obern
Ecken und malt gewöhnlich von der Rechten zur Linken, indem er die einzelnen
Theile nach Art mnsivischer Arbeit an einander reiht. Stückweise wird der Kalk
aufgelegt, weil er während des Malens uoch feucht sein muß. Daraus folgt
dann auch die Nothwendigkeit, das angefangene Stück stets in einem Tage zu
vollenden, da der vor der Bemalung getrocknete Kalk und mit ihm nicht selten
die unvollendete Malerei heruntergeschlagen werden muß. Trotzdem kann die
Frische des Kalkes nicht immer eine gleichmäßige sein, und deshalb ist im Fresko
eine gleiche Harmonie und innige Verschmelzung der Farbentöne wie in der Oel¬
malerei nicht ausführbar. Sie behalten dort etwas Hartes, und der Maler ge¬
bietet nnr über eine beschränkte Anzahl von Farbentönen, indem er von den
selbstständigen Wirkungen der Unterlage abhängig bleibt. Durch die Entfernung,
in der man solche Bilder zu betrachten pflegt, gleichen sich zwar manche Härten
ans, ganz jedoch verschwinden sie niemals, und die von Cornelius begründete
Kunstrichtung schien sogar diesen Mangel an lebensvoller Färbung als einen Vor¬
zug, als eine besonders ideale Eigenschaft zu hegen.

Aber die Ziele der Gegenwart liegen nicht in dieser ans Mangel an Lebens¬
fülle hervorgehenden Idealität, welche vielmehr mit ihren? eigensten Wesen einer
vergangenen Romantik angehört. Den Ansprüchen der neueren Kunst, welche
ans charaktervolle Lebenswahrheit des Ausdrucks und der Darstellung gerichtet


Pinakothek schuf er eine Reihe von Fresken, welche Momente der heiligen Ge¬
schichte, der Mythologie u. s> w. zum Gegenstände haben; neuerdings leitete er
die Ausführung der Fresken am Schinkel'schen Museum zu Berlin und arbeitet
an den Cartons zum Friedhof des neuen Domes. In den vou ihm selbst ge¬
schaffenen Gestalten versinnlichte er stets die Ideen der Große, der Macht und
Erhabenheit; die sinnliche Wahrheit ließ er nnr in soweit gelten, als sie diesen
Ideen zum Gefäße dienen konnte. Zwar nahm er die Natur zur Lehrmeisterin
für die Formen seiner Darstellung, aber doch nur in bedingter Weise, niemals
in ihrer charakteristischen Wirklichkeit, und dieser gauzen Kunstrichtung entsprach
es, daß sein Pinsel, auch in der Oelmalerei, die Farbe des Lebens nichr zu er¬
reichen vermochte. Heß, Schmorr, Schlotthaner folgten mehr oder weniger seinen
Fußstapfen, und so lange die von ihm geebnete Bahn nicht verlassen wurde,
konnte die Technik des Fresko genügen, indem mau alle Hilfsmittel früherer Zeiten
erforschte, oder dnrch neuere chemische Kenntnisse ersetzte.

Nachdem die Komposition im Carton gezeichnet, in den meisten Fällen
anch eine Farbenskizze zur Andeutung der Farbentöne gefertigt ist, wird die Ma¬
lerei mit dem Pinsel aus eine mit Sand vermischte, noch frische Unterlage von
Kalk aufgetragen. Der Künstler empfängt nicht gleich während der Arbeit deu
Eindruck, den er bewirken will, denn die Farben müssen schon vor ihrer Anwen¬
dung so gemischt werden, daß durch ein Hellerwerden nach dem Trocknen die
beabsichtigte Wirkung sich herstelle. Er beginnt sein Werk in einer der obern
Ecken und malt gewöhnlich von der Rechten zur Linken, indem er die einzelnen
Theile nach Art mnsivischer Arbeit an einander reiht. Stückweise wird der Kalk
aufgelegt, weil er während des Malens uoch feucht sein muß. Daraus folgt
dann auch die Nothwendigkeit, das angefangene Stück stets in einem Tage zu
vollenden, da der vor der Bemalung getrocknete Kalk und mit ihm nicht selten
die unvollendete Malerei heruntergeschlagen werden muß. Trotzdem kann die
Frische des Kalkes nicht immer eine gleichmäßige sein, und deshalb ist im Fresko
eine gleiche Harmonie und innige Verschmelzung der Farbentöne wie in der Oel¬
malerei nicht ausführbar. Sie behalten dort etwas Hartes, und der Maler ge¬
bietet nnr über eine beschränkte Anzahl von Farbentönen, indem er von den
selbstständigen Wirkungen der Unterlage abhängig bleibt. Durch die Entfernung,
in der man solche Bilder zu betrachten pflegt, gleichen sich zwar manche Härten
ans, ganz jedoch verschwinden sie niemals, und die von Cornelius begründete
Kunstrichtung schien sogar diesen Mangel an lebensvoller Färbung als einen Vor¬
zug, als eine besonders ideale Eigenschaft zu hegen.

