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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Das KttpferstLchcabSnet im neuen Museum

Das jetzige königliche Knpferstichcabinet nahm seinen Ursprung aus fünf Haupt-
quellen. Im Jahre 1840 wurden die Corneillant'sche, Derschau'sche, Lopell'sche
und Nagler'sche Sammlung mit dem Nachlaß des letztverstorbenen Königs vereinigt.
Der Nagler'schen Sammlung verdankt das Cabinet einen seiner werthvollsten
Schätze: unsres deutschen Kunst-Apostels, Albrecht Dürer's, Werke in seltener
Vollständigkeit und außerordentlich wohl erhalten. Unter ihnen befinden sich sogar
die von Dürer (nach dem Wortlaute seine Tagebuchs) "in Kohl gerissenen" Bild¬
nisse der Mitglieder des Reichstags zu Worms, eine Reihenfolge von fünfzig
Blättern. Diese Handzeichnungen, so wie Haus Holbein's Sammluug von
Bildnissen in Silberstift auf grundirten Papier, siebzig Blätter, und dessen Tod-
tentanz in den mit deutschen Unterschriften versehenen Probedrucken, gehören zu
den wichtigsten alten Besitzthümern des Cabinets. Im Jahre 1848 wurde die
bis dahin im Lustschlosse Monbijou aufbewahrte vereinigte Sammlung, nachdem
das Directorat derselben dem verdienstvollen Schorn übergeben war, in die
Räume des neuen Museums übersiedelt, welche, im nördlichen Flügel des
Obergeschosses belegen, von der Karyatiden-Galerie der Treppenhalle aus be¬
treten werden.

Wir durchschreiten ein kleines Vorgemach. ^ Dann empfängt uns ein langer
Saal, dessen Wände jenes schlichte sanfte Noth bekleidet, das man vorzugsweise
unter der Bezeichnung des pompejanischen kennt. Säulen von Zinkguß mit
matt vergoldetem Ornament tragen die leicht gewölbte Decke. Eine gitterartige
Schranke theilt den Saal in zwei Hälften, deren vordere mit Tischen und Stühlen
versehen und dem Studium des Publicums besonders vorbehalten ist. Oberhalb
der Fenster und der Ausgangsthür in den nächsten Raum bemerken wir in Medail¬
lonform, grau in grau gemalt, die Bildnisse von acht der bedeutendsten Kupfer¬
stecher aller in der Kunst des stiess hervorragenden Nationen. Es sind folgende
Künstler: Heinrich Goltz oder Goltzius, geb. 1558 zu Mulbrack bei Verlöv,
geht. 4617 zu Harlem; Adrian van Ostade, geb. 1610 zu Lübeck, geht.
1683 zu Amsterdam, der zwar vorzugsweise Maler war, aber viele eigenhändig
radirte Blätter hinterließ; Wenzel Hollar, geb. 1607 zu Prag, geht. 1677
zu London, besonders geschickt in Landschaften, Thierstücken, städtischen Ansichten;
Robert Nanteuil, zugleich Pastellmaler, geb. 1630 zu Rheims, geht. 1678
zu Paris, berühmt hauptsächlich durch seine Bildnisse des vierzehnten Ludwigs
und seines Hofes, namentlich Colbert's; Gerard Edelinck, geb. 1649 zu
Antwerpen; Georg Friedrich Schmidt, geb. 1712 zu Berlin, geht. 1775
ebenda; Robert Strange, geb. auf Orknciys, geht. 1792 zu London;


Das KttpferstLchcabSnet im neuen Museum

Das jetzige königliche Knpferstichcabinet nahm seinen Ursprung aus fünf Haupt-
quellen. Im Jahre 1840 wurden die Corneillant'sche, Derschau'sche, Lopell'sche
und Nagler'sche Sammlung mit dem Nachlaß des letztverstorbenen Königs vereinigt.
Der Nagler'schen Sammlung verdankt das Cabinet einen seiner werthvollsten
Schätze: unsres deutschen Kunst-Apostels, Albrecht Dürer's, Werke in seltener
Vollständigkeit und außerordentlich wohl erhalten. Unter ihnen befinden sich sogar
die von Dürer (nach dem Wortlaute seine Tagebuchs) „in Kohl gerissenen" Bild¬
nisse der Mitglieder des Reichstags zu Worms, eine Reihenfolge von fünfzig
Blättern. Diese Handzeichnungen, so wie Haus Holbein's Sammluug von
Bildnissen in Silberstift auf grundirten Papier, siebzig Blätter, und dessen Tod-
tentanz in den mit deutschen Unterschriften versehenen Probedrucken, gehören zu
den wichtigsten alten Besitzthümern des Cabinets. Im Jahre 1848 wurde die
bis dahin im Lustschlosse Monbijou aufbewahrte vereinigte Sammlung, nachdem
das Directorat derselben dem verdienstvollen Schorn übergeben war, in die
Räume des neuen Museums übersiedelt, welche, im nördlichen Flügel des
Obergeschosses belegen, von der Karyatiden-Galerie der Treppenhalle aus be¬
treten werden.

