Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Naffael Morghen, geb. 1761 zu Florenz, geht. 1833 ebenda, Autor des herr¬
lichen stiess vom Abendmahl nach Leonardo da Vinci, der zuerst im Jahre 1800
erschien. Indem der Blick an diesen Bildnissen vorüber die Länge des Saales
hinunterflog, hastete er an der jenseitigen, dem Eingange gegenüberliegenden
Wand ans der kolossalen Büste Albrecht Dürer'S, welche hier in einer blan-
grundirten Nische mit Recht den Ehrenplatz empfing. Albrecht Dürer (geb.
1471 zu Nürnberg, geht. ebenda 1ö38) übertrifft an Vielseitigkeit die Künstler
aller Zeiten. Außer seinen Gemälden, Handzeichnungen, Kupferstichen und Holz¬
schnitten, schonen Beweisen seiner Phantasie und seiner Einsicht in die Natur
der'Dinge, besitzt die Gegenwart von ihm noch plastische Arbeiten, Reliefs, Sta¬
tuetten, ja selbst eine Medaille, und seine literarischen Arbeiten zeigten ihn theo¬
retisch eben so als Meister der Technik, wie er sich praktisch in seinen Kunst¬
werken bewährte.

Rings an den Wänden des Saales sind Schränke von hellvolirtem Eichen¬
holze aufgestellt, und aus demselben Material bestehen die Tafeln und Stühle in
der Mitte des Raumes, was einen überaus freundlichen Anblick darbietet. An
den oberen Thürflügeln der Schränke ist eine Einrichtung getroffen, welche sie
gleichzeitig zu Bildereiusassungen geeignet macht. Wir erblicken hier und in dem
später zu betrachtenden dritten Saale unter Glas und Nahmen Meisterwerke der
Feder- und Kreidezeichnung wie des Grabstichels, die den Inhalt der Schränke
verkünden, und zugleich beim Durchwandern einen allgemeinen geschichtlichen Ueber¬
blick gewähren. Die Anordnung nach Zeiten und Völkern ist dabei namentlich
im dritten Saale streng durchgeführt; im ersten bedingte der Raum eine Auf¬
stellung der Schränke uach Anleitung der mit der Architektur verbundenen Kimstler-
bildnisse. An Handzeichnungen sehen wir hier Werke von Rafael, Burgmaier,
Dürer, Zwoll, Holbein, Hans Baldung Grien, M. Schön, H. Roos, Vanloo,
Nuysdaal, Lesueur; an Kupferstichen Werke von Marc Anton, Martin Roda,
Dürer, G. F. Schmidt, Wille, Rubens, Goltzius, Van Dyk, Rembrandt, Nan-
teuil, Masson, Strange. Unter den Handzeichnungen sind als besonders inte¬
ressant die folgenden hervorzuheben. Ein Bachus von Hans Baldung Grien;
das Bildniß Ulrich's von Hütten von Albrecht Dürer, Kreidezeichnung, und eine
Federzeichnung desselben Meisters, eine Procession darstellend, nach Art eines
kirchlichen Mysteriums; von Hans Holbein der Entwurf zu einem Glasgemälde,
Aquarell; von Aldegrever zwei Federzeichnungen; von Rembrandt eine Studie
nach dem Abendmahl von Leonardo. Vor Allem aber und über Alles hinaus
ragen zwei Pastellzeichnungen von Rassael Sanzio, ein Christuskopf in neuem
Nahmen von getriebenem Kupfer, der trefflichen Arbeit des hier lebenden Karl
Netto, eines modernen Cellini, und ein Kopf der Madonna in altem Holzschnitz-
rahmen. Ans dem Antlitz der Letztern spricht eine unbeschreibliche Lieblichkeit,
Reinheit und Anmuth der Seele, und je mehr man sie anblickt, um so inniger


Naffael Morghen, geb. 1761 zu Florenz, geht. 1833 ebenda, Autor des herr¬
lichen stiess vom Abendmahl nach Leonardo da Vinci, der zuerst im Jahre 1800
erschien. Indem der Blick an diesen Bildnissen vorüber die Länge des Saales
hinunterflog, hastete er an der jenseitigen, dem Eingange gegenüberliegenden
Wand ans der kolossalen Büste Albrecht Dürer'S, welche hier in einer blan-
grundirten Nische mit Recht den Ehrenplatz empfing. Albrecht Dürer (geb.
