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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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unter den Südslawen zu verschaffen, sammt seinen Propheten moralischen Ban-
queront gemacht, haben seine Epigonen die Namen Kroatien und kroatisch auf
ihre Fahne aufgesteckt, um dem schrecklichen Panslawismns einen idyllisch-fried¬
lichen Nebenbuhler in einem neuen Pankroatismus entgegenzustellen. Wir wissen
noch nicht, wie die serbische Presse die neue Erfindung aufnehmen wird; zweifeln
aber gar nicht, daß die ungeschickte Herausforderung einen maßlosen Hohn auf
die Häupter Derjenigen zurückwerfen wird, von denen sie ausgegangen ist. Es
zeigt sich, daß die Serben wohl gehandelt haben, als sie den Brüderlichkeitsver¬
sicherungen der Kroaten keinen starken Glaube" beimaßeu, und es vorzogen, allein
für ihre nationale Sache einzustehen.




Londoner Strafienindnstrie.
i.

Wenn man Sonnabend Nacht einen der vorzugsweise von kleinen Handwerkern
und Fabrikarbeitern bewohnten Stadttheile, wie z. B. Somerstown, Tothillstreet,
Whitechapel oder Lambeth besucht, glaubt mau mitten in den lebhaftesten Jahr¬
markt zu kommen. Die Arbeiter haben ihren Wochenlohn erhalten, und kaufen
nun spät Abends oder Sonntags früh ihr Sonntagsmahl und die übrigen Be¬
dürfnisse für die Woche ein. Am lebhaftesten sind Newult in Lambeth, und die
Brill in Somerstown. Hier befinden sich viele Hunderte von Ständen, und jeder
Stand hat ein oder zwei Lichter; entweder ist er von dem blendend-weißen
Scheine der tragbaren Gaslampe erhellt, oder von der rothen, qualmenden Flamme
der altmodischen Uuschlittlampe. Einer bietet seinen Kabeljau bei einem in ein
Bündel Brennholz gesteckten Lichte aus; sein Nachbar hat einen Leuchter aus einer
großen Kohlrübe gemacht, an welcher der schmelzende Talg herunterläuft; während
der Junge, welcher "Birnen, Birnen! Acht Pence das Stück!" ausruft, sein Licht
mit einem Stück braunem Papier umwickelt hat, das mit der Kerze flackernd ver¬
brennt. Einige Stände glühen roth von dem Kohlenfeuer unter dem Backofen
für geröstete Kastanien; daneben sitzt die Verkäuferin, eine Jrländerin, in einen
Männermantel oder in ein grobes carrirtes Tuch gewickelt und den Pfeisenstummel
im Munde; bei Anderen wird das Licht durch ein Sieb geschützt. Die Theeläden
sind aristokratischer mit mattgeschliffenen Glaskugeln erleuchtet, und bei den Flei¬
schern flackert die spitze Gasflamme ans den messingenen Rohren hervor. Ueber
die ganze Gegend ist eine solche Fluth von Licht verbreitet, daß der Himmel dar¬
über aus der Ferne gesehen, eine falbrothe Farbe annimmt, abbrenne die Straße.

Fuß- und Fahrweg sind gedrängt voll von Käufern und Verkäufern. Die
Hausfrau in das wärmende Tuch eingehüllt, den Marktkorb am Arm, kommt


unter den Südslawen zu verschaffen, sammt seinen Propheten moralischen Ban-
queront gemacht, haben seine Epigonen die Namen Kroatien und kroatisch auf
ihre Fahne aufgesteckt, um dem schrecklichen Panslawismns einen idyllisch-fried¬
lichen Nebenbuhler in einem neuen Pankroatismus entgegenzustellen. Wir wissen
noch nicht, wie die serbische Presse die neue Erfindung aufnehmen wird; zweifeln
aber gar nicht, daß die ungeschickte Herausforderung einen maßlosen Hohn auf
die Häupter Derjenigen zurückwerfen wird, von denen sie ausgegangen ist. Es
zeigt sich, daß die Serben wohl gehandelt haben, als sie den Brüderlichkeitsver¬
sicherungen der Kroaten keinen starken Glaube» beimaßeu, und es vorzogen, allein
für ihre nationale Sache einzustehen.




Londoner Strafienindnstrie.
i.

