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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Der Katholicismus und die conservative Partei.

Durch die leidenschaftliche Reaction, welche die Märzbewegung hervorgerufen
hat, ist es möglich geworden, daß zwei Grundsätze von sehr zweifelhaftem Werth
sich in deu Katechismus der conservativen Partei eingebürgert haben.

Der erste: daß die Interessen der "Ordnung und des Rechts" in allen
Ländern solidarisch mit einander verbunden seien; daß also das Partei-Interesse
über das nationale zu stellen sei.

Der zweite: daß die wichtigste Stütze der conservativen Gesinnung in einer
streug disciplinirten und einflußreichen Kirche gesucht werden müsse.

Wenn man diese beiden Sätze mit einander combinirt, so ergibt sich sehr
bald das Resultat, es liege im Interesse der conservativen Partei, wenn eine
einheitliche, streug discipliuirte Kirche die ganze civilisirte Welt beherrsche.

Es kauu diese einheitliche Kirche nirgends anders gesucht werdeu, als in Rom.

Daß diese Hinneigung zum Ultramontanismus bei der conservativen Partei
etwas mehr ist, als eine bloße Schlußfolge aus ein Paar zufälligen, in deu
Zusammenhang der Geschichte nicht wesentlich eingreifenden Prämissen, davon kaun
sich Jeder überzeugen, der ein beliebiges Parteiblatt zur Hand nimmt, in welchem
uicht irgeud ein endlicher, bestimmter Parteizweck, souderu die große, allgemeine
Idee des Conservatismus vertreten wird. In allen kritischen Fällen wird man
Aehnliches erleben, wie die Coalitwn der preußischen Reaktionärs mit den Ultra-
montanen in Erfurt, oder wie das freudestrahlende Gesicht, mit welchem das
Organ der preußischen Regierung, die Deutsche Reform, die Lobrede des Mar¬
quis de Valdegamas auf die katholische Kirche mittheilte. Das geschah freilich
in einer Zeit, wo die principielle Leitung der preußischen Politik in den Händen
eines Katholiken war, der mit großer Feierlichkeit und Ostentation erklärt hatte,
ihm gingen die Interessen der Kirche über die Interessen des Staats. Aber die
Partei, welche gegenwärtig an seine Stelle getreten ist, wird trotz ihrer märkisch-
evangelischen Orthodoxie nicht weniger geneigt sein, sich auf deu Fels Petri zu
stütze", denn sie läßt sich von eingefleischter Doctrinärs in die Schule nehmen,
und was wichtiger ist, sie gibt sich zu einem Werkzeug der östreichischen Politik
her, während Preußen nnter Herrn von Nadowitz eine wesentlich antiöstreichische
Richtung verfolgte. Sobald sich Deutschland -- Dank den Bemühungen des
Herrn von Manteuffel! -- einer östreichischen Hegemonie erfreuen wird, hört die
Idee des Ultramontanismus auf, ein bloßes Spiel für müßige Köpfe zu sein.

In diesem Augenblick ist es von uicht geringer Wichtigkeit, daß sich in den
beiden wichtigstem Culturstaaten, in Frankreich und in England, innerhalb der
conservativen Partei eine sehr mächtige Reaction gegen die Uebergriffe der Kirche
erhebt, die nicht verfehlen kann, durch den Drang der Ereignisse von Tage zu
Tage an Einfluß zu gewinnen.


Der Katholicismus und die conservative Partei.

Durch die leidenschaftliche Reaction, welche die Märzbewegung hervorgerufen
hat, ist es möglich geworden, daß zwei Grundsätze von sehr zweifelhaftem Werth
sich in deu Katechismus der conservativen Partei eingebürgert haben.

Der erste: daß die Interessen der „Ordnung und des Rechts" in allen
Ländern solidarisch mit einander verbunden seien; daß also das Partei-Interesse
über das nationale zu stellen sei.

Der zweite: daß die wichtigste Stütze der conservativen Gesinnung in einer
streug disciplinirten und einflußreichen Kirche gesucht werden müsse.

Wenn man diese beiden Sätze mit einander combinirt, so ergibt sich sehr
bald das Resultat, es liege im Interesse der conservativen Partei, wenn eine
einheitliche, streug discipliuirte Kirche die ganze civilisirte Welt beherrsche.

Es kauu diese einheitliche Kirche nirgends anders gesucht werdeu, als in Rom.

