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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Mischung der Stimmungen durchaus uufranzöstsch siud, so treten sie doch in Be¬
ziehung aiff die Form der altclassischcu Literatur wieder näher. Die Freude an
der Zierlichkeit und Eleganz, das geistreiche Spiel mit Empfindungen, Gedanken
und Leidenschaften ist echt französisch, und es ist, um auf das zurückzukommen,
wovon wir ausgingen, die Anerkennung dieses nationalen Esprit und dieser natio¬
nalen Grazie, .die Alfred de Müsset einen Sitz in der Akademie verschafft hat.
Wenn wir daher bei diesen Dichtern verdammen, daß sie die sittlichen Be¬
griffe noch mehr verwirren, als es schon bis dahin geschehen war, so wollen wir
anch einräumen, daß sie wenigstens die alte Anmuth der französischen Poesie
erneuern und dadurch jener Verwilderung des Geschmacks entgegenarbeiten, die
mit der Rohheit und Unnatur der Empfindungen enge° zusammenhängt.




Die Tagespresse in Hannover.

Die politische Tagespresse eiues Laudes umfaßt zwei verschiedene Gruppen
von Blättern: die großen Zeitungen nud die Provinzialblätter. Man erkennt
häufig den wesentlichen Unterschied beider nicht bestimmt genug. Wenn die
eigentlichen politischen Zeitungen unter der Verpflichtung stehen, eine bestimmte
Parteigesinnnng als Banner aufzustecken, und allen zur Sprache kommenden Ver¬
hältnisse" als Maßstab anzulegen, so würde eine solche ideelle Beschränkung die
Provinzialblätter nur verhindern, ihre eigenthümlichen Zwecke vollständig zu
erreichen. Denn währeud jene einen gewissen Grad politischen Lebens in der
Bevölkerung zur Voraussetzung haben, sind diese überhaupt darauf angewiesen,
dieses Leben an ihrem Ort zu wecken und zu steigern. Politische Parteien aber
haben eigentlich da erst einen Sinn, wo sich eine größere Anzahl von Staats¬
bürgern mit denselben Forderungen an das Ganze des staatlichen Gebäudes
wendet.

Unter den großen Zeitungen des Königreichs Hannover muß man die des
nordwestlichen Deutschlands im Allgemeinen verstehen. So wenig abgeschlossen
zeigt sich in einem wichtigen Punkt die vielgerühmte Selbstständigkeit unsres Lan¬
des, daß wir mit starker Betheiligung zu Bremer und Hamburger Blättern greifen
müssen, ohne daß die unsrigen in Hamburg und Bremen wieder gelesen wür¬
den. Die beideu Welthaudelsplätze wissen ihren Bedürfnissen aus eigenen Mitteln
zu genügen, ein Land von Hannovers Ausdehnung nud Einwohnerzahl kaun
das nicht. Aber auch dieser unverkennbare Maugel wird zu einem der Bande,
die uns von dem Gesammtvaterland nimmer abfallen lassen werden, und so mag
ich ihn nicht beklagen in einer Zeit, die sich bei noch ganz anderen Abschlags¬
zahlungen beruhigen muß.


Mischung der Stimmungen durchaus uufranzöstsch siud, so treten sie doch in Be¬
ziehung aiff die Form der altclassischcu Literatur wieder näher. Die Freude an
der Zierlichkeit und Eleganz, das geistreiche Spiel mit Empfindungen, Gedanken
und Leidenschaften ist echt französisch, und es ist, um auf das zurückzukommen,
wovon wir ausgingen, die Anerkennung dieses nationalen Esprit und dieser natio¬
nalen Grazie, .die Alfred de Müsset einen Sitz in der Akademie verschafft hat.
Wenn wir daher bei diesen Dichtern verdammen, daß sie die sittlichen Be¬
griffe noch mehr verwirren, als es schon bis dahin geschehen war, so wollen wir
anch einräumen, daß sie wenigstens die alte Anmuth der französischen Poesie
erneuern und dadurch jener Verwilderung des Geschmacks entgegenarbeiten, die
mit der Rohheit und Unnatur der Empfindungen enge° zusammenhängt.




Die Tagespresse in Hannover.

Die politische Tagespresse eiues Laudes umfaßt zwei verschiedene Gruppen
von Blättern: die großen Zeitungen nud die Provinzialblätter. Man erkennt
häufig den wesentlichen Unterschied beider nicht bestimmt genug. Wenn die
eigentlichen politischen Zeitungen unter der Verpflichtung stehen, eine bestimmte
Parteigesinnnng als Banner aufzustecken, und allen zur Sprache kommenden Ver¬
hältnisse» als Maßstab anzulegen, so würde eine solche ideelle Beschränkung die
Provinzialblätter nur verhindern, ihre eigenthümlichen Zwecke vollständig zu
erreichen. Denn währeud jene einen gewissen Grad politischen Lebens in der
Bevölkerung zur Voraussetzung haben, sind diese überhaupt darauf angewiesen,
dieses Leben an ihrem Ort zu wecken und zu steigern. Politische Parteien aber
haben eigentlich da erst einen Sinn, wo sich eine größere Anzahl von Staats¬
bürgern mit denselben Forderungen an das Ganze des staatlichen Gebäudes
wendet.

Unter den großen Zeitungen des Königreichs Hannover muß man die des
nordwestlichen Deutschlands im Allgemeinen verstehen. So wenig abgeschlossen
zeigt sich in einem wichtigen Punkt die vielgerühmte Selbstständigkeit unsres Lan¬
des, daß wir mit starker Betheiligung zu Bremer und Hamburger Blättern greifen
müssen, ohne daß die unsrigen in Hamburg und Bremen wieder gelesen wür¬
den. Die beideu Welthaudelsplätze wissen ihren Bedürfnissen aus eigenen Mitteln
zu genügen, ein Land von Hannovers Ausdehnung nud Einwohnerzahl kaun
das nicht. Aber auch dieser unverkennbare Maugel wird zu einem der Bande,
die uns von dem Gesammtvaterland nimmer abfallen lassen werden, und so mag
ich ihn nicht beklagen in einer Zeit, die sich bei noch ganz anderen Abschlags¬
zahlungen beruhigen muß.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/432>, abgerufen am 28.04.2024.