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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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stattet, uns in eine heroische Positur zu setzen; aber die wirklichen Fortschritte
der Cultur müssen uns wichtiger sein, als der Beifall, den das blasirte Publicum
-!
/ unsern Fechterkünsten zollt.



Wochenschau.
Aus

-- Vorigen Sommer, als der passive Widerstand der Altcon¬
servativen anfing sich in Memoranden und Brochüren Lust zu machen, sagte mir Einer
unsrer optimistischen Patrioten: "Am Ende bringt uns die Oestreichische Regierung noch
selbst Das entgegen, um was in den Jahren ->8i>8 und 18i9 von beiden Seiten mit
so viel Erbitterung gekämpft wurde." Ich lachte damals über die Unverwüstlichkeit
dieser Gcfühlspolitik; nun aber, glaube ich, sind wir in ein Stadium gerathen, wo die
Lächerlichkeit mit dem bittersten Ernst so durch einander gewürfelt ist, daß man sich oft
versucht fühlt, manchen naiven Kannengießer für ein hochweises Lächeln um Verzeihung
zu bitten. -- Die Constitution vom i. März ist in den letzten Zügen. Schon sind
bedeutende Anzeichen da, daß die Altconservativcn aller Kronländer, diese vormärzlichen
Säulen des Oestreichischen Staatsgebäudes, wieder berufen sind, den papierener Haupt¬
pfeiler von Olmütz zu ersetzen; und zwar scheint man die Ungarischen Altconservativen,
wegen ihrer in letzter Zeit an den Tag gelegten Renitenz, wenigstens direct umgehen,
und sich unmittelbar den specifisch Habsburgischen, vom Gifte des Separatismus, wie
von der unheilvollen Sucht Politik und Geschichte zu machen, ganz freigebliebenen, crb-
ländischen Altconservativen in die Arme werfen zu wollen. -- Als Chef dieser Partei
wird allgemein Gras H artig genannt, der uns vor einigen Wochen in einer Schrift
"Nachtgedanken von Gotthelf Zurecht" sein Programm niederlegte. Der edle Gras hält
die Constitution vom i>. März für unausführbar. Im Reichstag würden die separatisti¬
schen Elemente nichts Gutes zu Staude kommen lassen, und allesammt darauf hinar¬
beiten, Oestreich aus einander zu reißen; er will also an die Stelle des Reichstags einen
Rath setzen, der aus je zwei Mitglieder" aus jeder Provinz ohne Rücksicht auf die
Bevölkerung bestehen soll, welche von den Provinziallandtagen, deren Wirkungskreis
übrigens etwas erweitert werden müßte, gewählt werden. Dieser Reichstag, welcher
aus 20--30 Personen bestehen dürste -- der Herr Graf will einige kleine Provinzen
zusammenkuppeln -- böte der Agitation viel weniger Raum, wäre höchst geräuschlos,
und könnte den Gesammtstaat durchaus nicht bedrohen, da zwar -- wie der edle Graf
ganz naiv gesteht -- die Mehrzahl der Bevölkerung Oestreichs überhaupt kein Oestreich
wolle, die Mehrzahl der Kronländer aber -- und solche kann man für den Nothfall
zu jeder Stunde neu erschaffen -- gut Oestrcichisch ist. -- Der Rücktritt Bruck's,
der neue Feldzug der revolutionairen Presse gegen die Olmützer Verfassung, und die
Rabe", die ihr Gekrächze an den Fenstern des Ministeriums des Innern hören lassen,
stellen die Zeit in naher Aussicht, wo die Altconservativen wieder zu Ehren kommen
werden, und der Umstand, daß der Lloyd obgenannte Schrift, die schon vor einem
Monat erschienen ist, eben jetzt einer lange" aber sammetseinen Kritik unterzieht, wird
allgemein darauf hingedeutet, daß es Herrn "Gotthelf Zurecht" beschieden sein dürste,


stattet, uns in eine heroische Positur zu setzen; aber die wirklichen Fortschritte
der Cultur müssen uns wichtiger sein, als der Beifall, den das blasirte Publicum
-!
/ unsern Fechterkünsten zollt.



