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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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gäbe, sondern im Gegentheil die, sich mit ihr zu vereinigen. Da nun das
herrschende System cingeständlich mit der allgemeinen Politik nichts zu thun hat,
und da es doch von seinen Leitern fortwährend in die Tendenzpolitik getrieben
wird, so könnte es sehr leicht dahin kommen, daß es seine Produktivität aus dem
Kirchlichen Gebiet versuchte, wozu es schon einige recht charakteristische Anstalten
getroffen hat. Ein solcher Versuch könnte den nothwendigen Prozeß nur be¬
schleunigen.

Außerdem ist auch keine Gefahr im Verznge. Wenn in Dresden überhaupt
etwas Anderes herauskommt, als die Rückkehr zum Bundestage, was ziemlich
unwahrscheinlich ist, so sind das doch immer nur rechtliche Fictionen, die jedes
factiscke Ereigniß über den Haufen wirft. Von dem einzigen factischen Erfolg,
den mau zu erreichen hoffte, von der Zollvereinigung mit Oestreich, oder von
der Einverleibung der Kleinstaaten in die Mittelstaaten, ist wohl keine Rede
mehr. Alles Uebrige ist für die dauernde Entwickelung Deutschlands unwesentlich.

Ebensowenig dürfen wir vor den Planen der Reaction im Innern besorgt
sein. Die grenzenlose Confusion, die sich in deu Blättern derselben offen an den
Tag legt, kaun uns darüber beruhigen. Freilich werden die Einzelnen darunter
noch sehr zu leiden haben; man wird namentlich der Presse soviel Belästigungen
auslegen, als irgend möglich. Aber die eigentliche Wirkung der Presse zu lahmen,
ist bis jetzt noch kein Mittel erfunden.

Sollte aber wider alle Berechnung Oestreich wirklich im Stande sein, die
Herrschaft über Deutschland zu erringen, die nach unserer Ueberzeugung ebenso
die deutscheu Bildungsverhältnisse wie die Interessen der Völker unmöglich machen
-- dann wäre allerdings unsere Ueberzeugung eine' irrige gewesen und wir
müßten uns in unser Schicksal ergeben. Dafür ist indessen wenig Chance.




Ungarische Z u se ni n d e.

Ans

Als unlängst der Lloyd mit seinen Verfassungsrcvisionsprojecteu auftrat, sagte
mir ein als äußerst gutgesiunt verschriener hiesiger Hauseigenthluner: "Nun sollen
Sie sehen, ob wir schwarzgelben es nicht ehrlich mit der Konstitution meinen.
Ich kaun Ihnen versichern, daß in einigen Tagen aus mehreren Städten des Reichs
Deputationen nach Wien abgehen werden, um sich von der Regierung eine Er¬
klärung über die von Lloyd ausgesprochenen Intentionen eirznholen, und ich kann
Ihnen ebenfalls versichern, daß diese Erklärung eine vollkommen beruhigende sein
wird." Seit dieser Zeit ist viel Wasser auf der Donau und ein Strom von


gäbe, sondern im Gegentheil die, sich mit ihr zu vereinigen. Da nun das
herrschende System cingeständlich mit der allgemeinen Politik nichts zu thun hat,
und da es doch von seinen Leitern fortwährend in die Tendenzpolitik getrieben
wird, so könnte es sehr leicht dahin kommen, daß es seine Produktivität aus dem
Kirchlichen Gebiet versuchte, wozu es schon einige recht charakteristische Anstalten
getroffen hat. Ein solcher Versuch könnte den nothwendigen Prozeß nur be¬
schleunigen.

Außerdem ist auch keine Gefahr im Verznge. Wenn in Dresden überhaupt
etwas Anderes herauskommt, als die Rückkehr zum Bundestage, was ziemlich
unwahrscheinlich ist, so sind das doch immer nur rechtliche Fictionen, die jedes
factiscke Ereigniß über den Haufen wirft. Von dem einzigen factischen Erfolg,
den mau zu erreichen hoffte, von der Zollvereinigung mit Oestreich, oder von
der Einverleibung der Kleinstaaten in die Mittelstaaten, ist wohl keine Rede
mehr. Alles Uebrige ist für die dauernde Entwickelung Deutschlands unwesentlich.

Ebensowenig dürfen wir vor den Planen der Reaction im Innern besorgt
sein. Die grenzenlose Confusion, die sich in deu Blättern derselben offen an den
Tag legt, kaun uns darüber beruhigen. Freilich werden die Einzelnen darunter
noch sehr zu leiden haben; man wird namentlich der Presse soviel Belästigungen
auslegen, als irgend möglich. Aber die eigentliche Wirkung der Presse zu lahmen,
ist bis jetzt noch kein Mittel erfunden.

Sollte aber wider alle Berechnung Oestreich wirklich im Stande sein, die
Herrschaft über Deutschland zu erringen, die nach unserer Ueberzeugung ebenso
die deutscheu Bildungsverhältnisse wie die Interessen der Völker unmöglich machen
— dann wäre allerdings unsere Ueberzeugung eine' irrige gewesen und wir
müßten uns in unser Schicksal ergeben. Dafür ist indessen wenig Chance.




Ungarische Z u se ni n d e.

Ans

Als unlängst der Lloyd mit seinen Verfassungsrcvisionsprojecteu auftrat, sagte
mir ein als äußerst gutgesiunt verschriener hiesiger Hauseigenthluner: „Nun sollen
Sie sehen, ob wir schwarzgelben es nicht ehrlich mit der Konstitution meinen.
Ich kaun Ihnen versichern, daß in einigen Tagen aus mehreren Städten des Reichs
Deputationen nach Wien abgehen werden, um sich von der Regierung eine Er¬
klärung über die von Lloyd ausgesprochenen Intentionen eirznholen, und ich kann
Ihnen ebenfalls versichern, daß diese Erklärung eine vollkommen beruhigende sein
wird." Seit dieser Zeit ist viel Wasser auf der Donau und ein Strom von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/40>, abgerufen am 28.04.2024.