1471 zu Nürnberg, geht. ebenda 1ö38) übertrifft an Vielseitigkeit die Künstler
aller Zeiten. Außer seinen Gemälden, Handzeichnungen, Kupferstichen und Holz¬
schnitten, schonen Beweisen seiner Phantasie und seiner Einsicht in die Natur
der'Dinge, besitzt die Gegenwart von ihm noch plastische Arbeiten, Reliefs, Sta¬
tuetten, ja selbst eine Medaille, und seine literarischen Arbeiten zeigten ihn theo¬
retisch eben so als Meister der Technik, wie er sich praktisch in seinen Kunst¬
werken bewährte.

Rings an den Wänden des Saales sind Schränke von hellvolirtem Eichen¬
holze aufgestellt, und aus demselben Material bestehen die Tafeln und Stühle in
der Mitte des Raumes, was einen überaus freundlichen Anblick darbietet. An
den oberen Thürflügeln der Schränke ist eine Einrichtung getroffen, welche sie
gleichzeitig zu Bildereiusassungen geeignet macht. Wir erblicken hier und in dem
später zu betrachtenden dritten Saale unter Glas und Nahmen Meisterwerke der
Feder- und Kreidezeichnung wie des Grabstichels, die den Inhalt der Schränke
verkünden, und zugleich beim Durchwandern einen allgemeinen geschichtlichen Ueber¬
blick gewähren. Die Anordnung nach Zeiten und Völkern ist dabei namentlich
im dritten Saale streng durchgeführt; im ersten bedingte der Raum eine Auf¬
stellung der Schränke uach Anleitung der mit der Architektur verbundenen Kimstler-
bildnisse. An Handzeichnungen sehen wir hier Werke von Rafael, Burgmaier,
Dürer, Zwoll, Holbein, Hans Baldung Grien, M. Schön, H. Roos, Vanloo,
Nuysdaal, Lesueur; an Kupferstichen Werke von Marc Anton, Martin Roda,
Dürer, G. F. Schmidt, Wille, Rubens, Goltzius, Van Dyk, Rembrandt, Nan-
teuil, Masson, Strange. Unter den Handzeichnungen sind als besonders inte¬
ressant die folgenden hervorzuheben. Ein Bachus von Hans Baldung Grien;
das Bildniß Ulrich's von Hütten von Albrecht Dürer, Kreidezeichnung, und eine
Federzeichnung desselben Meisters, eine Procession darstellend, nach Art eines
kirchlichen Mysteriums; von Hans Holbein der Entwurf zu einem Glasgemälde,
Aquarell; von Aldegrever zwei Federzeichnungen; von Rembrandt eine Studie
nach dem Abendmahl von Leonardo. Vor Allem aber und über Alles hinaus
ragen zwei Pastellzeichnungen von Rassael Sanzio, ein Christuskopf in neuem
Nahmen von getriebenem Kupfer, der trefflichen Arbeit des hier lebenden Karl
Netto, eines modernen Cellini, und ein Kopf der Madonna in altem Holzschnitz-
rahmen. Ans dem Antlitz der Letztern spricht eine unbeschreibliche Lieblichkeit,
Reinheit und Anmuth der Seele, und je mehr man sie anblickt, um so inniger


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0296" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93661"/>
          <p xml:id="ID_790" prev="#ID_789"> Naffael Morghen, geb. 1761 zu Florenz, geht. 1833 ebenda, Autor des herr¬<lb/>
lichen stiess vom Abendmahl nach Leonardo da Vinci, der zuerst im Jahre 1800<lb/>
erschien. Indem der Blick an diesen Bildnissen vorüber die Länge des Saales<lb/>
hinunterflog, hastete er an der jenseitigen, dem Eingange gegenüberliegenden<lb/>
