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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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"verlangt" und "so" nur einen Blitzstrahl zu schießen, ist der treueste Ausdruck
dieser ganzen Gedankenreihe, dieses immer wiederkehrenden Unmuths über die
Zugeständnisse, welche mit jenen Förmlichkeiten an das Publicum gemacht wurden.
"Da den hohen Mitgliedern dieser Kammer durch den eben gehörten Vortrag
deK geehrten Herrn Referenten der Ansschußantrag bekannt ist, so brauche ich
denselben wol nicht nochmals zu verlesen?" Obgleich diese fragenden Worte von
höflichen Verneigungen nach'allen Seiten begleitet sind, so liegt doch in ihrem
Tone die entschiedenste Annahme der Bejahung. Und die hohe Kammer, welche
ihre Abstimmung so genau kennt, ist anch bereits in nachbarlichem Unierhaltnngs-
geflüster vertieft, so daß ihnen kaum ein zerstreutes Znstimmnngsgemurmel folgt.
"Ich bitte also die zustimmenden Mitglieder mit Ja, die andern mit Nein zu
antworten.... Se. königl. Hoheit Prinz Luitpold?" u. s. w. Gewöhnlich
erfolgt ein einstimmiges Ja. "Einstimmig angenommen. Da somit die Tages¬
ordnung erschöpft ist, schließe ich die Sitzung." Man erhebt sich unter gegen¬
seitigem Verneigen, und verläßt in abermals ziemlich sitzrecht geordnetem Zuge
den Saal. Die blauen, goldbetreßten Männer warten diesmal im Versammlungs-
zimmer.

So ist es gewöhnlich. Nur selten kommt es zu eigentlichen parlamentarischen
Verhandlungen, und auch diesen fehlt eine gewisse stereotype Form keineswegs.
Bedingend werden sie im Saale nie, wenn nicht ganz unerwartete Erklärungen
vom Ministertische kommen.




Die Erneuerung der Provinzialstcinde in Preußen.

Die Verordnung vom 28. Mai an die königlichen Oberpräsidien, durch
welche der Minister des Innern in der unschuldigen Form eines Ministerialre-
scripts eine der wichtigsten Fragen der organischen Gesetzgebung wenigstens pro¬
visorisch zu erledigen unternimmt, hat in der constitutionellen Partei eine so leb¬
hafte Opposition hervorgerufen, wie mau sie bei der allgemeinen Abspannung
und Erschlaffung der letzten Monate kaum noch hätte erwarten sollen. Diese
Oposition, welche den Ernst des Schrittes gebührend würdigt, geht diesmal
zum Theil von Kreisen aus, die in ihrer allgemeinen Haltung bei Weitem conser-
vativer sind als wir. Dennoch können wir uns uicht davou überzeugen, daß sie
für unsre Sache von Nutzen sei. Man möge nus gestatten, diese abweichende
Meinung kurz zu motiviren.

Was unsre Partei diesmal bewogen hat, die principielle Opposition gegen
das Ministerium, welche sich früher hauptsächlich aus die auswärtige Politik desselben
bezog, lebhafter als je auch auf die innere Politik zu übertragen, ist Folgendes.


„verlangt" und „so" nur einen Blitzstrahl zu schießen, ist der treueste Ausdruck
dieser ganzen Gedankenreihe, dieses immer wiederkehrenden Unmuths über die
Zugeständnisse, welche mit jenen Förmlichkeiten an das Publicum gemacht wurden.
„Da den hohen Mitgliedern dieser Kammer durch den eben gehörten Vortrag
deK geehrten Herrn Referenten der Ansschußantrag bekannt ist, so brauche ich
denselben wol nicht nochmals zu verlesen?" Obgleich diese fragenden Worte von
höflichen Verneigungen nach'allen Seiten begleitet sind, so liegt doch in ihrem
Tone die entschiedenste Annahme der Bejahung. Und die hohe Kammer, welche
ihre Abstimmung so genau kennt, ist anch bereits in nachbarlichem Unierhaltnngs-
geflüster vertieft, so daß ihnen kaum ein zerstreutes Znstimmnngsgemurmel folgt.
„Ich bitte also die zustimmenden Mitglieder mit Ja, die andern mit Nein zu
antworten.... Se. königl. Hoheit Prinz Luitpold?" u. s. w. Gewöhnlich
erfolgt ein einstimmiges Ja. „Einstimmig angenommen. Da somit die Tages¬
ordnung erschöpft ist, schließe ich die Sitzung." Man erhebt sich unter gegen¬
seitigem Verneigen, und verläßt in abermals ziemlich sitzrecht geordnetem Zuge
den Saal. Die blauen, goldbetreßten Männer warten diesmal im Versammlungs-
zimmer.

So ist es gewöhnlich. Nur selten kommt es zu eigentlichen parlamentarischen
Verhandlungen, und auch diesen fehlt eine gewisse stereotype Form keineswegs.
Bedingend werden sie im Saale nie, wenn nicht ganz unerwartete Erklärungen
vom Ministertische kommen.




Die Erneuerung der Provinzialstcinde in Preußen.

Die Verordnung vom 28. Mai an die königlichen Oberpräsidien, durch
welche der Minister des Innern in der unschuldigen Form eines Ministerialre-
scripts eine der wichtigsten Fragen der organischen Gesetzgebung wenigstens pro¬
visorisch zu erledigen unternimmt, hat in der constitutionellen Partei eine so leb¬
hafte Opposition hervorgerufen, wie mau sie bei der allgemeinen Abspannung
und Erschlaffung der letzten Monate kaum noch hätte erwarten sollen. Diese
Oposition, welche den Ernst des Schrittes gebührend würdigt, geht diesmal
zum Theil von Kreisen aus, die in ihrer allgemeinen Haltung bei Weitem conser-
vativer sind als wir. Dennoch können wir uns uicht davou überzeugen, daß sie
für unsre Sache von Nutzen sei. Man möge nus gestatten, diese abweichende
Meinung kurz zu motiviren.

Was unsre Partei diesmal bewogen hat, die principielle Opposition gegen
das Ministerium, welche sich früher hauptsächlich aus die auswärtige Politik desselben
bezog, lebhafter als je auch auf die innere Politik zu übertragen, ist Folgendes.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/480>, abgerufen am 29.04.2024.