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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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dadurch heben und diese gewinnen können, daß sie ihnen die gemeinsame politische
Gefahr bei Zeiten gezeigt und sie über die Immunität der slavischen Nationalität
beruhigt und sichergestellt hätte. Aber die hochmüthigen Herren von der Oppo¬
sition schmähten auf die gänzlich unmündigen Kroaten, welche dadurch nothwendig
der artigen und höfisch liebenswürdigen conservativen Aristokratie in die Hände
getrieben wurden, weil sie im Gefühle ihrer Schwäche gar nicht denken konnten,
sich ohne eine Stütze von dort her zu behaupten. Man kann mit vollem Rechte
sagen, daß Gcij über die Frage der Stellung zu Ungarn weder eine klare Ansicht
noch ein selbstständiges Urtheil hatte und daß er nur nach den Jnstructionen
handelte, welche er von der östreichischen Regierung durch die Vermittelung der
ungarischen Conservativen erhielt.

Die Literatur der Jllyrier war, mit Ausnahme der renommirenden Gaj'sehen
Zeitung, welche gegen den Magyarismnö eine systematische und ganz unpolitische
Opposition machte, sehr harmloser Natur. Von einer politischen Literatur kann
hier keine Rede sein, außer wenn man diesen Namen den zahllosen Streitschriften
geben will, welche von Magyaren und Jllyricrn über die Municipalrechte Kroa¬
tiens gewechselt wurden. Ihr Gegenstand und das schauderhafte Latein oder
Deutsch, in dem sie geschrieben sind, macht sie völlig ungenießbar; überdies sind
sie meist so schwach, daß sie schon deshalb ohne Erfolg bleiben mußten. Die
jungen Poeten sangen indessen girrende sentimentale Lieder, einer oder der andere
ein "patriotisches" Lied, in welchem der Tyrannei der Tataren -- d.h. Magya¬
ren -- mit illyrischer Macht und Herrlichkeit gedroht wird -- alles ans dem be¬
quemen Wege poetischer und politischer Gemeinplätze. Einigen dieser Lieder wurde
die ganz unverdiente Ehre zu Theil, von den ängstlichen Magyaren zu diploma¬
tischen Ackerstücken gegen den JllyriSmus erklärt zu werden, was auch als Kvraräo
in seinem unglücklichen Buche: "sur 1'esprit pudlicjM I-Ion^us" naiv wieder¬
holt. Diese Lieder wurden gesungen, weil sie ebeu Mode waren, veranlaßten
aber durchaus keine Revolution, wie man seinerzeit in deutschen Journalen las.

Es verdient bemerkt zu werden, daß die kroatischen Magyaren, im Gegen¬
satze zu ihren magyarischen Vorbildern, Literatur und Schriftsteller auss tiefste
verachteten und gar nicht versuchten auf literarischem Wege für ihre Partei zu
wirken. Die größte Schmach war nach ihren Begriffen der Name "Zeitungs¬
schreiber," wie man Journalisten zu nennen beliebte, obwohl doch selbst Kossuth
Zeitungsschreiber war.

So erwuchs aus eiuer Veränderung in der Orthographie ein flüchtiges na¬
tionales Selbstgefühl, daraus politische Gegensätze und aus diesen das bekannte
Ende, ein blutiger völkerverheereuder Krieg, welcher nicht nur die Feinde der
Jllyrier vernichtete, sondern auch die politischen Parteien, jenes aufflackernde na¬
tionale Selbstgefühl, die Privilegien und Freiheiten des Landes begrub; ein Krieg,
welcher der deutschen Sprache, Literatur und Regierungsweise, einer dritten, in


dadurch heben und diese gewinnen können, daß sie ihnen die gemeinsame politische
Gefahr bei Zeiten gezeigt und sie über die Immunität der slavischen Nationalität
beruhigt und sichergestellt hätte. Aber die hochmüthigen Herren von der Oppo¬
sition schmähten auf die gänzlich unmündigen Kroaten, welche dadurch nothwendig
der artigen und höfisch liebenswürdigen conservativen Aristokratie in die Hände
getrieben wurden, weil sie im Gefühle ihrer Schwäche gar nicht denken konnten,
sich ohne eine Stütze von dort her zu behaupten. Man kann mit vollem Rechte
sagen, daß Gcij über die Frage der Stellung zu Ungarn weder eine klare Ansicht
noch ein selbstständiges Urtheil hatte und daß er nur nach den Jnstructionen
handelte, welche er von der östreichischen Regierung durch die Vermittelung der
ungarischen Conservativen erhielt.

Die Literatur der Jllyrier war, mit Ausnahme der renommirenden Gaj'sehen
Zeitung, welche gegen den Magyarismnö eine systematische und ganz unpolitische
Opposition machte, sehr harmloser Natur. Von einer politischen Literatur kann
hier keine Rede sein, außer wenn man diesen Namen den zahllosen Streitschriften
geben will, welche von Magyaren und Jllyricrn über die Municipalrechte Kroa¬
tiens gewechselt wurden. Ihr Gegenstand und das schauderhafte Latein oder
Deutsch, in dem sie geschrieben sind, macht sie völlig ungenießbar; überdies sind
sie meist so schwach, daß sie schon deshalb ohne Erfolg bleiben mußten. Die
jungen Poeten sangen indessen girrende sentimentale Lieder, einer oder der andere
ein „patriotisches" Lied, in welchem der Tyrannei der Tataren — d.h. Magya¬
ren — mit illyrischer Macht und Herrlichkeit gedroht wird — alles ans dem be¬
quemen Wege poetischer und politischer Gemeinplätze. Einigen dieser Lieder wurde
die ganz unverdiente Ehre zu Theil, von den ängstlichen Magyaren zu diploma¬
tischen Ackerstücken gegen den JllyriSmus erklärt zu werden, was auch als Kvraräo
in seinem unglücklichen Buche: „sur 1'esprit pudlicjM I-Ion^us" naiv wieder¬
holt. Diese Lieder wurden gesungen, weil sie ebeu Mode waren, veranlaßten
aber durchaus keine Revolution, wie man seinerzeit in deutschen Journalen las.

Es verdient bemerkt zu werden, daß die kroatischen Magyaren, im Gegen¬
satze zu ihren magyarischen Vorbildern, Literatur und Schriftsteller auss tiefste
verachteten und gar nicht versuchten auf literarischem Wege für ihre Partei zu
wirken. Die größte Schmach war nach ihren Begriffen der Name „Zeitungs¬
schreiber," wie man Journalisten zu nennen beliebte, obwohl doch selbst Kossuth
Zeitungsschreiber war.

So erwuchs aus eiuer Veränderung in der Orthographie ein flüchtiges na¬
tionales Selbstgefühl, daraus politische Gegensätze und aus diesen das bekannte
Ende, ein blutiger völkerverheereuder Krieg, welcher nicht nur die Feinde der
Jllyrier vernichtete, sondern auch die politischen Parteien, jenes aufflackernde na¬
tionale Selbstgefühl, die Privilegien und Freiheiten des Landes begrub; ein Krieg,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/36>, abgerufen am 15.05.2024.