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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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ten Küsten des Mittelmeeres steht ihr noch kein Hafen offen. Ohne Hafen aber
keine Flotte im Mittelmeer, ohne Flotte keine Herrschaft in den türkischen und
griechischen Gewässern. Wenn deshalb der Czaar so eilig war, sich den jungen
Kaiser von Oestreich zu verbinden und Oestreich fest an sein Interesse zu Schuß
ßer, so wußten die russischen Staatsmänner auch, weshalb sie im eigenen In¬
teresse das thun mußten. Ist denn das Opfer so groß, welches Oestreich bringt,
wenn es seinem bewährten Srennde 'contractmäßig die Benutzung eines Hafens
überläßt, dessen Werth und europäische Bedeutung die östreichischen Staatsmänner
nicht erkannt haben? Ist doch das ganze Departement Cattaro von dem übrigen
Dalmatien ohnedies durch türkisches Gebiet getrennt, ein unsicherer Besitz,
dessen Einnahmen im Staatsbudget keine große Ziffer bilden. Für uns freilich
wird die Besitznahme dieses Hafens durch Rußland das Zeichen, daß die stillen
Pläne ans die slavische Türkei reif geworden sind, daß Rußland entschlossen ist,
den Hinteren Theil des Mittelmeeres gegen England zu behaupten, und daß die
Stunde gekommen ist, wo der Entscheidnngskampf zwischen den beiden europäi¬
schen Großmächten ausgefochten wird, und wo auch wir Deutsche Partei nehmen
müssen, weil in demselben Kampfe entschieden wird, ob wir freie Verbündete
Englands oder Unterthanen Rußlands werden.




Preußen und der Zollverein.

Das unvorsichtige Drängen Oestreichs nach einer Zolleinigung mit Deutsch¬
land hat das preußische Ministerium und seine Partei besorgt und argwöhnisch
gemacht. Die bitterste Frucht des Bündnisses mit Oestreich ist so schnell und
energisch angeboten worden, daß sogar die preußische Kreuzzeitung sich veranlaßt
sah, zu erklären, daß der preußische Münster ein Verräther sein werde, welcher
in eine Zolleinigung mit Oestreich willige. Es ist nicht zu zweifeln, daß das
preußische Cabinet in seiner Art ernsthafte Anstrengungen machen wird, sich den
Gefahren dieser Zolleinignngspläne zu entziehen; denn es ist nicht die Entwerthung
des ländlichen Grundbesitzes, die plötzliche Umwälzung des gesammten Handels
und der Ruin seiner Fabriken, welchen es fürchten muß, soudern ebenso sehr
eine Consolidirung des östreichischen Einflusses über ganz Deutschland, welche
durch veränderte Maßregeln des preußischen Cabinets in späterer Zukunft nie
wieder verringert werden könnte.

Auch die gegenwärtige preußische Regierung erkennt sehr wohl, daß in dem
Zollverein für Preußen die Bürgschaft eiuer künftigen friedlichen Herrschaft über
Deutschland lag, und wie sehr man auch sonst ihre Politik schelten mag, man


ten Küsten des Mittelmeeres steht ihr noch kein Hafen offen. Ohne Hafen aber
keine Flotte im Mittelmeer, ohne Flotte keine Herrschaft in den türkischen und
griechischen Gewässern. Wenn deshalb der Czaar so eilig war, sich den jungen
Kaiser von Oestreich zu verbinden und Oestreich fest an sein Interesse zu Schuß
ßer, so wußten die russischen Staatsmänner auch, weshalb sie im eigenen In¬
teresse das thun mußten. Ist denn das Opfer so groß, welches Oestreich bringt,
wenn es seinem bewährten Srennde 'contractmäßig die Benutzung eines Hafens
überläßt, dessen Werth und europäische Bedeutung die östreichischen Staatsmänner
nicht erkannt haben? Ist doch das ganze Departement Cattaro von dem übrigen
Dalmatien ohnedies durch türkisches Gebiet getrennt, ein unsicherer Besitz,
dessen Einnahmen im Staatsbudget keine große Ziffer bilden. Für uns freilich
wird die Besitznahme dieses Hafens durch Rußland das Zeichen, daß die stillen
Pläne ans die slavische Türkei reif geworden sind, daß Rußland entschlossen ist,
den Hinteren Theil des Mittelmeeres gegen England zu behaupten, und daß die
Stunde gekommen ist, wo der Entscheidnngskampf zwischen den beiden europäi¬
schen Großmächten ausgefochten wird, und wo auch wir Deutsche Partei nehmen
müssen, weil in demselben Kampfe entschieden wird, ob wir freie Verbündete
Englands oder Unterthanen Rußlands werden.




