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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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mit derselben Kälte, die man ihm angedeihen läßt. Die Höfe des Continents
werden sich dadurch kaum beirren lassen, denn wenn ihre Diplomaten ihren Ge¬
halt nicht ganz umsonst beziehen, müssen sie die An- und Absichten des Präsidenten
und seiner Umgebung kennen. Eine dauernde Annäherung zwischen ihnen und
dem Präsidenten ist nur daun wahrscheinlich, wenn die Fahne der Coustitntiona-
lität und der liberalen Politik von deu englischen Kammern in Ehren gehalten wird.
Nur wenn ein liberales Ministerium an die Spitze eines neuen Cabinets gelangt, kann
es Louis Buonaparte gelingen, seine ursprüngliche Absicht zu erreiche", die nor¬
dischen Hofe zu einer Allianz mit Frankreich zu bewegen. Aber auch diese kaun
nicht von Dauer sein, denn unsre Prätorianer haben keinen Augenblick ihre Pläne
einer neuen Odyssee" dnrch ganz Enropa aufgegeben. Louis Buonaparte ist
nicht der Maun, der auf halbem Wege stehen bleibt, und seine octroyirte Konsti¬
tution ist ein Vorgeschmack dessen, was uns bevorsteht. Hier zu Lande fühlt man
sich auch keineswegs beruhigt, und weder die handelnde, noch die arbeitende
.Klasse wagt es, mit Zuversicht auf die Zukunft zu sehen. Zudem scheint die Des-
organisirnng auch der Negierung selbst zu drohen, und die Partei Persigny's,
des militärischen Socialisten, liegt sich mit jener des gouvernementalen Morny
in den Haaren. Louis Buouaparte hält diese widerstreitenden Elemente noch
einigermaßen zusammen; wenn aber einmal der Einfluß des Senats und der Staats¬
rath hinzutreten wird, dann dürfte er selbst dieser zersetzenden Arbeit von den ver¬
schiedensten Seiten und nach den verschiedensten Richtungen hin kaum Meister
bleiben können.




Wochenb e richt.

Das Hauptereigniß der letzten Woche, das noch
jetzt unsren politischen Kreisen in der Presse viel zu sprechen giebt, bildet der Brouckere-
Hody'sche Conflict, der mit dem gezwungenen Rücktritt des Letzteren endete, und eine
heftige Journalpolemik zwischen dem Sieger und dem Besiegten nach sich zog. Wiewol
Baron Hody in der Beamtcichierarchie nur einen Posten zweiten Ranges bekleidete, so
wurde sein Rücktritt doch als ein bedeutsames politisches Ereigniß betrachtet, weil der¬
selbe die Folge eines, durch die traurigen Zeitverhältnisse leider sehr wichtig gewordenen
Principienstreits war, der uns fast mit einer Ministerkrisis bedrohcte.

Baron Hody bekleidete seit 12 Jahren den Posten eines Chefs der zweiten Section
-- Verwaltung der Gefängnisse und der öffentlichen Sicherheit -- im Justizministerium,
oder, mit andern Worten, eines Laudespolizeichcfs. Der klerikalen Partei angehörig und
von dieser zu dem bedeutsamen Posten erhoben, hatte er durch seinen Eifer und seine
energische Thätigkeit sich die Achtung auch der gegnerischen Partei zu erringen, und sich
dadurch bei allen seitdem erfolgten Cabinetsumwandlung.er auf seinem Posten zu be¬
haupten gewußt, wiewol die übertriebene Strenge und der klerikale Verfolgungseifer,


mit derselben Kälte, die man ihm angedeihen läßt. Die Höfe des Continents
werden sich dadurch kaum beirren lassen, denn wenn ihre Diplomaten ihren Ge¬
halt nicht ganz umsonst beziehen, müssen sie die An- und Absichten des Präsidenten
und seiner Umgebung kennen. Eine dauernde Annäherung zwischen ihnen und
dem Präsidenten ist nur daun wahrscheinlich, wenn die Fahne der Coustitntiona-
lität und der liberalen Politik von deu englischen Kammern in Ehren gehalten wird.
Nur wenn ein liberales Ministerium an die Spitze eines neuen Cabinets gelangt, kann
es Louis Buonaparte gelingen, seine ursprüngliche Absicht zu erreiche«, die nor¬
dischen Hofe zu einer Allianz mit Frankreich zu bewegen. Aber auch diese kaun
nicht von Dauer sein, denn unsre Prätorianer haben keinen Augenblick ihre Pläne
einer neuen Odyssee" dnrch ganz Enropa aufgegeben. Louis Buonaparte ist
nicht der Maun, der auf halbem Wege stehen bleibt, und seine octroyirte Konsti¬
tution ist ein Vorgeschmack dessen, was uns bevorsteht. Hier zu Lande fühlt man
sich auch keineswegs beruhigt, und weder die handelnde, noch die arbeitende
.Klasse wagt es, mit Zuversicht auf die Zukunft zu sehen. Zudem scheint die Des-
organisirnng auch der Negierung selbst zu drohen, und die Partei Persigny's,
des militärischen Socialisten, liegt sich mit jener des gouvernementalen Morny
in den Haaren. Louis Buouaparte hält diese widerstreitenden Elemente noch
einigermaßen zusammen; wenn aber einmal der Einfluß des Senats und der Staats¬
rath hinzutreten wird, dann dürfte er selbst dieser zersetzenden Arbeit von den ver¬
schiedensten Seiten und nach den verschiedensten Richtungen hin kaum Meister
bleiben können.




Wochenb e richt.

Das Hauptereigniß der letzten Woche, das noch
jetzt unsren politischen Kreisen in der Presse viel zu sprechen giebt, bildet der Brouckere-
Hody'sche Conflict, der mit dem gezwungenen Rücktritt des Letzteren endete, und eine
heftige Journalpolemik zwischen dem Sieger und dem Besiegten nach sich zog. Wiewol
Baron Hody in der Beamtcichierarchie nur einen Posten zweiten Ranges bekleidete, so
wurde sein Rücktritt doch als ein bedeutsames politisches Ereigniß betrachtet, weil der¬
selbe die Folge eines, durch die traurigen Zeitverhältnisse leider sehr wichtig gewordenen
Principienstreits war, der uns fast mit einer Ministerkrisis bedrohcte.

Baron Hody bekleidete seit 12 Jahren den Posten eines Chefs der zweiten Section
— Verwaltung der Gefängnisse und der öffentlichen Sicherheit — im Justizministerium,
oder, mit andern Worten, eines Laudespolizeichcfs. Der klerikalen Partei angehörig und
von dieser zu dem bedeutsamen Posten erhoben, hatte er durch seinen Eifer und seine
energische Thätigkeit sich die Achtung auch der gegnerischen Partei zu erringen, und sich
dadurch bei allen seitdem erfolgten Cabinetsumwandlung.er auf seinem Posten zu be¬
haupten gewußt, wiewol die übertriebene Strenge und der klerikale Verfolgungseifer,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/200>, abgerufen am 28.04.2024.