Wir durchschreiten ein kleines Vorgemach. ^ Dann empfängt uns ein langer
Saal, dessen Wände jenes schlichte sanfte Noth bekleidet, das man vorzugsweise
unter der Bezeichnung des pompejanischen kennt. Säulen von Zinkguß mit
matt vergoldetem Ornament tragen die leicht gewölbte Decke. Eine gitterartige
Schranke theilt den Saal in zwei Hälften, deren vordere mit Tischen und Stühlen
versehen und dem Studium des Publicums besonders vorbehalten ist. Oberhalb
der Fenster und der Ausgangsthür in den nächsten Raum bemerken wir in Medail¬
lonform, grau in grau gemalt, die Bildnisse von acht der bedeutendsten Kupfer¬
stecher aller in der Kunst des stiess hervorragenden Nationen. Es sind folgende
Künstler: Heinrich Goltz oder Goltzius, geb. 1558 zu Mulbrack bei Verlöv,
geht. 4617 zu Harlem; Adrian van Ostade, geb. 1610 zu Lübeck, geht.
1683 zu Amsterdam, der zwar vorzugsweise Maler war, aber viele eigenhändig
radirte Blätter hinterließ; Wenzel Hollar, geb. 1607 zu Prag, geht. 1677
zu London, besonders geschickt in Landschaften, Thierstücken, städtischen Ansichten;
Robert Nanteuil, zugleich Pastellmaler, geb. 1630 zu Rheims, geht. 1678
zu Paris, berühmt hauptsächlich durch seine Bildnisse des vierzehnten Ludwigs
und seines Hofes, namentlich Colbert's; Gerard Edelinck, geb. 1649 zu
Antwerpen; Georg Friedrich Schmidt, geb. 1712 zu Berlin, geht. 1775
ebenda; Robert Strange, geb. auf Orknciys, geht. 1792 zu London;


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[0295] Das KttpferstLchcabSnet im neuen Museum Das jetzige königliche Knpferstichcabinet nahm seinen Ursprung aus fünf Haupt- quellen. Im Jahre 1840 wurden die Corneillant'sche, Derschau'sche, Lopell'sche und Nagler'sche Sammlung mit dem Nachlaß des letztverstorbenen Königs vereinigt. Der Nagler'schen Sammlung verdankt das Cabinet einen seiner werthvollsten Schätze: unsres deutschen Kunst-Apostels, Albrecht Dürer's, Werke in seltener Vollständigkeit und außerordentlich wohl erhalten. Unter ihnen befinden sich sogar die von Dürer (nach dem Wortlaute seine Tagebuchs) „in Kohl gerissenen" Bild¬ nisse der Mitglieder des Reichstags zu Worms, eine Reihenfolge von fünfzig Blättern. Diese Handzeichnungen, so wie Haus Holbein's Sammluug von Bildnissen in Silberstift auf grundirten Papier, siebzig Blätter, und dessen Tod- tentanz in den mit deutschen Unterschriften versehenen Probedrucken, gehören zu den wichtigsten alten Besitzthümern des Cabinets. Im Jahre 1848 wurde die bis dahin im Lustschlosse Monbijou aufbewahrte vereinigte Sammlung, nachdem das Directorat derselben dem verdienstvollen Schorn übergeben war, in die Räume des neuen Museums übersiedelt, welche, im nördlichen Flügel des Obergeschosses belegen, von der Karyatiden-Galerie der Treppenhalle aus be¬ treten werden. Wir durchschreiten ein kleines Vorgemach. ^ Dann empfängt uns ein langer Saal, dessen Wände jenes schlichte sanfte Noth bekleidet, das man vorzugsweise unter der Bezeichnung des pompejanischen kennt. Säulen von Zinkguß mit matt vergoldetem Ornament tragen die leicht gewölbte Decke. Eine gitterartige Schranke theilt den Saal in zwei Hälften, deren vordere mit Tischen und Stühlen versehen und dem Studium des Publicums besonders vorbehalten ist. Oberhalb der Fenster und der Ausgangsthür in den nächsten Raum bemerken wir in Medail¬ lonform, grau in grau gemalt, die Bildnisse von acht der bedeutendsten Kupfer¬ stecher aller in der Kunst des stiess hervorragenden Nationen. Es sind folgende Künstler: Heinrich Goltz oder Goltzius, geb. 1558 zu Mulbrack bei Verlöv, geht. 4617 zu Harlem; Adrian van Ostade, geb. 1610 zu Lübeck, geht. 1683 zu Amsterdam, der zwar vorzugsweise Maler war, aber viele eigenhändig radirte Blätter hinterließ; Wenzel Hollar, geb. 1607 zu Prag, geht. 1677 zu London, besonders geschickt in Landschaften, Thierstücken, städtischen Ansichten; Robert Nanteuil, zugleich Pastellmaler, geb. 1630 zu Rheims, geht. 1678 zu Paris, berühmt hauptsächlich durch seine Bildnisse des vierzehnten Ludwigs und seines Hofes, namentlich Colbert's; Gerard Edelinck, geb. 1649 zu Antwerpen; Georg Friedrich Schmidt, geb. 1712 zu Berlin, geht. 1775 ebenda; Robert Strange, geb. auf Orknciys, geht. 1792 zu London;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/295>, abgerufen am 28.04.2024.