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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Nation beschränkt. Von dieser Seite hat das Bild ein historisches Interesse. Wie
Marie Antoinette, läßt das französische Volk sich von wilden Fanatikern und
frechen Abenteurern zu Boden schlagen, aber es innerlich zu brechen, ist anch der
entschiedenste Tyrann nicht im Stande. Die Franzosen verstehen die allen anderen
Völkern unbegreifliche Kunst, das Joch aus sich zu nehmen und doch den Kop
hoch zu tragen. ' ,




Wochenb erlebt.
Der Geschäftsbetrieb des deutschen Buchhandels.

Wir haben
in unserm vorigen Heft die Denkschrift des Buchhändler-Ausschusses in Beziehung auf
das preußische Postgesetz erwähnt; wir geben daraus einige Auszüge, die sich nicht auf
diesen speciellen Fall beziehen, sondern über die Natur des Geschäftsbetriebs im Allge¬
meinen interessante Aufschlüsse geben. --

In England und Frankreich ist der Buchhandel in den Hauptstädten concentrirt,
der Provinzialbuchhcmdcl jener Länder bedeutet wenig, Buchhandlungen findet man
spärlich vertheilt, mit sehr genügen Lagervorräihen ausgestattet, die sich meist aus wenige
local gangbare Artikel beschränken, die Buchhändler selbst besitzen größtenteils wenig
Litcraturkenntniß und führen Bücher gewöhnlich neben anderen ganz heterogenen Waaren.
Werke, welche man durch sie von den Verlegern verschreiben läßt, werden bei directer
Bestellung und Beziehung durch die Post ungemein vertheuert. Noch ungünstiger wirkt
die Gestalt des dortigen Buchhandels ans die Verbreitung neuer Bücher, namentlich
von noch nicht bekannten Autoren, und ältere Bücher werden zu einer Waare, die keinen
festen Preis hat, oft auch gar nicht zu bekomme" ist, weil der ursprüngliche Verleger
nicht daraus- ausgeht, ein Lager von seinen Vcrlagsbüchcru aufzubewahren, sondern
nur, sie so schnell als möglich zu was immer für Preisen zu verwerthen.

Deutschland verdankt die eigenthümliche Einrichtung seines Buchhandels dem Mangel
einer einzigen Hauptstadt. Wie sich das geistige Leben des Volkes nach allen Seiten
hin mit mehr oder weniger Gleichmäßigkeit verbreitet und wol an einigen Orten stärkere
Brennpunkte hat, aber nirgends ganz fehlt, fo siud auch die Buchhandlungen überall
vertheilt. Fast alle diese Buchhandlungen stehen mit einander in unmittelbarer, auf
den gleichen Bedingungen beruhender Rcchnungsverbindung ohne Zwischenhändler. Daher
die Gleichmäßigkeit der Büchcrprcise in ganz Deutschland; daher die Leichtigkeit und
Sicherheit, womit Bücher, welche in dem entlegensten Winkel des vom deutschen Buch¬
handel über mehr als das halbe Europa ausgespannten'Netzes erschienen sind, nach
jedem beliebigen Orte befördert werden; daher endlich die Leichtigkeit für Autoren, sie
mögen wohnen, wo sie wollen, nicht nur sich alle Hilfsmittel für ihre Arbeiten wohl¬
feil, schnell und sicher zu verschaffen, sondern anch Verleger für ihre Werke zu finden,
da sie nicht wie in anderen Ländern an einzelne entfernte Monopolisten des Vcrlags-
handels gewiesen siud, sondern sich meist nur an ihnen bekannte und befreundete Buch¬
händler zu wenden brauchen, um ihr Erftlingsproduct erscheinen zu lassen und sich
damit in der Literatur Bahn zu brechen.


Nation beschränkt. Von dieser Seite hat das Bild ein historisches Interesse. Wie
Marie Antoinette, läßt das französische Volk sich von wilden Fanatikern und
frechen Abenteurern zu Boden schlagen, aber es innerlich zu brechen, ist anch der
entschiedenste Tyrann nicht im Stande. Die Franzosen verstehen die allen anderen
Völkern unbegreifliche Kunst, das Joch aus sich zu nehmen und doch den Kop
hoch zu tragen. ' ,




Wochenb erlebt.
Der Geschäftsbetrieb des deutschen Buchhandels.

Wir haben
in unserm vorigen Heft die Denkschrift des Buchhändler-Ausschusses in Beziehung auf
das preußische Postgesetz erwähnt; wir geben daraus einige Auszüge, die sich nicht auf
diesen speciellen Fall beziehen, sondern über die Natur des Geschäftsbetriebs im Allge¬
meinen interessante Aufschlüsse geben. —

In England und Frankreich ist der Buchhandel in den Hauptstädten concentrirt,
der Provinzialbuchhcmdcl jener Länder bedeutet wenig, Buchhandlungen findet man
spärlich vertheilt, mit sehr genügen Lagervorräihen ausgestattet, die sich meist aus wenige
local gangbare Artikel beschränken, die Buchhändler selbst besitzen größtenteils wenig
Litcraturkenntniß und führen Bücher gewöhnlich neben anderen ganz heterogenen Waaren.
Werke, welche man durch sie von den Verlegern verschreiben läßt, werden bei directer
Bestellung und Beziehung durch die Post ungemein vertheuert. Noch ungünstiger wirkt
die Gestalt des dortigen Buchhandels ans die Verbreitung neuer Bücher, namentlich
von noch nicht bekannten Autoren, und ältere Bücher werden zu einer Waare, die keinen
festen Preis hat, oft auch gar nicht zu bekomme» ist, weil der ursprüngliche Verleger
nicht daraus- ausgeht, ein Lager von seinen Vcrlagsbüchcru aufzubewahren, sondern
nur, sie so schnell als möglich zu was immer für Preisen zu verwerthen.

Deutschland verdankt die eigenthümliche Einrichtung seines Buchhandels dem Mangel
einer einzigen Hauptstadt. Wie sich das geistige Leben des Volkes nach allen Seiten
hin mit mehr oder weniger Gleichmäßigkeit verbreitet und wol an einigen Orten stärkere
Brennpunkte hat, aber nirgends ganz fehlt, fo siud auch die Buchhandlungen überall
vertheilt. Fast alle diese Buchhandlungen stehen mit einander in unmittelbarer, auf
den gleichen Bedingungen beruhender Rcchnungsverbindung ohne Zwischenhändler. Daher
die Gleichmäßigkeit der Büchcrprcise in ganz Deutschland; daher die Leichtigkeit und
Sicherheit, womit Bücher, welche in dem entlegensten Winkel des vom deutschen Buch¬
handel über mehr als das halbe Europa ausgespannten'Netzes erschienen sind, nach
jedem beliebigen Orte befördert werden; daher endlich die Leichtigkeit für Autoren, sie
mögen wohnen, wo sie wollen, nicht nur sich alle Hilfsmittel für ihre Arbeiten wohl¬
feil, schnell und sicher zu verschaffen, sondern anch Verleger für ihre Werke zu finden,
da sie nicht wie in anderen Ländern an einzelne entfernte Monopolisten des Vcrlags-
handels gewiesen siud, sondern sich meist nur an ihnen bekannte und befreundete Buch¬
händler zu wenden brauchen, um ihr Erftlingsproduct erscheinen zu lassen und sich
damit in der Literatur Bahn zu brechen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/160>, abgerufen am 07.05.2024.