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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Zur Geschichte des Friedrichs-Denkmals in Berlin.

Das Friedrichs-Denkmal, von dem ich Ihnen vor Kurzem eine Schilderung
entwarf, steht jetzt an dem seit einem halben Jahrhundert ihm bestimmten Platze.
Das Rauschen der Musik, der Donner der Geschütze, die preisender, ermahnenden
und politisch tendenziösen Reden, der Paradeschritt marschirender Regimenter und
der Marsch paradirender Gewerke, kurz das ganze offiziöse, prunkende nud lär¬
mende Accompagnement der Enthüllungsfeier ist verklungen. Sie werden nicht
erwarten, daß ich in die Fußstapfen der Berliner Zeitungen trete und Ihnen nach¬
träglich berichte, was dort schou aller Welt verkündet worden. Die Feier hatte
einen durch und durch militärischen und uniformirten Anstrich. Durch die ge¬
waltigen Räume, auf denen sie sich bewegte, durch die Massen, welche auf dem
Pflaster, auf den Dächern und an den Fenstern der Gebäude mitwirkend oder
zuschauend darau Theil nahmen, war sie jedoch nicht ohne Großartigkeit. Ihr
ergreifendster Moment, der einzige, der mit ungemischtem, reinem Eindruck der
Freude jedes Ange, jedes Gemüth in gleichem Grade berühren mußte, war na¬
türlich der Augenblick der Enthüllung selbst.

Die Leinwand sank von einem der herrlichsten Meisterwerke neuerer Kunst;
Staunen und Bewunderung lösten sich im lauten Jubel der versammelten Menge.
Man hat an der passenden Wahl des Standortes gezweifelt, aber der Augen¬
schein besiegte alle Zweifel. Kein Platz in der Welt könnte passender sein. Die
Steinkolosse des Palastes des Prinzen von Preußen, der Universität, der Akademie
umschließen das Denkmal als mächtige Schranken, deren Höhe an Eindruck durch
die Höhe des Standbildes Nichts verliert. Die freien, schlanken Formen des
Letztern werden von der Mannhaftigkeit der umgebenden Architektur sehr gut
begrenzt, und doch bleibt Raum genug, um auch die Langseiten des Denkmals
im Ganzen zu überblicken, wie im Einzelnen zu betrachten. Um im Rücken
desselben einen architektonischen Abschluß zu gewinnen, hat man beschlossen, vier
Denksäulen vor die Endpunkte der vier Baumreihen der Lindenallee aufzustellen.
Sie machten, zunächst von Holz, Stroh, Leinwand und Pappe schnell errichtet,
schon die Enthüllungsfeier mit, und würden die Wirkung des Gesmnmtbildes un¬
gemein gehoben haben, wären sie minder hoch gewesen, und hätten sie dem
Standbilde des große" Friedrich minder nahe gestanden.

Es sind vier, obeliskenarlig emporsteigende Pfeiler, welche jedoch nicht mit
einer abgekanteten Spitze schließen, sondern ein Capital tragen, an dem wir statt
der Akanthuöblätter Brust und Fittige von Adlern, statt der Volute" deren Köpfe
und Schnäbel bemerke". Aus jedem der vier Capitale steht eiuer der Vorfahren
des alten Fritz, rechts ein Markgraf und ein Kurfürst, links zwei Könige. Daß
man dort mit dein Ascanier Albrecht dem Bären begann, der doch einem ganz


Zur Geschichte des Friedrichs-Denkmals in Berlin.

Das Friedrichs-Denkmal, von dem ich Ihnen vor Kurzem eine Schilderung
entwarf, steht jetzt an dem seit einem halben Jahrhundert ihm bestimmten Platze.
Das Rauschen der Musik, der Donner der Geschütze, die preisender, ermahnenden
und politisch tendenziösen Reden, der Paradeschritt marschirender Regimenter und
der Marsch paradirender Gewerke, kurz das ganze offiziöse, prunkende nud lär¬
mende Accompagnement der Enthüllungsfeier ist verklungen. Sie werden nicht
erwarten, daß ich in die Fußstapfen der Berliner Zeitungen trete und Ihnen nach¬
träglich berichte, was dort schou aller Welt verkündet worden. Die Feier hatte
einen durch und durch militärischen und uniformirten Anstrich. Durch die ge¬
waltigen Räume, auf denen sie sich bewegte, durch die Massen, welche auf dem
Pflaster, auf den Dächern und an den Fenstern der Gebäude mitwirkend oder
zuschauend darau Theil nahmen, war sie jedoch nicht ohne Großartigkeit. Ihr
ergreifendster Moment, der einzige, der mit ungemischtem, reinem Eindruck der
Freude jedes Ange, jedes Gemüth in gleichem Grade berühren mußte, war na¬
türlich der Augenblick der Enthüllung selbst.

