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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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u. s. w. ersck)oll es in die dunkle Nacht hinein, in vollem Chor kräftiger Männer¬
stimmen, und laut tönend gab das, Echo der Felsen die letzten Strophen zurück.

Der Commandant, der unsre Trinkgesellschaft etwas früher aufgehoben hatte,
war zuletzt noch mit einigen Officieren an das Feuer der, Unterofficiere getreten,
und hatte es nicht verschmäht, einen ihm credenzten Lederbecher mit Wein auf
das Wohl der braven 2. Compagnie zu leeren. Ein stürmisches ,,Vive 1e eom-
mimäant, vive moti-e emnmcmc1.int!" nicht blos formmäßig, sondern aus inne¬
rem Antrieb gebracht, war die Entgegnung der Unterofficiere.. "Ooinple? 8ni> non8,
mon eomMiinüant", riefen kriegsmnthig mehrere Stimmen.

Gegen 14 Uhr machte ein Befehl des Commandanten dem ganzen Fest
ein Ende. Die Officiere gingen zu ihren Compagnien, die Cvrporale zu ihren
Corporalschasten, die Vivandiören bereiteten sich wie gewöhnlich ihr Lager unter
den Rädern ihrer Karren. Leinwandvorhänge konnten an allen Seiten an den¬
selben herabgelassen werden, so daß ein kleiner, vor allzu neugierigen Blicken
gesperrter Raum entstand, der zum Boudoir der Marketenderin dienen mußte. Eine
tiefe Stille herrschte bald im ganzen Lager, nur von den nächtlichen Stimmen
der Landschaft, von dem Schnarchen einzelner Schläfer und dem leisen Ge-
plauder der Wachtmannschaft unterbrochen, die, das Gewehr im Arm, bereit
saß, beim ersten Alarmzeichen den Kampf aufzunehmen. Den Sattel unterm
Kopf, den Mantel als Decke, streckte auch ich mich am gastlichen Feuer des Com¬
v. W. mandanten hin, die Ruhe suchend und findend.




Pariser Botschaften.

Paris war diese Woche wieder in ungewöhnlicher Aufregung; die feierliche
Ausnahme Montalemberts in die Akademie hatte die große Gesellschaft einige
politische Fastenpredigten hoffen lassen, und die Neugierde der schönen und reichen
Welt war so groß, die Nachfrage nach Eintrittskarten so häufig, daß ein Einlaßschein
in den Tempel der unsterblichen Langweile bis zu dreihundert Franken verkauft wurde.
Was man in Paris nicht alles kaufen kann! Herr von Montalembert, der Pane-
gyriker der heiligen Elisabeth, hatte diesmal den Lobredner des Historikers und Mo¬
ralphilosophen Droz zu machen, und Guizot die Antwortsrede übernommen. Die
guten Pariser vergessen, daß die Jungbuonapartisten, die ihre Censur bis auf
das fromme Wort aus der Kanzel und ihren Ostracismus bis auf die Männer
der Kirche ausdehnen, vor den auf grüne Sammetkragen gestickten Lorbeerkränzen
'der vierzig Unsterblichkeiten auch nicht zurückschrecken werden, und sie drängte"'
sich mit Haß und Schadenfreude in das Amphitheater' des Instituts. Die Er¬
wartungen aber wurden alle getäuscht, die Anspielungen auf die gegenwärtigen


u. s. w. ersck)oll es in die dunkle Nacht hinein, in vollem Chor kräftiger Männer¬
stimmen, und laut tönend gab das, Echo der Felsen die letzten Strophen zurück.

Der Commandant, der unsre Trinkgesellschaft etwas früher aufgehoben hatte,
war zuletzt noch mit einigen Officieren an das Feuer der, Unterofficiere getreten,
und hatte es nicht verschmäht, einen ihm credenzten Lederbecher mit Wein auf
das Wohl der braven 2. Compagnie zu leeren. Ein stürmisches ,,Vive 1e eom-
mimäant, vive moti-e emnmcmc1.int!" nicht blos formmäßig, sondern aus inne¬
rem Antrieb gebracht, war die Entgegnung der Unterofficiere.. „Ooinple? 8ni> non8,
mon eomMiinüant", riefen kriegsmnthig mehrere Stimmen.

Gegen 14 Uhr machte ein Befehl des Commandanten dem ganzen Fest
ein Ende. Die Officiere gingen zu ihren Compagnien, die Cvrporale zu ihren
Corporalschasten, die Vivandiören bereiteten sich wie gewöhnlich ihr Lager unter
den Rädern ihrer Karren. Leinwandvorhänge konnten an allen Seiten an den¬
selben herabgelassen werden, so daß ein kleiner, vor allzu neugierigen Blicken
gesperrter Raum entstand, der zum Boudoir der Marketenderin dienen mußte. Eine
tiefe Stille herrschte bald im ganzen Lager, nur von den nächtlichen Stimmen
der Landschaft, von dem Schnarchen einzelner Schläfer und dem leisen Ge-
plauder der Wachtmannschaft unterbrochen, die, das Gewehr im Arm, bereit
saß, beim ersten Alarmzeichen den Kampf aufzunehmen. Den Sattel unterm
Kopf, den Mantel als Decke, streckte auch ich mich am gastlichen Feuer des Com¬
v. W. mandanten hin, die Ruhe suchend und findend.




