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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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rung nur die Verläumdung eines rohen Menschen, denn die Dame erscheint im
ganzen Romane als eine etwas verbildete, aber höchst humane Person, welche
gegen den Helden besser und edler handelt, als er um sie verdient. Am wunder¬
lichsten präsentirt sich die Bachmüllerin, welche nus durch drei Bände als eine ver¬
ständige, einfache Bauerfrau begleitet hat, und von der wir am Schlüsse plötzlich
erfahren, sie sei die Mutter des Helden, früher adeliges Hoffräulein, Gesellschaf¬
terin einer Prinzessin und Geliebte eines Prinzen.

Es wird der Kritik gestattet sein, zum Schluß einen Freundeswnnsch gegen
den Dichter auszusprechen. Er möge sein Talent nus zunächst an einem Stoss
bewähren, bei welchem es ihm unmöglich ist, seiner gefährlichen Vorliebe für
epigrammatisch zugespitzte Conversationen nachzugeben, wo er gezwungen ist, Be¬
gebenheiten in künstlerischem Zusammenhange einfach zu erzählen, und seine Men¬
schen zu schildern, nicht wie sie die Welt ansehen, sondern wie sie in der Welt
handeln. Einfachheit in der Sprache, einfache Wahrheit in der Darstellung einer
zusammenhängenden, verständig angelegten und nach festem Plane ausgeführten
Begebenheit ist, was ihn heilen kann. Es begegnet auch einem kräftigen Mann,
daß er auf falsche Wege kommt und ihm deshalb Einzelnes vollständig mißlingt;
seine Kraft beweist er dadurch, daß er die rauhe Stimme der Kritik nicht von
sich abhält, soudern die ungenügenden Andeutungen, welche ihm ein Anderer ge¬
ben kann, dazu benutzt, die eigene Kritik gegen sich selbst wach zu rufen und durch
Selbsterkenntniß sich den Fortschritt möglich zu machen.




Cin deutscher Gelehrter als Farmer
in Texas.

Morgens und Abends rief mich meine Schwester regelmäßig mit der Bitte,
ihr beim Melken Beistand zu leisten. Die Rindviehwirthschaft in Texas ist voll¬
ständig von der deutsche" verschieden; in Texas existirt durchaus keine Stall-
fütterung, vielmehr nährt sich das Vieh allein von Prairiegras. Sobald eine
Kuh gekalbt hat, bringt sie das Kalb entweder^ freiwillig nach der Farm, in deren
Nähe sie gewöhnlich weidet, gleichgiltig, ob diese ihrem Herrn oder irgend einem
Andern gehört, oder man treibt sie, wenn sie nicht freiwillig kommt, mit Gewalt
hinein. Die Per ist eine nach der Anzahl des Viehes, welches Abends um Einlaß
bittet, verschieden große Abzäunung, die durch eine Zwischeufence in zwei
Abtheilungen geschieden ist, welche dnrch eine Thür in Verbindung gesetzt werden
können; die eine ist für die Kälber bestimmt, die andere für das übrige Viel).


rung nur die Verläumdung eines rohen Menschen, denn die Dame erscheint im
ganzen Romane als eine etwas verbildete, aber höchst humane Person, welche
gegen den Helden besser und edler handelt, als er um sie verdient. Am wunder¬
lichsten präsentirt sich die Bachmüllerin, welche nus durch drei Bände als eine ver¬
ständige, einfache Bauerfrau begleitet hat, und von der wir am Schlüsse plötzlich
erfahren, sie sei die Mutter des Helden, früher adeliges Hoffräulein, Gesellschaf¬
terin einer Prinzessin und Geliebte eines Prinzen.

Es wird der Kritik gestattet sein, zum Schluß einen Freundeswnnsch gegen
den Dichter auszusprechen. Er möge sein Talent nus zunächst an einem Stoss
bewähren, bei welchem es ihm unmöglich ist, seiner gefährlichen Vorliebe für
epigrammatisch zugespitzte Conversationen nachzugeben, wo er gezwungen ist, Be¬
gebenheiten in künstlerischem Zusammenhange einfach zu erzählen, und seine Men¬
schen zu schildern, nicht wie sie die Welt ansehen, sondern wie sie in der Welt
handeln. Einfachheit in der Sprache, einfache Wahrheit in der Darstellung einer
zusammenhängenden, verständig angelegten und nach festem Plane ausgeführten
Begebenheit ist, was ihn heilen kann. Es begegnet auch einem kräftigen Mann,
daß er auf falsche Wege kommt und ihm deshalb Einzelnes vollständig mißlingt;
seine Kraft beweist er dadurch, daß er die rauhe Stimme der Kritik nicht von
sich abhält, soudern die ungenügenden Andeutungen, welche ihm ein Anderer ge¬
ben kann, dazu benutzt, die eigene Kritik gegen sich selbst wach zu rufen und durch
Selbsterkenntniß sich den Fortschritt möglich zu machen.




Cin deutscher Gelehrter als Farmer
in Texas.

Morgens und Abends rief mich meine Schwester regelmäßig mit der Bitte,
ihr beim Melken Beistand zu leisten. Die Rindviehwirthschaft in Texas ist voll¬
ständig von der deutsche» verschieden; in Texas existirt durchaus keine Stall-
fütterung, vielmehr nährt sich das Vieh allein von Prairiegras. Sobald eine
Kuh gekalbt hat, bringt sie das Kalb entweder^ freiwillig nach der Farm, in deren
Nähe sie gewöhnlich weidet, gleichgiltig, ob diese ihrem Herrn oder irgend einem
Andern gehört, oder man treibt sie, wenn sie nicht freiwillig kommt, mit Gewalt
hinein. Die Per ist eine nach der Anzahl des Viehes, welches Abends um Einlaß
bittet, verschieden große Abzäunung, die durch eine Zwischeufence in zwei
Abtheilungen geschieden ist, welche dnrch eine Thür in Verbindung gesetzt werden
können; die eine ist für die Kälber bestimmt, die andere für das übrige Viel).


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/112>, abgerufen am 28.04.2024.