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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Ich denke, das wird genug sei". In ähnlichem Styl sind alle die übrigen Gedichte
gehalten; so das bekannte Bnszgedicht: "die Weihe der Unkraft" (-1814), ferner die
Dramen: "die Kreuzeserhöhnng" (1820), und "die Mutter der Maccabäer" (1820).
-- Werner lebte in Wien, mit den übrigen Apostaten, von den großen Herren,
denen damals diese neue religiöse Richtung als ein Moment des conservativen
Princips erschien, sehr begünstigt; er faßte 182-1 den Entschluß, in den Orden
der Redemptoristen zu treten, eine neue Auflage der Jesuiten, für die er schon
in Rom sehr geschwärmt hatte. Er trat zurück, noch ehe er sein Noviziat begon¬
nen, aber in seinem Testament unterzeichnete er sich doch als Priester und Redemp-
torist. Er starb im Januar 1823. Wir werden in einem spätern Aufsatz seine
Nachahmer in der Deutschen Literatur skizziren, von denen keiner in der Verir-
rung so weit gegangen ist, keiner aber mich so viel Talent mitgebracht hat. Werner's
Leben kann unsern Romantikern zur ernsten Warnung gereichen. Es ist doch ein
unbestreitbares Talent, und sein Streben ist zwar von vorn herein ungesund, aber
doH nicht ohne eine gewisse Energie und selbst eine Art Ueberzeugung; sobald
man aber die eigene Genialität oder Inspiration berechtigt glaubt, sich über
die Regeln des Verstandes und über die Natur des Allgemeingefühls hinwegzu¬
setzen, geräth man in ein Labyrinth, aus dem kein Ausweg führt. Manche unsrer
neuern Poeten, die in die Welt hineinpoltern, was ihnen eben einfällt, ohne nach
I. S. Maß und Regel zu fragen, können sich an ihm ein Beispiel nehmen.




Lamartine'S neueste Schriften.

Wir wollen hier nicht von der politischen Thätigkeit des berühmten Lyrikers
reden. Wenn er in diesem Augenblick sich als Bonapartist mit republikanischer
Färbung gen", so läßt sich erwarten, daß ihm für die Rechtfertigung dieser neuen
Wendung eben so viel Phrasen zu Gebote stehen werden, als in den zahlreichen
Metamorphosen, die er früher durchgemacht hat. Er bleibt, was er immer ge¬
wesen ist, ein lyrisch-rhetorischer Politiker, und Witz, Einfälle, Empfindsamkeit,
Stimmung ersetzen bei ihm die Energie der Ueberzeugung und den klaren Verstand
eines bedächtigen Entschlusses. -- Schon unter der Julidynastie war man gewöhnt,


Grenzboten. II. 1851. 6i

Ich denke, das wird genug sei». In ähnlichem Styl sind alle die übrigen Gedichte
gehalten; so das bekannte Bnszgedicht: „die Weihe der Unkraft" (-1814), ferner die
Dramen: „die Kreuzeserhöhnng" (1820), und „die Mutter der Maccabäer" (1820).
— Werner lebte in Wien, mit den übrigen Apostaten, von den großen Herren,
denen damals diese neue religiöse Richtung als ein Moment des conservativen
Princips erschien, sehr begünstigt; er faßte 182-1 den Entschluß, in den Orden
der Redemptoristen zu treten, eine neue Auflage der Jesuiten, für die er schon
in Rom sehr geschwärmt hatte. Er trat zurück, noch ehe er sein Noviziat begon¬
nen, aber in seinem Testament unterzeichnete er sich doch als Priester und Redemp-
torist. Er starb im Januar 1823. Wir werden in einem spätern Aufsatz seine
Nachahmer in der Deutschen Literatur skizziren, von denen keiner in der Verir-
rung so weit gegangen ist, keiner aber mich so viel Talent mitgebracht hat. Werner's
Leben kann unsern Romantikern zur ernsten Warnung gereichen. Es ist doch ein
unbestreitbares Talent, und sein Streben ist zwar von vorn herein ungesund, aber
doH nicht ohne eine gewisse Energie und selbst eine Art Ueberzeugung; sobald
man aber die eigene Genialität oder Inspiration berechtigt glaubt, sich über
die Regeln des Verstandes und über die Natur des Allgemeingefühls hinwegzu¬
setzen, geräth man in ein Labyrinth, aus dem kein Ausweg führt. Manche unsrer
neuern Poeten, die in die Welt hineinpoltern, was ihnen eben einfällt, ohne nach
I. S. Maß und Regel zu fragen, können sich an ihm ein Beispiel nehmen.