Pariser Botschaften.

Paris war diese Woche wieder in ungewöhnlicher Aufregung; die feierliche
Ausnahme Montalemberts in die Akademie hatte die große Gesellschaft einige
politische Fastenpredigten hoffen lassen, und die Neugierde der schönen und reichen
Welt war so groß, die Nachfrage nach Eintrittskarten so häufig, daß ein Einlaßschein
in den Tempel der unsterblichen Langweile bis zu dreihundert Franken verkauft wurde.
Was man in Paris nicht alles kaufen kann! Herr von Montalembert, der Pane-
gyriker der heiligen Elisabeth, hatte diesmal den Lobredner des Historikers und Mo¬
ralphilosophen Droz zu machen, und Guizot die Antwortsrede übernommen. Die
guten Pariser vergessen, daß die Jungbuonapartisten, die ihre Censur bis auf
das fromme Wort aus der Kanzel und ihren Ostracismus bis auf die Männer
der Kirche ausdehnen, vor den auf grüne Sammetkragen gestickten Lorbeerkränzen
'der vierzig Unsterblichkeiten auch nicht zurückschrecken werden, und sie drängte»'
sich mit Haß und Schadenfreude in das Amphitheater' des Instituts. Die Er¬
wartungen aber wurden alle getäuscht, die Anspielungen auf die gegenwärtigen


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[0312] u. s. w. ersck)oll es in die dunkle Nacht hinein, in vollem Chor kräftiger Männer¬ stimmen, und laut tönend gab das, Echo der Felsen die letzten Strophen zurück. Der Commandant, der unsre Trinkgesellschaft etwas früher aufgehoben hatte, war zuletzt noch mit einigen Officieren an das Feuer der, Unterofficiere getreten, und hatte es nicht verschmäht, einen ihm credenzten Lederbecher mit Wein auf das Wohl der braven 2. Compagnie zu leeren. Ein stürmisches ,,Vive 1e eom- mimäant, vive moti-e emnmcmc1.int!" nicht blos formmäßig, sondern aus inne¬ rem Antrieb gebracht, war die Entgegnung der Unterofficiere.. „Ooinple? 8ni> non8, mon eomMiinüant", riefen kriegsmnthig mehrere Stimmen. Gegen 14 Uhr machte ein Befehl des Commandanten dem ganzen Fest ein Ende. Die Officiere gingen zu ihren Compagnien, die Cvrporale zu ihren Corporalschasten, die Vivandiören bereiteten sich wie gewöhnlich ihr Lager unter den Rädern ihrer Karren. Leinwandvorhänge konnten an allen Seiten an den¬ selben herabgelassen werden, so daß ein kleiner, vor allzu neugierigen Blicken gesperrter Raum entstand, der zum Boudoir der Marketenderin dienen mußte. Eine tiefe Stille herrschte bald im ganzen Lager, nur von den nächtlichen Stimmen der Landschaft, von dem Schnarchen einzelner Schläfer und dem leisen Ge- plauder der Wachtmannschaft unterbrochen, die, das Gewehr im Arm, bereit saß, beim ersten Alarmzeichen den Kampf aufzunehmen. Den Sattel unterm Kopf, den Mantel als Decke, streckte auch ich mich am gastlichen Feuer des Com¬ v. W. mandanten hin, die Ruhe suchend und findend. Pariser Botschaften. Paris war diese Woche wieder in ungewöhnlicher Aufregung; die feierliche Ausnahme Montalemberts in die Akademie hatte die große Gesellschaft einige politische Fastenpredigten hoffen lassen, und die Neugierde der schönen und reichen Welt war so groß, die Nachfrage nach Eintrittskarten so häufig, daß ein Einlaßschein in den Tempel der unsterblichen Langweile bis zu dreihundert Franken verkauft wurde. Was man in Paris nicht alles kaufen kann! Herr von Montalembert, der Pane- gyriker der heiligen Elisabeth, hatte diesmal den Lobredner des Historikers und Mo¬ ralphilosophen Droz zu machen, und Guizot die Antwortsrede übernommen. Die guten Pariser vergessen, daß die Jungbuonapartisten, die ihre Censur bis auf das fromme Wort aus der Kanzel und ihren Ostracismus bis auf die Männer der Kirche ausdehnen, vor den auf grüne Sammetkragen gestickten Lorbeerkränzen 'der vierzig Unsterblichkeiten auch nicht zurückschrecken werden, und sie drängte»' sich mit Haß und Schadenfreude in das Amphitheater' des Instituts. Die Er¬ wartungen aber wurden alle getäuscht, die Anspielungen auf die gegenwärtigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/312>, abgerufen am 28.04.2024.