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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Die souveraine Kritik und die Revolution
Die bürgerliche Revolution in Deutschland seit dem Anfänge der deutschkatholischen Be¬
wegung bis zur Gegenwart. Von Bruno Bauer. Berlin, Hampel. 18i9.
Der Untergang des Frankfurter Parlaments. Geschichte der deutschen constituirenden
Nationalversammlung. Von Bruno Bauer. Berlin, Gerhard. 18i9.
Parlamentarische Größen. Von R. Walter. Erster Band: Die Conservativen. 1830.
Zweiter Band: Die Demokraten. 1831. Berlin, Hoffmann u. Como.

Es kommt bei jeder eingreifenden Bewegung vor, daß von Parteischriftstel¬
lern, namentlich wenn sie einer extremen und daher kleinen Partei angehören, der
bei Weitem größte Theil aller mitwirkenden Personen der öffentlichen Verachtung
preisgegeben wird. Daß diese Verachtung aber auf alle mitwirkenden Personen
sich ausdehnt, auf alle Kräfte ohne Unterschied, die in irgend einer Phase der
Revolution auf den Schauplatz treten, dürste in unserer Deutschen Umwälzung
zum ersten Mal vorgekommen sein, und muß als ein charakteristisches Moment
derselben betrachtet werden; denn dieses Geständniß von der allgemeinen Eitelkeit
aller Dinge ist zu gleicher Zeit ein Selbstbekenutuiß, und da auch der einsame
Kritiker von der allgemein herrschenden Stimmung wenigstens bis zu einem ge¬
wissen Grade lustrirt wird, so gibt dieses Selbstbekenntnis wieder einen Einblick
in die Stimmung, ans der es entspringt.

Als die Märzbewegung begann, hätte man vermuthen sollen, daß Bruno
Bauer, der sich bis dahin in einem beständigen Kampf gegen die "Halbheiten"
des Liberalismus umhergetrieben hatte, der nach seiner eigenen Erklärung Nichts
hatte sein wollen, als Kritiker, ohne Gesinnung, ohne Moral und ohne positiven
Zweck, ans dieser einsamen Stellung heraustreten und die Gelegenheit, die sich
auch den extremsten Ansichten bot, benutzen würde, um positiv und selbstständig
mit seinen Ideen in den Lauf der Geschichte einzugreifen. Er hat auch ein Paar
Mal den Anlauf dazu gemacht, indem er sich um eine Stelle im Parlament be-


Grenzboten. II. Iss1. 31
Die souveraine Kritik und die Revolution
Die bürgerliche Revolution in Deutschland seit dem Anfänge der deutschkatholischen Be¬
wegung bis zur Gegenwart. Von Bruno Bauer. Berlin, Hampel. 18i9.
Der Untergang des Frankfurter Parlaments. Geschichte der deutschen constituirenden
Nationalversammlung. Von Bruno Bauer. Berlin, Gerhard. 18i9.
Parlamentarische Größen. Von R. Walter. Erster Band: Die Conservativen. 1830.
Zweiter Band: Die Demokraten. 1831. Berlin, Hoffmann u. Como.

Es kommt bei jeder eingreifenden Bewegung vor, daß von Parteischriftstel¬
lern, namentlich wenn sie einer extremen und daher kleinen Partei angehören, der
bei Weitem größte Theil aller mitwirkenden Personen der öffentlichen Verachtung
preisgegeben wird. Daß diese Verachtung aber auf alle mitwirkenden Personen
sich ausdehnt, auf alle Kräfte ohne Unterschied, die in irgend einer Phase der
Revolution auf den Schauplatz treten, dürste in unserer Deutschen Umwälzung
zum ersten Mal vorgekommen sein, und muß als ein charakteristisches Moment
derselben betrachtet werden; denn dieses Geständniß von der allgemeinen Eitelkeit
aller Dinge ist zu gleicher Zeit ein Selbstbekenutuiß, und da auch der einsame
Kritiker von der allgemein herrschenden Stimmung wenigstens bis zu einem ge¬
wissen Grade lustrirt wird, so gibt dieses Selbstbekenntnis wieder einen Einblick
in die Stimmung, ans der es entspringt.

Als die Märzbewegung begann, hätte man vermuthen sollen, daß Bruno
Bauer, der sich bis dahin in einem beständigen Kampf gegen die „Halbheiten"
des Liberalismus umhergetrieben hatte, der nach seiner eigenen Erklärung Nichts
hatte sein wollen, als Kritiker, ohne Gesinnung, ohne Moral und ohne positiven
Zweck, ans dieser einsamen Stellung heraustreten und die Gelegenheit, die sich
auch den extremsten Ansichten bot, benutzen würde, um positiv und selbstständig
mit seinen Ideen in den Lauf der Geschichte einzugreifen. Er hat auch ein Paar
Mal den Anlauf dazu gemacht, indem er sich um eine Stelle im Parlament be-


Grenzboten. II. Iss1. 31
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[0253] Die souveraine Kritik und die Revolution Die bürgerliche Revolution in Deutschland seit dem Anfänge der deutschkatholischen Be¬ wegung bis zur Gegenwart. Von Bruno Bauer. Berlin, Hampel. 18i9. Der Untergang des Frankfurter Parlaments. Geschichte der deutschen constituirenden Nationalversammlung. Von Bruno Bauer. Berlin, Gerhard. 18i9. Parlamentarische Größen. Von R. Walter. Erster Band: Die Conservativen. 1830. Zweiter Band: Die Demokraten. 1831. Berlin, Hoffmann u. Como. Es kommt bei jeder eingreifenden Bewegung vor, daß von Parteischriftstel¬ lern, namentlich wenn sie einer extremen und daher kleinen Partei angehören, der bei Weitem größte Theil aller mitwirkenden Personen der öffentlichen Verachtung preisgegeben wird. Daß diese Verachtung aber auf alle mitwirkenden Personen sich ausdehnt, auf alle Kräfte ohne Unterschied, die in irgend einer Phase der Revolution auf den Schauplatz treten, dürste in unserer Deutschen Umwälzung zum ersten Mal vorgekommen sein, und muß als ein charakteristisches Moment derselben betrachtet werden; denn dieses Geständniß von der allgemeinen Eitelkeit aller Dinge ist zu gleicher Zeit ein Selbstbekenutuiß, und da auch der einsame Kritiker von der allgemein herrschenden Stimmung wenigstens bis zu einem ge¬ wissen Grade lustrirt wird, so gibt dieses Selbstbekenntnis wieder einen Einblick in die Stimmung, ans der es entspringt. Als die Märzbewegung begann, hätte man vermuthen sollen, daß Bruno Bauer, der sich bis dahin in einem beständigen Kampf gegen die „Halbheiten" des Liberalismus umhergetrieben hatte, der nach seiner eigenen Erklärung Nichts hatte sein wollen, als Kritiker, ohne Gesinnung, ohne Moral und ohne positiven Zweck, ans dieser einsamen Stellung heraustreten und die Gelegenheit, die sich auch den extremsten Ansichten bot, benutzen würde, um positiv und selbstständig mit seinen Ideen in den Lauf der Geschichte einzugreifen. Er hat auch ein Paar Mal den Anlauf dazu gemacht, indem er sich um eine Stelle im Parlament be- Grenzboten. II. Iss1. 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/253>, abgerufen am 28.04.2024.