Die Leinwand sank von einem der herrlichsten Meisterwerke neuerer Kunst;
Staunen und Bewunderung lösten sich im lauten Jubel der versammelten Menge.
Man hat an der passenden Wahl des Standortes gezweifelt, aber der Augen¬
schein besiegte alle Zweifel. Kein Platz in der Welt könnte passender sein. Die
Steinkolosse des Palastes des Prinzen von Preußen, der Universität, der Akademie
umschließen das Denkmal als mächtige Schranken, deren Höhe an Eindruck durch
die Höhe des Standbildes Nichts verliert. Die freien, schlanken Formen des
Letztern werden von der Mannhaftigkeit der umgebenden Architektur sehr gut
begrenzt, und doch bleibt Raum genug, um auch die Langseiten des Denkmals
im Ganzen zu überblicken, wie im Einzelnen zu betrachten. Um im Rücken
desselben einen architektonischen Abschluß zu gewinnen, hat man beschlossen, vier
Denksäulen vor die Endpunkte der vier Baumreihen der Lindenallee aufzustellen.
Sie machten, zunächst von Holz, Stroh, Leinwand und Pappe schnell errichtet,
schon die Enthüllungsfeier mit, und würden die Wirkung des Gesmnmtbildes un¬
gemein gehoben haben, wären sie minder hoch gewesen, und hätten sie dem
Standbilde des große» Friedrich minder nahe gestanden.

Es sind vier, obeliskenarlig emporsteigende Pfeiler, welche jedoch nicht mit
einer abgekanteten Spitze schließen, sondern ein Capital tragen, an dem wir statt
der Akanthuöblätter Brust und Fittige von Adlern, statt der Volute» deren Köpfe
und Schnäbel bemerke». Aus jedem der vier Capitale steht eiuer der Vorfahren
des alten Fritz, rechts ein Markgraf und ein Kurfürst, links zwei Könige. Daß
man dort mit dein Ascanier Albrecht dem Bären begann, der doch einem ganz


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[0433] Zur Geschichte des Friedrichs-Denkmals in Berlin. Das Friedrichs-Denkmal, von dem ich Ihnen vor Kurzem eine Schilderung entwarf, steht jetzt an dem seit einem halben Jahrhundert ihm bestimmten Platze. Das Rauschen der Musik, der Donner der Geschütze, die preisender, ermahnenden und politisch tendenziösen Reden, der Paradeschritt marschirender Regimenter und der Marsch paradirender Gewerke, kurz das ganze offiziöse, prunkende nud lär¬ mende Accompagnement der Enthüllungsfeier ist verklungen. Sie werden nicht erwarten, daß ich in die Fußstapfen der Berliner Zeitungen trete und Ihnen nach¬ träglich berichte, was dort schou aller Welt verkündet worden. Die Feier hatte einen durch und durch militärischen und uniformirten Anstrich. Durch die ge¬ waltigen Räume, auf denen sie sich bewegte, durch die Massen, welche auf dem Pflaster, auf den Dächern und an den Fenstern der Gebäude mitwirkend oder zuschauend darau Theil nahmen, war sie jedoch nicht ohne Großartigkeit. Ihr ergreifendster Moment, der einzige, der mit ungemischtem, reinem Eindruck der Freude jedes Ange, jedes Gemüth in gleichem Grade berühren mußte, war na¬ türlich der Augenblick der Enthüllung selbst. Die Leinwand sank von einem der herrlichsten Meisterwerke neuerer Kunst; Staunen und Bewunderung lösten sich im lauten Jubel der versammelten Menge. Man hat an der passenden Wahl des Standortes gezweifelt, aber der Augen¬ schein besiegte alle Zweifel. Kein Platz in der Welt könnte passender sein. Die Steinkolosse des Palastes des Prinzen von Preußen, der Universität, der Akademie umschließen das Denkmal als mächtige Schranken, deren Höhe an Eindruck durch die Höhe des Standbildes Nichts verliert. Die freien, schlanken Formen des Letztern werden von der Mannhaftigkeit der umgebenden Architektur sehr gut begrenzt, und doch bleibt Raum genug, um auch die Langseiten des Denkmals im Ganzen zu überblicken, wie im Einzelnen zu betrachten. Um im Rücken desselben einen architektonischen Abschluß zu gewinnen, hat man beschlossen, vier Denksäulen vor die Endpunkte der vier Baumreihen der Lindenallee aufzustellen. Sie machten, zunächst von Holz, Stroh, Leinwand und Pappe schnell errichtet, schon die Enthüllungsfeier mit, und würden die Wirkung des Gesmnmtbildes un¬ gemein gehoben haben, wären sie minder hoch gewesen, und hätten sie dem Standbilde des große» Friedrich minder nahe gestanden. Es sind vier, obeliskenarlig emporsteigende Pfeiler, welche jedoch nicht mit einer abgekanteten Spitze schließen, sondern ein Capital tragen, an dem wir statt der Akanthuöblätter Brust und Fittige von Adlern, statt der Volute» deren Köpfe und Schnäbel bemerke». Aus jedem der vier Capitale steht eiuer der Vorfahren des alten Fritz, rechts ein Markgraf und ein Kurfürst, links zwei Könige. Daß man dort mit dein Ascanier Albrecht dem Bären begann, der doch einem ganz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/433>, abgerufen am 28.04.2024.