Wenn man Sonnabend Nacht einen der vorzugsweise von kleinen Handwerkern
und Fabrikarbeitern bewohnten Stadttheile, wie z. B. Somerstown, Tothillstreet,
Whitechapel oder Lambeth besucht, glaubt mau mitten in den lebhaftesten Jahr¬
markt zu kommen. Die Arbeiter haben ihren Wochenlohn erhalten, und kaufen
nun spät Abends oder Sonntags früh ihr Sonntagsmahl und die übrigen Be¬
dürfnisse für die Woche ein. Am lebhaftesten sind Newult in Lambeth, und die
Brill in Somerstown. Hier befinden sich viele Hunderte von Ständen, und jeder
Stand hat ein oder zwei Lichter; entweder ist er von dem blendend-weißen
Scheine der tragbaren Gaslampe erhellt, oder von der rothen, qualmenden Flamme
der altmodischen Uuschlittlampe. Einer bietet seinen Kabeljau bei einem in ein
Bündel Brennholz gesteckten Lichte aus; sein Nachbar hat einen Leuchter aus einer
großen Kohlrübe gemacht, an welcher der schmelzende Talg herunterläuft; während
der Junge, welcher „Birnen, Birnen! Acht Pence das Stück!" ausruft, sein Licht
mit einem Stück braunem Papier umwickelt hat, das mit der Kerze flackernd ver¬
brennt. Einige Stände glühen roth von dem Kohlenfeuer unter dem Backofen
für geröstete Kastanien; daneben sitzt die Verkäuferin, eine Jrländerin, in einen
Männermantel oder in ein grobes carrirtes Tuch gewickelt und den Pfeisenstummel
im Munde; bei Anderen wird das Licht durch ein Sieb geschützt. Die Theeläden
sind aristokratischer mit mattgeschliffenen Glaskugeln erleuchtet, und bei den Flei¬
schern flackert die spitze Gasflamme ans den messingenen Rohren hervor. Ueber
die ganze Gegend ist eine solche Fluth von Licht verbreitet, daß der Himmel dar¬
über aus der Ferne gesehen, eine falbrothe Farbe annimmt, abbrenne die Straße.

Fuß- und Fahrweg sind gedrängt voll von Käufern und Verkäufern. Die
Hausfrau in das wärmende Tuch eingehüllt, den Marktkorb am Arm, kommt


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[0466] unter den Südslawen zu verschaffen, sammt seinen Propheten moralischen Ban- queront gemacht, haben seine Epigonen die Namen Kroatien und kroatisch auf ihre Fahne aufgesteckt, um dem schrecklichen Panslawismns einen idyllisch-fried¬ lichen Nebenbuhler in einem neuen Pankroatismus entgegenzustellen. Wir wissen noch nicht, wie die serbische Presse die neue Erfindung aufnehmen wird; zweifeln aber gar nicht, daß die ungeschickte Herausforderung einen maßlosen Hohn auf die Häupter Derjenigen zurückwerfen wird, von denen sie ausgegangen ist. Es zeigt sich, daß die Serben wohl gehandelt haben, als sie den Brüderlichkeitsver¬ sicherungen der Kroaten keinen starken Glaube» beimaßeu, und es vorzogen, allein für ihre nationale Sache einzustehen. Londoner Strafienindnstrie. i. Wenn man Sonnabend Nacht einen der vorzugsweise von kleinen Handwerkern und Fabrikarbeitern bewohnten Stadttheile, wie z. B. Somerstown, Tothillstreet, Whitechapel oder Lambeth besucht, glaubt mau mitten in den lebhaftesten Jahr¬ markt zu kommen. Die Arbeiter haben ihren Wochenlohn erhalten, und kaufen nun spät Abends oder Sonntags früh ihr Sonntagsmahl und die übrigen Be¬ dürfnisse für die Woche ein. Am lebhaftesten sind Newult in Lambeth, und die Brill in Somerstown. Hier befinden sich viele Hunderte von Ständen, und jeder Stand hat ein oder zwei Lichter; entweder ist er von dem blendend-weißen Scheine der tragbaren Gaslampe erhellt, oder von der rothen, qualmenden Flamme der altmodischen Uuschlittlampe. Einer bietet seinen Kabeljau bei einem in ein Bündel Brennholz gesteckten Lichte aus; sein Nachbar hat einen Leuchter aus einer großen Kohlrübe gemacht, an welcher der schmelzende Talg herunterläuft; während der Junge, welcher „Birnen, Birnen! Acht Pence das Stück!" ausruft, sein Licht mit einem Stück braunem Papier umwickelt hat, das mit der Kerze flackernd ver¬ brennt. Einige Stände glühen roth von dem Kohlenfeuer unter dem Backofen für geröstete Kastanien; daneben sitzt die Verkäuferin, eine Jrländerin, in einen Männermantel oder in ein grobes carrirtes Tuch gewickelt und den Pfeisenstummel im Munde; bei Anderen wird das Licht durch ein Sieb geschützt. Die Theeläden sind aristokratischer mit mattgeschliffenen Glaskugeln erleuchtet, und bei den Flei¬ schern flackert die spitze Gasflamme ans den messingenen Rohren hervor. Ueber die ganze Gegend ist eine solche Fluth von Licht verbreitet, daß der Himmel dar¬ über aus der Ferne gesehen, eine falbrothe Farbe annimmt, abbrenne die Straße. Fuß- und Fahrweg sind gedrängt voll von Käufern und Verkäufern. Die Hausfrau in das wärmende Tuch eingehüllt, den Marktkorb am Arm, kommt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/466>, abgerufen am 07.05.2024.