Wochenschau.
Aus

— Vorigen Sommer, als der passive Widerstand der Altcon¬
servativen anfing sich in Memoranden und Brochüren Lust zu machen, sagte mir Einer
unsrer optimistischen Patrioten: „Am Ende bringt uns die Oestreichische Regierung noch
selbst Das entgegen, um was in den Jahren ->8i>8 und 18i9 von beiden Seiten mit
so viel Erbitterung gekämpft wurde." Ich lachte damals über die Unverwüstlichkeit
dieser Gcfühlspolitik; nun aber, glaube ich, sind wir in ein Stadium gerathen, wo die
Lächerlichkeit mit dem bittersten Ernst so durch einander gewürfelt ist, daß man sich oft
versucht fühlt, manchen naiven Kannengießer für ein hochweises Lächeln um Verzeihung
zu bitten. — Die Constitution vom i. März ist in den letzten Zügen. Schon sind
bedeutende Anzeichen da, daß die Altconservativcn aller Kronländer, diese vormärzlichen
Säulen des Oestreichischen Staatsgebäudes, wieder berufen sind, den papierener Haupt¬
pfeiler von Olmütz zu ersetzen; und zwar scheint man die Ungarischen Altconservativen,
wegen ihrer in letzter Zeit an den Tag gelegten Renitenz, wenigstens direct umgehen,
und sich unmittelbar den specifisch Habsburgischen, vom Gifte des Separatismus, wie
von der unheilvollen Sucht Politik und Geschichte zu machen, ganz freigebliebenen, crb-
ländischen Altconservativen in die Arme werfen zu wollen. — Als Chef dieser Partei
wird allgemein Gras H artig genannt, der uns vor einigen Wochen in einer Schrift
„Nachtgedanken von Gotthelf Zurecht" sein Programm niederlegte. Der edle Gras hält
die Constitution vom i>. März für unausführbar. Im Reichstag würden die separatisti¬
schen Elemente nichts Gutes zu Staude kommen lassen, und allesammt darauf hinar¬
beiten, Oestreich aus einander zu reißen; er will also an die Stelle des Reichstags einen
Rath setzen, der aus je zwei Mitglieder» aus jeder Provinz ohne Rücksicht auf die
Bevölkerung bestehen soll, welche von den Provinziallandtagen, deren Wirkungskreis
übrigens etwas erweitert werden müßte, gewählt werden. Dieser Reichstag, welcher
aus 20—30 Personen bestehen dürste — der Herr Graf will einige kleine Provinzen
zusammenkuppeln — böte der Agitation viel weniger Raum, wäre höchst geräuschlos,
und könnte den Gesammtstaat durchaus nicht bedrohen, da zwar — wie der edle Graf
ganz naiv gesteht — die Mehrzahl der Bevölkerung Oestreichs überhaupt kein Oestreich
wolle, die Mehrzahl der Kronländer aber — und solche kann man für den Nothfall
zu jeder Stunde neu erschaffen — gut Oestrcichisch ist. — Der Rücktritt Bruck's,
der neue Feldzug der revolutionairen Presse gegen die Olmützer Verfassung, und die
Rabe«, die ihr Gekrächze an den Fenstern des Ministeriums des Innern hören lassen,
stellen die Zeit in naher Aussicht, wo die Altconservativen wieder zu Ehren kommen
werden, und der Umstand, daß der Lloyd obgenannte Schrift, die schon vor einem
Monat erschienen ist, eben jetzt einer lange» aber sammetseinen Kritik unterzieht, wird
allgemein darauf hingedeutet, daß es Herrn „Gotthelf Zurecht" beschieden sein dürste,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/443>, abgerufen am 28.04.2024.