Wand ans der kolossalen Büste Albrecht Dürer'S, welche hier in einer blan-<lb/>
grundirten Nische mit Recht den Ehrenplatz empfing. Albrecht Dürer (geb.<lb/>
1471 zu Nürnberg, geht. ebenda 1ö38) übertrifft an Vielseitigkeit die Künstler<lb/>
aller Zeiten. Außer seinen Gemälden, Handzeichnungen, Kupferstichen und Holz¬<lb/>
schnitten, schonen Beweisen seiner Phantasie und seiner Einsicht in die Natur<lb/>
der'Dinge, besitzt die Gegenwart von ihm noch plastische Arbeiten, Reliefs, Sta¬<lb/>
tuetten, ja selbst eine Medaille, und seine literarischen Arbeiten zeigten ihn theo¬<lb/>
retisch eben so als Meister der Technik, wie er sich praktisch in seinen Kunst¬<lb/>
werken bewährte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_791" next="#ID_792"> Rings an den Wänden des Saales sind Schränke von hellvolirtem Eichen¬<lb/>
holze aufgestellt, und aus demselben Material bestehen die Tafeln und Stühle in<lb/>
der Mitte des Raumes, was einen überaus freundlichen Anblick darbietet. An<lb/>
den oberen Thürflügeln der Schränke ist eine Einrichtung getroffen, welche sie<lb/>
gleichzeitig zu Bildereiusassungen geeignet macht. Wir erblicken hier und in dem<lb/>
später zu betrachtenden dritten Saale unter Glas und Nahmen Meisterwerke der<lb/>
Feder- und Kreidezeichnung wie des Grabstichels, die den Inhalt der Schränke<lb/>
verkünden, und zugleich beim Durchwandern einen allgemeinen geschichtlichen Ueber¬<lb/>
blick gewähren. Die Anordnung nach Zeiten und Völkern ist dabei namentlich<lb/>
im dritten Saale streng durchgeführt; im ersten bedingte der Raum eine Auf¬<lb/>
stellung der Schränke uach Anleitung der mit der Architektur verbundenen Kimstler-<lb/>
bildnisse. An Handzeichnungen sehen wir hier Werke von Rafael, Burgmaier,<lb/>
Dürer, Zwoll, Holbein, Hans Baldung Grien, M. Schön, H. Roos, Vanloo,<lb/>
Nuysdaal, Lesueur; an Kupferstichen Werke von Marc Anton, Martin Roda,<lb/>
Dürer, G. F. Schmidt, Wille, Rubens, Goltzius, Van Dyk, Rembrandt, Nan-<lb/>
teuil, Masson, Strange. Unter den Handzeichnungen sind als besonders inte¬<lb/>
ressant die folgenden hervorzuheben. Ein Bachus von Hans Baldung Grien;<lb/>
das Bildniß Ulrich's von Hütten von Albrecht Dürer, Kreidezeichnung, und eine<lb/>
Federzeichnung desselben Meisters, eine Procession darstellend, nach Art eines<lb/>
kirchlichen Mysteriums; von Hans Holbein der Entwurf zu einem Glasgemälde,<lb/>
Aquarell; von Aldegrever zwei Federzeichnungen; von Rembrandt eine Studie<lb/>
nach dem Abendmahl von Leonardo. Vor Allem aber und über Alles hinaus<lb/>
ragen zwei Pastellzeichnungen von Rassael Sanzio, ein Christuskopf in neuem<lb/>
Nahmen von getriebenem Kupfer, der trefflichen Arbeit des hier lebenden Karl<lb/>
Netto, eines modernen Cellini, und ein Kopf der Madonna in altem Holzschnitz-<lb/>
rahmen. Ans dem Antlitz der Letztern spricht eine unbeschreibliche Lieblichkeit,<lb/>
