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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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jenem nationalem Kampfe wenig gefürchteten Partei, wenigstens vorläufig zur
Herrschaft verhalf. or. Ljudcwit Gaj war die Veranlassung der nationalen
Bewegung, zu schwach, zu ungebildet und zu wenig Enthusiast sie zu leiten, ver¬
lor er in dem Kampfe selbst die Bedeutung, die er sich mit Gewandheit zu geben
gewußt; man erkannte ihn als das, was er ist, als einen gewandten Intriguanten,
einen hohlen Faiseur in Literatur und Politik.




Preußen und die Dresdner Eonferenzen.

Die oppositionelle Literatur der jüngsten Tage nimmt allmälig einen Cha¬
rakter an, der auch den Ungläubigen aufs deutlichste überzeugen muß, daß die
Revolution doch uicht ohne Frucht an uns vorübergegangen ist. In der vor-
märzlichen Zeit wurde die Polemik gegen die Regierungen sast ausschließlich von
Uneingeweihten geleitet, die außerhalb des gestimmten gouvernementalen Systems
standen und gegen deren Angriffe sich die herrschende Bureaukratie sehr bequem
hinter den Schild ihres Geheimnisses zurückziehen konnte. Sie konnte dem
Publicum zurufen: ars roa Kabel osorcun niht issnorcmtLm. Mit dieser Ge-
heimnißkrämerei ist es vorbei. Mau mag den Theilnehmern an der Leitung
unserer Geschicke noch so viel Verschwiegenheit anempfehlen, die Leidenschaft und
das Interesse ist zu groß, als daß sie sich in den Schranken der amtlichen
Welt aussprechen konnte. Der Kampf ist innerhalb des alten Regiments aus-
gebrochen und insofern können wir mit dem 2. November zufrieden sein.

Von den politischen Flugschriften, welche sich in der letzten Zeit mit dem
Ruhm der preußische" Negierung beschäftigt haben, sind es vornehmlich drei,
durch welche das herrschende System außer Fassung gesetzt ist: "Der Kriegs¬
minister in der letzten Krisis," "Vier Wochen auswärtiger Politik," und "Die.
Dresdner Konferenzen." Selbst die Erwiderung der Regierungsblätter, die mit
den gewöhnlichen Redensarten von böswilliger Entstellung, stechen Lügen und
dergleichen um sich werfen, kann nicht umhin, zuzugestehen, daß sie es diesmal
mit Eingeweihten zu thun hat. Am spaßhaftesten war eine Entgegnung auf die
letzte Brochüre, die aus der Neuen Bremer Zeitung in die Preußische Zeitung
überging, und welche so ziemlich alle Behauptungen derselben bestätigte, nnr mit
dem Unterschied, daß sie in dem Benehmen des Herrn v. Manteuffel, in welchem
die Brochüre nnr Charakterschwäche und Willenlosigkeit fand, die Spuren einer
sehr tiefsinnigen und pfiffigen Macchiavellistischen Politik entdeckte, ganz in dem
Sinn der bekannten, in der Decker'scheu Officin gedruckten und von der National-
zeitnng veröffentlichten Denkschrift, in welcher man sich bestrebte, die sämmlichen


Grcnzvotcn. II. 1851. 4

jenem nationalem Kampfe wenig gefürchteten Partei, wenigstens vorläufig zur
Herrschaft verhalf. or. Ljudcwit Gaj war die Veranlassung der nationalen
Bewegung, zu schwach, zu ungebildet und zu wenig Enthusiast sie zu leiten, ver¬
lor er in dem Kampfe selbst die Bedeutung, die er sich mit Gewandheit zu geben
gewußt; man erkannte ihn als das, was er ist, als einen gewandten Intriguanten,
einen hohlen Faiseur in Literatur und Politik.




Preußen und die Dresdner Eonferenzen.

Die oppositionelle Literatur der jüngsten Tage nimmt allmälig einen Cha¬
rakter an, der auch den Ungläubigen aufs deutlichste überzeugen muß, daß die
Revolution doch uicht ohne Frucht an uns vorübergegangen ist. In der vor-
märzlichen Zeit wurde die Polemik gegen die Regierungen sast ausschließlich von
Uneingeweihten geleitet, die außerhalb des gestimmten gouvernementalen Systems
standen und gegen deren Angriffe sich die herrschende Bureaukratie sehr bequem
hinter den Schild ihres Geheimnisses zurückziehen konnte. Sie konnte dem
Publicum zurufen: ars roa Kabel osorcun niht issnorcmtLm. Mit dieser Ge-
heimnißkrämerei ist es vorbei. Mau mag den Theilnehmern an der Leitung
unserer Geschicke noch so viel Verschwiegenheit anempfehlen, die Leidenschaft und
das Interesse ist zu groß, als daß sie sich in den Schranken der amtlichen
Welt aussprechen konnte. Der Kampf ist innerhalb des alten Regiments aus-
gebrochen und insofern können wir mit dem 2. November zufrieden sein.