Lamartine'S neueste Schriften.

Wir wollen hier nicht von der politischen Thätigkeit des berühmten Lyrikers
reden. Wenn er in diesem Augenblick sich als Bonapartist mit republikanischer
Färbung gen«, so läßt sich erwarten, daß ihm für die Rechtfertigung dieser neuen
Wendung eben so viel Phrasen zu Gebote stehen werden, als in den zahlreichen
Metamorphosen, die er früher durchgemacht hat. Er bleibt, was er immer ge¬
wesen ist, ein lyrisch-rhetorischer Politiker, und Witz, Einfälle, Empfindsamkeit,
Stimmung ersetzen bei ihm die Energie der Ueberzeugung und den klaren Verstand
eines bedächtigen Entschlusses. — Schon unter der Julidynastie war man gewöhnt,


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[0517] Ich denke, das wird genug sei». In ähnlichem Styl sind alle die übrigen Gedichte gehalten; so das bekannte Bnszgedicht: „die Weihe der Unkraft" (-1814), ferner die Dramen: „die Kreuzeserhöhnng" (1820), und „die Mutter der Maccabäer" (1820). — Werner lebte in Wien, mit den übrigen Apostaten, von den großen Herren, denen damals diese neue religiöse Richtung als ein Moment des conservativen Princips erschien, sehr begünstigt; er faßte 182-1 den Entschluß, in den Orden der Redemptoristen zu treten, eine neue Auflage der Jesuiten, für die er schon in Rom sehr geschwärmt hatte. Er trat zurück, noch ehe er sein Noviziat begon¬ nen, aber in seinem Testament unterzeichnete er sich doch als Priester und Redemp- torist. Er starb im Januar 1823. Wir werden in einem spätern Aufsatz seine Nachahmer in der Deutschen Literatur skizziren, von denen keiner in der Verir- rung so weit gegangen ist, keiner aber mich so viel Talent mitgebracht hat. Werner's Leben kann unsern Romantikern zur ernsten Warnung gereichen. Es ist doch ein unbestreitbares Talent, und sein Streben ist zwar von vorn herein ungesund, aber doH nicht ohne eine gewisse Energie und selbst eine Art Ueberzeugung; sobald man aber die eigene Genialität oder Inspiration berechtigt glaubt, sich über die Regeln des Verstandes und über die Natur des Allgemeingefühls hinwegzu¬ setzen, geräth man in ein Labyrinth, aus dem kein Ausweg führt. Manche unsrer neuern Poeten, die in die Welt hineinpoltern, was ihnen eben einfällt, ohne nach I. S. Maß und Regel zu fragen, können sich an ihm ein Beispiel nehmen. Lamartine'S neueste Schriften. Wir wollen hier nicht von der politischen Thätigkeit des berühmten Lyrikers reden. Wenn er in diesem Augenblick sich als Bonapartist mit republikanischer Färbung gen«, so läßt sich erwarten, daß ihm für die Rechtfertigung dieser neuen Wendung eben so viel Phrasen zu Gebote stehen werden, als in den zahlreichen Metamorphosen, die er früher durchgemacht hat. Er bleibt, was er immer ge¬ wesen ist, ein lyrisch-rhetorischer Politiker, und Witz, Einfälle, Empfindsamkeit, Stimmung ersetzen bei ihm die Energie der Ueberzeugung und den klaren Verstand eines bedächtigen Entschlusses. — Schon unter der Julidynastie war man gewöhnt, Grenzboten. II. 1851. 6i

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/517>, abgerufen am 29.04.2024.