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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Nur in einer Beziehung sind unsre einheimischen Blätter den auswärtigen
Schwestern allerdings voraus. Sie sind ziemlich gleichmäßig durch das ganze
Land verbreitet, während die Letzteren räumlich mir vou der Seite hereinge¬
drungen sind, welcher sie zunächst angrenzen. So herrscht im Nordwesten die^
Weserzeitung, im Nordosten der Hamburger Korrespondent. Die Neichszeitnng
wirkt mäßiger an den braunschweigischen Grenzen, und für das mitteldeutsche
Frankfurter Journal finden sich wol nur in dem einzigen Göttingen Leser. Die
niedersächsische"Kreuzritteriu, die Neue Bremer Zeitung, nimmt natürlich auch
hierin eine Ausnahmestellung ein: sie wird vom großen Leserkreis nirgends, da¬
gegen von ihren Junkern überall einigermaßen beachtet. Von den Blättern der
Hauptstadt übertrifft die Zeitung für Norddeutschland an Verbreitung alle ihre
Nebenbuhlerinnen, weil sie der Masse der Philister ihrer harmlosen Opposition
wegen am meisten zusagt. Ihr thut auch die halbosficielle Hannover'sche Zeitung
wenig Schaden, denn nur ihre Eigenschaft als Organ der Negierung verschafft
dieser uuter Beamten und sonstigen öffentlichen Personen halb widerwillige Leser.
Wer die hanuover'sche Presse täglich verdauen will, muß schou an schärfere
Kost gewöhnt sein, da sie in ihren Spalten für die gesammte höhere Demokratie
des Landes das Wort führt.

Diese einflußreichen Organe der öffentlichen Meinung einer Kritik im Ein¬
zelnen zu unterwerfen, ist darum noch kein müßiges Unternehmen, weil es selten
oder nie versucht wird. Wenn meine Urtheile allzu stark auf dem Tadelnswerthen
zu haften scheinen, so ist es, weil ich das mögliche Bessere gern trotz des vor¬
handenen Guten herbeiführen möchte. Menschliches Streben verdient in seinen
Aeußerungen immer streng beurtheilt zu werdeu: erweist es sich echt, so wird es
uuter keinem Gericht zerbreche", und was an Worten zu Grunde geht, an dem
ist der Wahrheit und ihrem unausbleiblichen Sieg Nichts verloren. Die Grenz¬
boten stehen dem Schauplatz dieses Berichts fern genug, um weder persönlicher
Rücksichten zu bedürfen, noch kleinlicher Beweggründe verdächtig werden zu können:
so möge denn die Stimme der Ueberzeugung Hier ihren Ausdruck finden, und
der Wahrheit allein ihre Huldigung darbringen.

Wie billig, beginnen wir mit dem Organ der Negierung. Seit einem Jahr
etwa steht die Hannover'sche Zeitung unter der Leitung des ehemaligen Pastors
Or. Jürgens, der sich dem größern Pnblicuiu in Deutschland durch seine Bethei¬
ligung an der Nationalversammlung, so wie durch ein sehr merkwürdiges Buch
über eben diese bekannt gemacht hat. Auf welche Verdienste aber das abgetretene
Ministerium seine Berufung nach Hannover gegründet hat, dem er durch seine
Geburt uicht angehört, das ist zur Zeit noch verborgen. Wenigstens möchte der
nachträgliche Beweis, daß er zu.diesem Amt geschickt erfunden sei, Niemandem
leicht fallen. Früher besaß das Blatt immerhin eine gewisse Bedeutung auch
außer der offiziellen, zu der uuter Anderem die Monjagsartikel des damaligen


Nur in einer Beziehung sind unsre einheimischen Blätter den auswärtigen
Schwestern allerdings voraus. Sie sind ziemlich gleichmäßig durch das ganze
Land verbreitet, während die Letzteren räumlich mir vou der Seite hereinge¬
drungen sind, welcher sie zunächst angrenzen. So herrscht im Nordwesten die^
Weserzeitung, im Nordosten der Hamburger Korrespondent. Die Neichszeitnng
wirkt mäßiger an den braunschweigischen Grenzen, und für das mitteldeutsche
Frankfurter Journal finden sich wol nur in dem einzigen Göttingen Leser. Die
niedersächsische"Kreuzritteriu, die Neue Bremer Zeitung, nimmt natürlich auch
hierin eine Ausnahmestellung ein: sie wird vom großen Leserkreis nirgends, da¬
gegen von ihren Junkern überall einigermaßen beachtet. Von den Blättern der
Hauptstadt übertrifft die Zeitung für Norddeutschland an Verbreitung alle ihre
Nebenbuhlerinnen, weil sie der Masse der Philister ihrer harmlosen Opposition
wegen am meisten zusagt. Ihr thut auch die halbosficielle Hannover'sche Zeitung
wenig Schaden, denn nur ihre Eigenschaft als Organ der Negierung verschafft
dieser uuter Beamten und sonstigen öffentlichen Personen halb widerwillige Leser.
Wer die hanuover'sche Presse täglich verdauen will, muß schou an schärfere
Kost gewöhnt sein, da sie in ihren Spalten für die gesammte höhere Demokratie
des Landes das Wort führt.