Preußen und der Zollverein.

Das unvorsichtige Drängen Oestreichs nach einer Zolleinigung mit Deutsch¬
land hat das preußische Ministerium und seine Partei besorgt und argwöhnisch
gemacht. Die bitterste Frucht des Bündnisses mit Oestreich ist so schnell und
energisch angeboten worden, daß sogar die preußische Kreuzzeitung sich veranlaßt
sah, zu erklären, daß der preußische Münster ein Verräther sein werde, welcher
in eine Zolleinigung mit Oestreich willige. Es ist nicht zu zweifeln, daß das
preußische Cabinet in seiner Art ernsthafte Anstrengungen machen wird, sich den
Gefahren dieser Zolleinignngspläne zu entziehen; denn es ist nicht die Entwerthung
des ländlichen Grundbesitzes, die plötzliche Umwälzung des gesammten Handels
und der Ruin seiner Fabriken, welchen es fürchten muß, soudern ebenso sehr
eine Consolidirung des östreichischen Einflusses über ganz Deutschland, welche
durch veränderte Maßregeln des preußischen Cabinets in späterer Zukunft nie
wieder verringert werden könnte.

Auch die gegenwärtige preußische Regierung erkennt sehr wohl, daß in dem
Zollverein für Preußen die Bürgschaft eiuer künftigen friedlichen Herrschaft über
Deutschland lag, und wie sehr man auch sonst ihre Politik schelten mag, man


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[0153] ten Küsten des Mittelmeeres steht ihr noch kein Hafen offen. Ohne Hafen aber keine Flotte im Mittelmeer, ohne Flotte keine Herrschaft in den türkischen und griechischen Gewässern. Wenn deshalb der Czaar so eilig war, sich den jungen Kaiser von Oestreich zu verbinden und Oestreich fest an sein Interesse zu Schuß ßer, so wußten die russischen Staatsmänner auch, weshalb sie im eigenen In¬ teresse das thun mußten. Ist denn das Opfer so groß, welches Oestreich bringt, wenn es seinem bewährten Srennde 'contractmäßig die Benutzung eines Hafens überläßt, dessen Werth und europäische Bedeutung die östreichischen Staatsmänner nicht erkannt haben? Ist doch das ganze Departement Cattaro von dem übrigen Dalmatien ohnedies durch türkisches Gebiet getrennt, ein unsicherer Besitz, dessen Einnahmen im Staatsbudget keine große Ziffer bilden. Für uns freilich wird die Besitznahme dieses Hafens durch Rußland das Zeichen, daß die stillen Pläne ans die slavische Türkei reif geworden sind, daß Rußland entschlossen ist, den Hinteren Theil des Mittelmeeres gegen England zu behaupten, und daß die Stunde gekommen ist, wo der Entscheidnngskampf zwischen den beiden europäi¬ schen Großmächten ausgefochten wird, und wo auch wir Deutsche Partei nehmen müssen, weil in demselben Kampfe entschieden wird, ob wir freie Verbündete Englands oder Unterthanen Rußlands werden. Preußen und der Zollverein. Das unvorsichtige Drängen Oestreichs nach einer Zolleinigung mit Deutsch¬ land hat das preußische Ministerium und seine Partei besorgt und argwöhnisch gemacht. Die bitterste Frucht des Bündnisses mit Oestreich ist so schnell und energisch angeboten worden, daß sogar die preußische Kreuzzeitung sich veranlaßt sah, zu erklären, daß der preußische Münster ein Verräther sein werde, welcher in eine Zolleinigung mit Oestreich willige. Es ist nicht zu zweifeln, daß das preußische Cabinet in seiner Art ernsthafte Anstrengungen machen wird, sich den Gefahren dieser Zolleinignngspläne zu entziehen; denn es ist nicht die Entwerthung des ländlichen Grundbesitzes, die plötzliche Umwälzung des gesammten Handels und der Ruin seiner Fabriken, welchen es fürchten muß, soudern ebenso sehr eine Consolidirung des östreichischen Einflusses über ganz Deutschland, welche durch veränderte Maßregeln des preußischen Cabinets in späterer Zukunft nie wieder verringert werden könnte. Auch die gegenwärtige preußische Regierung erkennt sehr wohl, daß in dem Zollverein für Preußen die Bürgschaft eiuer künftigen friedlichen Herrschaft über Deutschland lag, und wie sehr man auch sonst ihre Politik schelten mag, man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/153>, abgerufen am 04.05.2024.