Aber die Ziele der Gegenwart liegen nicht in dieser ans Mangel an Lebens¬
fülle hervorgehenden Idealität, welche vielmehr mit ihren? eigensten Wesen einer
vergangenen Romantik angehört. Den Ansprüchen der neueren Kunst, welche
ans charaktervolle Lebenswahrheit des Ausdrucks und der Darstellung gerichtet


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[0228] Pinakothek schuf er eine Reihe von Fresken, welche Momente der heiligen Ge¬ schichte, der Mythologie u. s> w. zum Gegenstände haben; neuerdings leitete er die Ausführung der Fresken am Schinkel'schen Museum zu Berlin und arbeitet an den Cartons zum Friedhof des neuen Domes. In den vou ihm selbst ge¬ schaffenen Gestalten versinnlichte er stets die Ideen der Große, der Macht und Erhabenheit; die sinnliche Wahrheit ließ er nnr in soweit gelten, als sie diesen Ideen zum Gefäße dienen konnte. Zwar nahm er die Natur zur Lehrmeisterin für die Formen seiner Darstellung, aber doch nur in bedingter Weise, niemals in ihrer charakteristischen Wirklichkeit, und dieser gauzen Kunstrichtung entsprach es, daß sein Pinsel, auch in der Oelmalerei, die Farbe des Lebens nichr zu er¬ reichen vermochte. Heß, Schmorr, Schlotthaner folgten mehr oder weniger seinen Fußstapfen, und so lange die von ihm geebnete Bahn nicht verlassen wurde, konnte die Technik des Fresko genügen, indem mau alle Hilfsmittel früherer Zeiten erforschte, oder dnrch neuere chemische Kenntnisse ersetzte. Nachdem die Komposition im Carton gezeichnet, in den meisten Fällen anch eine Farbenskizze zur Andeutung der Farbentöne gefertigt ist, wird die Ma¬ lerei mit dem Pinsel aus eine mit Sand vermischte, noch frische Unterlage von Kalk aufgetragen. Der Künstler empfängt nicht gleich während der Arbeit deu Eindruck, den er bewirken will, denn die Farben müssen schon vor ihrer Anwen¬ dung so gemischt werden, daß durch ein Hellerwerden nach dem Trocknen die beabsichtigte Wirkung sich herstelle. Er beginnt sein Werk in einer der obern Ecken und malt gewöhnlich von der Rechten zur Linken, indem er die einzelnen Theile nach Art mnsivischer Arbeit an einander reiht. Stückweise wird der Kalk aufgelegt, weil er während des Malens uoch feucht sein muß. Daraus folgt dann auch die Nothwendigkeit, das angefangene Stück stets in einem Tage zu vollenden, da der vor der Bemalung getrocknete Kalk und mit ihm nicht selten die unvollendete Malerei heruntergeschlagen werden muß. Trotzdem kann die Frische des Kalkes nicht immer eine gleichmäßige sein, und deshalb ist im Fresko eine gleiche Harmonie und innige Verschmelzung der Farbentöne wie in der Oel¬ malerei nicht ausführbar. Sie behalten dort etwas Hartes, und der Maler ge¬ bietet nnr über eine beschränkte Anzahl von Farbentönen, indem er von den selbstständigen Wirkungen der Unterlage abhängig bleibt. Durch die Entfernung, in der man solche Bilder zu betrachten pflegt, gleichen sich zwar manche Härten ans, ganz jedoch verschwinden sie niemals, und die von Cornelius begründete Kunstrichtung schien sogar diesen Mangel an lebensvoller Färbung als einen Vor¬ zug, als eine besonders ideale Eigenschaft zu hegen. Aber die Ziele der Gegenwart liegen nicht in dieser ans Mangel an Lebens¬ fülle hervorgehenden Idealität, welche vielmehr mit ihren? eigensten Wesen einer vergangenen Romantik angehört. Den Ansprüchen der neueren Kunst, welche ans charaktervolle Lebenswahrheit des Ausdrucks und der Darstellung gerichtet

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/228>, abgerufen am 15.05.2024.