Diese einflußreichen Organe der öffentlichen Meinung einer Kritik im Ein¬
zelnen zu unterwerfen, ist darum noch kein müßiges Unternehmen, weil es selten
oder nie versucht wird. Wenn meine Urtheile allzu stark auf dem Tadelnswerthen
zu haften scheinen, so ist es, weil ich das mögliche Bessere gern trotz des vor¬
handenen Guten herbeiführen möchte. Menschliches Streben verdient in seinen
Aeußerungen immer streng beurtheilt zu werdeu: erweist es sich echt, so wird es
uuter keinem Gericht zerbreche«, und was an Worten zu Grunde geht, an dem
ist der Wahrheit und ihrem unausbleiblichen Sieg Nichts verloren. Die Grenz¬
boten stehen dem Schauplatz dieses Berichts fern genug, um weder persönlicher
Rücksichten zu bedürfen, noch kleinlicher Beweggründe verdächtig werden zu können:
so möge denn die Stimme der Ueberzeugung Hier ihren Ausdruck finden, und
der Wahrheit allein ihre Huldigung darbringen.

Wie billig, beginnen wir mit dem Organ der Negierung. Seit einem Jahr
etwa steht die Hannover'sche Zeitung unter der Leitung des ehemaligen Pastors
Or. Jürgens, der sich dem größern Pnblicuiu in Deutschland durch seine Bethei¬
ligung an der Nationalversammlung, so wie durch ein sehr merkwürdiges Buch
über eben diese bekannt gemacht hat. Auf welche Verdienste aber das abgetretene
Ministerium seine Berufung nach Hannover gegründet hat, dem er durch seine
Geburt uicht angehört, das ist zur Zeit noch verborgen. Wenigstens möchte der
nachträgliche Beweis, daß er zu.diesem Amt geschickt erfunden sei, Niemandem
leicht fallen. Früher besaß das Blatt immerhin eine gewisse Bedeutung auch
außer der offiziellen, zu der uuter Anderem die Monjagsartikel des damaligen


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[0433] Nur in einer Beziehung sind unsre einheimischen Blätter den auswärtigen Schwestern allerdings voraus. Sie sind ziemlich gleichmäßig durch das ganze Land verbreitet, während die Letzteren räumlich mir vou der Seite hereinge¬ drungen sind, welcher sie zunächst angrenzen. So herrscht im Nordwesten die^ Weserzeitung, im Nordosten der Hamburger Korrespondent. Die Neichszeitnng wirkt mäßiger an den braunschweigischen Grenzen, und für das mitteldeutsche Frankfurter Journal finden sich wol nur in dem einzigen Göttingen Leser. Die niedersächsische"Kreuzritteriu, die Neue Bremer Zeitung, nimmt natürlich auch hierin eine Ausnahmestellung ein: sie wird vom großen Leserkreis nirgends, da¬ gegen von ihren Junkern überall einigermaßen beachtet. Von den Blättern der Hauptstadt übertrifft die Zeitung für Norddeutschland an Verbreitung alle ihre Nebenbuhlerinnen, weil sie der Masse der Philister ihrer harmlosen Opposition wegen am meisten zusagt. Ihr thut auch die halbosficielle Hannover'sche Zeitung wenig Schaden, denn nur ihre Eigenschaft als Organ der Negierung verschafft dieser uuter Beamten und sonstigen öffentlichen Personen halb widerwillige Leser. Wer die hanuover'sche Presse täglich verdauen will, muß schou an schärfere Kost gewöhnt sein, da sie in ihren Spalten für die gesammte höhere Demokratie des Landes das Wort führt. Diese einflußreichen Organe der öffentlichen Meinung einer Kritik im Ein¬ zelnen zu unterwerfen, ist darum noch kein müßiges Unternehmen, weil es selten oder nie versucht wird. Wenn meine Urtheile allzu stark auf dem Tadelnswerthen zu haften scheinen, so ist es, weil ich das mögliche Bessere gern trotz des vor¬ handenen Guten herbeiführen möchte. Menschliches Streben verdient in seinen Aeußerungen immer streng beurtheilt zu werdeu: erweist es sich echt, so wird es uuter keinem Gericht zerbreche«, und was an Worten zu Grunde geht, an dem ist der Wahrheit und ihrem unausbleiblichen Sieg Nichts verloren. Die Grenz¬ boten stehen dem Schauplatz dieses Berichts fern genug, um weder persönlicher Rücksichten zu bedürfen, noch kleinlicher Beweggründe verdächtig werden zu können: so möge denn die Stimme der Ueberzeugung Hier ihren Ausdruck finden, und der Wahrheit allein ihre Huldigung darbringen. Wie billig, beginnen wir mit dem Organ der Negierung. Seit einem Jahr etwa steht die Hannover'sche Zeitung unter der Leitung des ehemaligen Pastors Or. Jürgens, der sich dem größern Pnblicuiu in Deutschland durch seine Bethei¬ ligung an der Nationalversammlung, so wie durch ein sehr merkwürdiges Buch über eben diese bekannt gemacht hat. Auf welche Verdienste aber das abgetretene Ministerium seine Berufung nach Hannover gegründet hat, dem er durch seine Geburt uicht angehört, das ist zur Zeit noch verborgen. Wenigstens möchte der nachträgliche Beweis, daß er zu.diesem Amt geschickt erfunden sei, Niemandem leicht fallen. Früher besaß das Blatt immerhin eine gewisse Bedeutung auch außer der offiziellen, zu der uuter Anderem die Monjagsartikel des damaligen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/433>, abgerufen am 12.05.2024.