Daß diese Hinneigung zum Ultramontanismus bei der conservativen Partei
etwas mehr ist, als eine bloße Schlußfolge aus ein Paar zufälligen, in deu
Zusammenhang der Geschichte nicht wesentlich eingreifenden Prämissen, davon kaun
sich Jeder überzeugen, der ein beliebiges Parteiblatt zur Hand nimmt, in welchem
uicht irgeud ein endlicher, bestimmter Parteizweck, souderu die große, allgemeine
Idee des Conservatismus vertreten wird. In allen kritischen Fällen wird man
Aehnliches erleben, wie die Coalitwn der preußischen Reaktionärs mit den Ultra-
montanen in Erfurt, oder wie das freudestrahlende Gesicht, mit welchem das
Organ der preußischen Regierung, die Deutsche Reform, die Lobrede des Mar¬
quis de Valdegamas auf die katholische Kirche mittheilte. Das geschah freilich
in einer Zeit, wo die principielle Leitung der preußischen Politik in den Händen
eines Katholiken war, der mit großer Feierlichkeit und Ostentation erklärt hatte,
ihm gingen die Interessen der Kirche über die Interessen des Staats. Aber die
Partei, welche gegenwärtig an seine Stelle getreten ist, wird trotz ihrer märkisch-
evangelischen Orthodoxie nicht weniger geneigt sein, sich auf deu Fels Petri zu
stütze», denn sie läßt sich von eingefleischter Doctrinärs in die Schule nehmen,
und was wichtiger ist, sie gibt sich zu einem Werkzeug der östreichischen Politik
her, während Preußen nnter Herrn von Nadowitz eine wesentlich antiöstreichische
Richtung verfolgte. Sobald sich Deutschland — Dank den Bemühungen des
Herrn von Manteuffel! — einer östreichischen Hegemonie erfreuen wird, hört die
Idee des Ultramontanismus auf, ein bloßes Spiel für müßige Köpfe zu sein.

In diesem Augenblick ist es von uicht geringer Wichtigkeit, daß sich in den
beiden wichtigstem Culturstaaten, in Frankreich und in England, innerhalb der
conservativen Partei eine sehr mächtige Reaction gegen die Uebergriffe der Kirche
erhebt, die nicht verfehlen kann, durch den Drang der Ereignisse von Tage zu
Tage an Einfluß zu gewinnen.


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[0076] Der Katholicismus und die conservative Partei. Durch die leidenschaftliche Reaction, welche die Märzbewegung hervorgerufen hat, ist es möglich geworden, daß zwei Grundsätze von sehr zweifelhaftem Werth sich in deu Katechismus der conservativen Partei eingebürgert haben. Der erste: daß die Interessen der „Ordnung und des Rechts" in allen Ländern solidarisch mit einander verbunden seien; daß also das Partei-Interesse über das nationale zu stellen sei. Der zweite: daß die wichtigste Stütze der conservativen Gesinnung in einer streug disciplinirten und einflußreichen Kirche gesucht werden müsse. Wenn man diese beiden Sätze mit einander combinirt, so ergibt sich sehr bald das Resultat, es liege im Interesse der conservativen Partei, wenn eine einheitliche, streug discipliuirte Kirche die ganze civilisirte Welt beherrsche. Es kauu diese einheitliche Kirche nirgends anders gesucht werdeu, als in Rom. Daß diese Hinneigung zum Ultramontanismus bei der conservativen Partei etwas mehr ist, als eine bloße Schlußfolge aus ein Paar zufälligen, in deu Zusammenhang der Geschichte nicht wesentlich eingreifenden Prämissen, davon kaun sich Jeder überzeugen, der ein beliebiges Parteiblatt zur Hand nimmt, in welchem uicht irgeud ein endlicher, bestimmter Parteizweck, souderu die große, allgemeine Idee des Conservatismus vertreten wird. In allen kritischen Fällen wird man Aehnliches erleben, wie die Coalitwn der preußischen Reaktionärs mit den Ultra- montanen in Erfurt, oder wie das freudestrahlende Gesicht, mit welchem das Organ der preußischen Regierung, die Deutsche Reform, die Lobrede des Mar¬ quis de Valdegamas auf die katholische Kirche mittheilte. Das geschah freilich in einer Zeit, wo die principielle Leitung der preußischen Politik in den Händen eines Katholiken war, der mit großer Feierlichkeit und Ostentation erklärt hatte, ihm gingen die Interessen der Kirche über die Interessen des Staats. Aber die Partei, welche gegenwärtig an seine Stelle getreten ist, wird trotz ihrer märkisch- evangelischen Orthodoxie nicht weniger geneigt sein, sich auf deu Fels Petri zu stütze», denn sie läßt sich von eingefleischter Doctrinärs in die Schule nehmen, und was wichtiger ist, sie gibt sich zu einem Werkzeug der östreichischen Politik her, während Preußen nnter Herrn von Nadowitz eine wesentlich antiöstreichische Richtung verfolgte. Sobald sich Deutschland — Dank den Bemühungen des Herrn von Manteuffel! — einer östreichischen Hegemonie erfreuen wird, hört die Idee des Ultramontanismus auf, ein bloßes Spiel für müßige Köpfe zu sein. In diesem Augenblick ist es von uicht geringer Wichtigkeit, daß sich in den beiden wichtigstem Culturstaaten, in Frankreich und in England, innerhalb der conservativen Partei eine sehr mächtige Reaction gegen die Uebergriffe der Kirche erhebt, die nicht verfehlen kann, durch den Drang der Ereignisse von Tage zu Tage an Einfluß zu gewinnen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/76>, abgerufen am 04.05.2024.