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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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soll seiner ursprünglichen Bestimmung zufolge wieder ein fester Platz werden. Raphael,
Tizian, Correggio, Rembrandt,^ Rubens und die anderen glorreichen Bewohner des
reichsten aller Museen werden mit in das politische Getreibe gezogen, und wer weiß,
welch herrlichen Kunstschatz wir bei einer nächsten Bewegung einzubüßen haben werden.
Das Budget hat Louis Bonaparte auch in Belagerungszustand erklärt, und er nimmt
sich vor, über die Ressourcen des Landes durch einfache Decrete zu verfügen, wie er
über das Eigenthum der ehemaligen Herrscherfamilie Frankreichs verfügte. Die Ab¬
setzbarkeit der Richter ist auch eine buonapartistische Neuerung geworden, die bereits
ihren Anfang genommen, und der Kaiser Louis Bonaparte wird vom zehnjährigen
Präsidenten sagen können, was Alexander von seinem Vater Philipp sagte: Dieser wird
Jenem Nichts zu thun übrig lassen. Die Wirksamkeit unsres Regenten von Staats¬
streichsgnaden erstreckt sich aber nicht blos auf Unterdrückungs-, Vertheidiguugs - und
Angriffsmaßrcgeln nach allen Seiten hin, er hat seine socialistischen Velleitäten, trotz
der Morphine, welche die Communiquks des Moniteurs der aufgeregten Bourgeoisie
eingegeben, lange nicht aufgegeben, und man lispelt leise von einer Art gracchischem
Gesetze, von einem Plane ä 1s Lsboeuk, welches die Gemeindegüter des Landes zum
Gegenstande haben soll. Louis Buonaparte soll beabsichtigen, die Gcmeindcliegcnschasten
zu Gunsten der Armen der Communen vertheilen zu lassen. Georges Sand und
Laurent (ac haben also nicht vergebens auf den Socialismus Buonaparte's
geschworen, und Huber wußte sehr wohl, was er gethan, als er sich von der Politik
zurückzog. Der Präsident arbeitet für sie ... . Unter solchen Auspicien geschehen
die Vorbereitungen zum neuen Kaiserreiche, und Sie mögen nun selbst erwägen, wie
dünn das Haar ist, an dem der Friede Europa's hängt. Die Diplomatie läßt sich
auch nicht einen Augenblick täuschen, und der Kladderadatsch mit seiner Caricatur auf
den Frieden ist der treffendste Leitartikel, der sich über unsre Stellung zum Auslande
schreiben läßt. Herr Kladderadatsch macht uns, beiläufig gesagt, hier viel Vergnügen,
er paßt ganz für uns Pariser, wie wir jetzt sind. Uns erscheint er hier als eine höchst
radicale Märzerrnngenschast Deutschlands, als geistreicher, wie irgend Jemand hier zu
sein wagt; ja als höchst charaktervoll und ethisch, gegenüber unsren politischen
Sittlichkeiten.




N e u e B ü es e r.

Meine Bekehrung zur christlichen Lehre und christlichen Kirche, von
Franz v. Florencourt. --' Die Capuzinaden dieses Buchs gegen den Protestan¬
tismus haben für uns kein Interesse; sie sind nicht besser und nicht schlechter, als die
ähnlichen Geständnisse zahlreicher Konvertiten, die ihren ungewöhnlichen Schritt durch
starkes Schimpfen gegen die Gemeinschaft, von der sie sich getrennt haben, zu recht¬
fertigen suchen. Herr v. Florencourt gesteht selbst zu, daß er von der Lehre des
Protestantismus nie Etwas verstanden habe, und um dies zu erklären, giebt er uns
Enthüllungen über das Wesen des Protestantismus, die gerade so aussehen, als wenn
ein Jesuit ein gebildetes Weltkind dadurch dem Protestantismus abtrünnig machen
wollte, daß er denselben als den Ausdruck der gedankenlosesten religiösen Bornirtheit