Von den politischen Flugschriften, welche sich in der letzten Zeit mit dem
Ruhm der preußische» Negierung beschäftigt haben, sind es vornehmlich drei,
durch welche das herrschende System außer Fassung gesetzt ist: „Der Kriegs¬
minister in der letzten Krisis," „Vier Wochen auswärtiger Politik," und „Die.
Dresdner Konferenzen." Selbst die Erwiderung der Regierungsblätter, die mit
den gewöhnlichen Redensarten von böswilliger Entstellung, stechen Lügen und
dergleichen um sich werfen, kann nicht umhin, zuzugestehen, daß sie es diesmal
mit Eingeweihten zu thun hat. Am spaßhaftesten war eine Entgegnung auf die
letzte Brochüre, die aus der Neuen Bremer Zeitung in die Preußische Zeitung
überging, und welche so ziemlich alle Behauptungen derselben bestätigte, nnr mit
dem Unterschied, daß sie in dem Benehmen des Herrn v. Manteuffel, in welchem
die Brochüre nnr Charakterschwäche und Willenlosigkeit fand, die Spuren einer
sehr tiefsinnigen und pfiffigen Macchiavellistischen Politik entdeckte, ganz in dem
Sinn der bekannten, in der Decker'scheu Officin gedruckten und von der National-
zeitnng veröffentlichten Denkschrift, in welcher man sich bestrebte, die sämmlichen


Grcnzvotcn. II. 1851. 4
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[0037] jenem nationalem Kampfe wenig gefürchteten Partei, wenigstens vorläufig zur Herrschaft verhalf. or. Ljudcwit Gaj war die Veranlassung der nationalen Bewegung, zu schwach, zu ungebildet und zu wenig Enthusiast sie zu leiten, ver¬ lor er in dem Kampfe selbst die Bedeutung, die er sich mit Gewandheit zu geben gewußt; man erkannte ihn als das, was er ist, als einen gewandten Intriguanten, einen hohlen Faiseur in Literatur und Politik. Preußen und die Dresdner Eonferenzen. Die oppositionelle Literatur der jüngsten Tage nimmt allmälig einen Cha¬ rakter an, der auch den Ungläubigen aufs deutlichste überzeugen muß, daß die Revolution doch uicht ohne Frucht an uns vorübergegangen ist. In der vor- märzlichen Zeit wurde die Polemik gegen die Regierungen sast ausschließlich von Uneingeweihten geleitet, die außerhalb des gestimmten gouvernementalen Systems standen und gegen deren Angriffe sich die herrschende Bureaukratie sehr bequem hinter den Schild ihres Geheimnisses zurückziehen konnte. Sie konnte dem Publicum zurufen: ars roa Kabel osorcun niht issnorcmtLm. Mit dieser Ge- heimnißkrämerei ist es vorbei. Mau mag den Theilnehmern an der Leitung unserer Geschicke noch so viel Verschwiegenheit anempfehlen, die Leidenschaft und das Interesse ist zu groß, als daß sie sich in den Schranken der amtlichen Welt aussprechen konnte. Der Kampf ist innerhalb des alten Regiments aus- gebrochen und insofern können wir mit dem 2. November zufrieden sein. Von den politischen Flugschriften, welche sich in der letzten Zeit mit dem Ruhm der preußische» Negierung beschäftigt haben, sind es vornehmlich drei, durch welche das herrschende System außer Fassung gesetzt ist: „Der Kriegs¬ minister in der letzten Krisis," „Vier Wochen auswärtiger Politik," und „Die. Dresdner Konferenzen." Selbst die Erwiderung der Regierungsblätter, die mit den gewöhnlichen Redensarten von böswilliger Entstellung, stechen Lügen und dergleichen um sich werfen, kann nicht umhin, zuzugestehen, daß sie es diesmal mit Eingeweihten zu thun hat. Am spaßhaftesten war eine Entgegnung auf die letzte Brochüre, die aus der Neuen Bremer Zeitung in die Preußische Zeitung überging, und welche so ziemlich alle Behauptungen derselben bestätigte, nnr mit dem Unterschied, daß sie in dem Benehmen des Herrn v. Manteuffel, in welchem die Brochüre nnr Charakterschwäche und Willenlosigkeit fand, die Spuren einer sehr tiefsinnigen und pfiffigen Macchiavellistischen Politik entdeckte, ganz in dem Sinn der bekannten, in der Decker'scheu Officin gedruckten und von der National- zeitnng veröffentlichten Denkschrift, in welcher man sich bestrebte, die sämmlichen Grcnzvotcn. II. 1851. 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/37>, abgerufen am 29.04.2024.