Reinheit und Anmuth der Seele, und je mehr man sie anblickt, um so inniger</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0296] Naffael Morghen, geb. 1761 zu Florenz, geht. 1833 ebenda, Autor des herr¬ lichen stiess vom Abendmahl nach Leonardo da Vinci, der zuerst im Jahre 1800 erschien. Indem der Blick an diesen Bildnissen vorüber die Länge des Saales hinunterflog, hastete er an der jenseitigen, dem Eingange gegenüberliegenden Wand ans der kolossalen Büste Albrecht Dürer'S, welche hier in einer blan- grundirten Nische mit Recht den Ehrenplatz empfing. Albrecht Dürer (geb. 1471 zu Nürnberg, geht. ebenda 1ö38) übertrifft an Vielseitigkeit die Künstler aller Zeiten. Außer seinen Gemälden, Handzeichnungen, Kupferstichen und Holz¬ schnitten, schonen Beweisen seiner Phantasie und seiner Einsicht in die Natur der'Dinge, besitzt die Gegenwart von ihm noch plastische Arbeiten, Reliefs, Sta¬ tuetten, ja selbst eine Medaille, und seine literarischen Arbeiten zeigten ihn theo¬ retisch eben so als Meister der Technik, wie er sich praktisch in seinen Kunst¬ werken bewährte. Rings an den Wänden des Saales sind Schränke von hellvolirtem Eichen¬ holze aufgestellt, und aus demselben Material bestehen die Tafeln und Stühle in der Mitte des Raumes, was einen überaus freundlichen Anblick darbietet. An den oberen Thürflügeln der Schränke ist eine Einrichtung getroffen, welche sie gleichzeitig zu Bildereiusassungen geeignet macht. Wir erblicken hier und in dem später zu betrachtenden dritten Saale unter Glas und Nahmen Meisterwerke der Feder- und Kreidezeichnung wie des Grabstichels, die den Inhalt der Schränke verkünden, und zugleich beim Durchwandern einen allgemeinen geschichtlichen Ueber¬ blick gewähren. Die Anordnung nach Zeiten und Völkern ist dabei namentlich im dritten Saale streng durchgeführt; im ersten bedingte der Raum eine Auf¬ stellung der Schränke uach Anleitung der mit der Architektur verbundenen Kimstler- bildnisse. An Handzeichnungen sehen wir hier Werke von Rafael, Burgmaier, Dürer, Zwoll, Holbein, Hans Baldung Grien, M. Schön, H. Roos, Vanloo, Nuysdaal, Lesueur; an Kupferstichen Werke von Marc Anton, Martin Roda, Dürer, G. F. Schmidt, Wille, Rubens, Goltzius, Van Dyk, Rembrandt, Nan- teuil, Masson, Strange. Unter den Handzeichnungen sind als besonders inte¬ ressant die folgenden hervorzuheben. Ein Bachus von Hans Baldung Grien; das Bildniß Ulrich's von Hütten von Albrecht Dürer, Kreidezeichnung, und eine Federzeichnung desselben Meisters, eine Procession darstellend, nach Art eines kirchlichen Mysteriums; von Hans Holbein der Entwurf zu einem Glasgemälde, Aquarell; von Aldegrever zwei Federzeichnungen; von Rembrandt eine Studie nach dem Abendmahl von Leonardo. Vor Allem aber und über Alles hinaus ragen zwei Pastellzeichnungen von Rassael Sanzio, ein Christuskopf in neuem Nahmen von getriebenem Kupfer, der trefflichen Arbeit des hier lebenden Karl Netto, eines modernen Cellini, und ein Kopf der Madonna in altem Holzschnitz- rahmen. Ans dem Antlitz der Letztern spricht eine unbeschreibliche Lieblichkeit, Reinheit und Anmuth der Seele, und je mehr man sie anblickt, um so inniger

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/296
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/296>, abgerufen am 13.05.2024.