soll seiner ursprünglichen Bestimmung zufolge wieder ein fester Platz werden. Raphael,
Tizian, Correggio, Rembrandt,^ Rubens und die anderen glorreichen Bewohner des
reichsten aller Museen werden mit in das politische Getreibe gezogen, und wer weiß,
welch herrlichen Kunstschatz wir bei einer nächsten Bewegung einzubüßen haben werden.
Das Budget hat Louis Bonaparte auch in Belagerungszustand erklärt, und er nimmt
sich vor, über die Ressourcen des Landes durch einfache Decrete zu verfügen, wie er
über das Eigenthum der ehemaligen Herrscherfamilie Frankreichs verfügte. Die Ab¬
setzbarkeit der Richter ist auch eine buonapartistische Neuerung geworden, die bereits
ihren Anfang genommen, und der Kaiser Louis Bonaparte wird vom zehnjährigen
Präsidenten sagen können, was Alexander von seinem Vater Philipp sagte: Dieser wird
Jenem Nichts zu thun übrig lassen. Die Wirksamkeit unsres Regenten von Staats¬
streichsgnaden erstreckt sich aber nicht blos auf Unterdrückungs-, Vertheidiguugs - und
Angriffsmaßrcgeln nach allen Seiten hin, er hat seine socialistischen Velleitäten, trotz
der Morphine, welche die Communiquks des Moniteurs der aufgeregten Bourgeoisie
eingegeben, lange nicht aufgegeben, und man lispelt leise von einer Art gracchischem
Gesetze, von einem Plane ä 1s Lsboeuk, welches die Gemeindegüter des Landes zum
Gegenstande haben soll. Louis Buonaparte soll beabsichtigen, die Gcmeindcliegcnschasten
zu Gunsten der Armen der Communen vertheilen zu lassen. Georges Sand und
Laurent (ac haben also nicht vergebens auf den Socialismus Buonaparte's
geschworen, und Huber wußte sehr wohl, was er gethan, als er sich von der Politik
zurückzog. Der Präsident arbeitet für sie ... . Unter solchen Auspicien geschehen
die Vorbereitungen zum neuen Kaiserreiche, und Sie mögen nun selbst erwägen, wie
dünn das Haar ist, an dem der Friede Europa's hängt. Die Diplomatie läßt sich
auch nicht einen Augenblick täuschen, und der Kladderadatsch mit seiner Caricatur auf
den Frieden ist der treffendste Leitartikel, der sich über unsre Stellung zum Auslande
schreiben läßt. Herr Kladderadatsch macht uns, beiläufig gesagt, hier viel Vergnügen,
er paßt ganz für uns Pariser, wie wir jetzt sind. Uns erscheint er hier als eine höchst
radicale Märzerrnngenschast Deutschlands, als geistreicher, wie irgend Jemand hier zu
sein wagt; ja als höchst charaktervoll und ethisch, gegenüber unsren politischen
Sittlichkeiten.




N e u e B ü es e r.

Meine Bekehrung zur christlichen Lehre und christlichen Kirche, von
Franz v. Florencourt. —' Die Capuzinaden dieses Buchs gegen den Protestan¬
tismus haben für uns kein Interesse; sie sind nicht besser und nicht schlechter, als die
ähnlichen Geständnisse zahlreicher Konvertiten, die ihren ungewöhnlichen Schritt durch
starkes Schimpfen gegen die Gemeinschaft, von der sie sich getrennt haben, zu recht¬
fertigen suchen. Herr v. Florencourt gesteht selbst zu, daß er von der Lehre des
Protestantismus nie Etwas verstanden habe, und um dies zu erklären, giebt er uns
Enthüllungen über das Wesen des Protestantismus, die gerade so aussehen, als wenn
ein Jesuit ein gebildetes Weltkind dadurch dem Protestantismus abtrünnig machen
wollte, daß er denselben als den Ausdruck der gedankenlosesten religiösen Bornirtheit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/405>, abgerufen am 28.04.2024.