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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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culturfähigen Bodens wegen Mangels an Arbeitskräften unbebaut liegt, uicht
einmal im eigenen Interesse der Versuch gemacht wurde, die Auswanderer zu
stxiren. Die gutgemeinten Bemühungen der Banatregiernng scheiterten an der
Theilnahmlosigkeit der Kroaten; nicht einmal eine Subscnptiou zu Gunsten der
Emigranten hatte Erfolg: es blieb den Aermsten Nichts übrig, als weiterer
Hilfe nachzugeben.

Glücklicherweise fanden sie solche bei ihren serbischen Brüdern in der Woj-
wodschaft, obwol dieselben durch den letzten Krieg hart genug mitgenommen
waren. Fast jede serbische Ortschaft in der Wojmvdschaft erklärte sich bereit, eine
-- mitunter sehr große -- Anzahl von Emigrantenfamilien nnter sich aufzu¬
nehmen, das Reisegeld für sie zu zahlen und ihnen Häuser mit Gründen unent-
geldlich zu überlassen. . So hat unter Anderem das durch serbischen Heldenmuth
im Jahre <8L'8 bekannte Szbobran 70 Familien gänzlich versorgt.
Ueberhaupt contrastirt das Benehmen der Serben sehr angenehm gegen die
Theilnahmlosigkeit der Kroaten gegenüber der böhmischen Emigration, und zeigt,
daß die Stammeseinheit wirkliche Brüderlichkeit in sich schließe, so wie daß die
ehedem so bansbäckig zur Schau getragene Freundschaft der Krönten gegen die
Serben Nichts als eine schlecht improvisirte illyrische Komödie war, deren Acteuren
unlängst ein sehr unscheinbares Ereignis; die Maske vom Gesichte abzog.

Ein serbisches Blatt hatte, die Bemerkung gemacht, daß die Literatur der "ser¬
bisch schreibenden, oder doch schreiben wollenden" Jllyrier Niemanden, dem sprach¬
licher Fortschritt am Herzen liege, befriedigen könne. Gegen diesen Vorwurf
nehmen nur die Gaj'schen "Narodne Nowine" die Kroaten in Schutz, behaup- -
tend, daß diese stets nur kroatisch und niemals serbisch schrieben, wobei natür¬
lich unter kroatischer Sprache keine andere als die serbische, nnr mit lateinischen
Schriftzeichen geschrieben, verstanden werden muß. Wollte mau auch dies noch
gelten lassen, so stößt man gleich weiter in der Gaj'schen Philippika auf eine
unvergleichliche Naivetät: es wird nämlich das Dasein der serbischen Sprache
geläugnet. Zu fragen, was und wo die serbische Sprache sei, ist Angesichts der
Thatsache, daß scchstehalb Millionen Menschen sich selbst Serben und ihre
Sprache serbisch nennen, eine unverzeihliche Betise; sie ist aber im Munde der
Jllyrier noch unverzeihlicher. Denn dieses Völkchen von "Literaten" hat die
Sprache, welche es illyrisch nennt, aus den serbischen Volksliedern studirt, die
es mit Hilfe von Wut's serbischen Wörlcrlmche verstehen lernte und dann nach¬
zuahmen versuchte; sie scheinen es vergessen zu haben, daß sie zur Empfehlung
dieser Sprache, für welche der Name kroatisch nicht paßte, weil man serbischer
Seits Reclamationen besorgte, ihrem Publieum erzählten, daß diese "illyrische"
Sprache also in Serbien, Bosnien, der Herzegowina und Zrnagora gesprochen
werde, wo sie kein Mensch unter einem andern, als dem serbischen Namen
kennt. Da aber der JllyrismuS, der Versuch, den Kroaten die Hegemonie


culturfähigen Bodens wegen Mangels an Arbeitskräften unbebaut liegt, uicht
einmal im eigenen Interesse der Versuch gemacht wurde, die Auswanderer zu
stxiren. Die gutgemeinten Bemühungen der Banatregiernng scheiterten an der
Theilnahmlosigkeit der Kroaten; nicht einmal eine Subscnptiou zu Gunsten der
Emigranten hatte Erfolg: es blieb den Aermsten Nichts übrig, als weiterer
Hilfe nachzugeben.

Glücklicherweise fanden sie solche bei ihren serbischen Brüdern in der Woj-
wodschaft, obwol dieselben durch den letzten Krieg hart genug mitgenommen
waren. Fast jede serbische Ortschaft in der Wojmvdschaft erklärte sich bereit, eine
— mitunter sehr große — Anzahl von Emigrantenfamilien nnter sich aufzu¬
nehmen, das Reisegeld für sie zu zahlen und ihnen Häuser mit Gründen unent-
geldlich zu überlassen. . So hat unter Anderem das durch serbischen Heldenmuth
im Jahre <8L'8 bekannte Szbobran 70 Familien gänzlich versorgt.
Ueberhaupt contrastirt das Benehmen der Serben sehr angenehm gegen die
Theilnahmlosigkeit der Kroaten gegenüber der böhmischen Emigration, und zeigt,
daß die Stammeseinheit wirkliche Brüderlichkeit in sich schließe, so wie daß die
ehedem so bansbäckig zur Schau getragene Freundschaft der Krönten gegen die
Serben Nichts als eine schlecht improvisirte illyrische Komödie war, deren Acteuren
unlängst ein sehr unscheinbares Ereignis; die Maske vom Gesichte abzog.

Ein serbisches Blatt hatte, die Bemerkung gemacht, daß die Literatur der „ser¬
bisch schreibenden, oder doch schreiben wollenden" Jllyrier Niemanden, dem sprach¬
licher Fortschritt am Herzen liege, befriedigen könne. Gegen diesen Vorwurf
nehmen nur die Gaj'schen „Narodne Nowine" die Kroaten in Schutz, behaup- -
tend, daß diese stets nur kroatisch und niemals serbisch schrieben, wobei natür¬
lich unter kroatischer Sprache keine andere als die serbische, nnr mit lateinischen
Schriftzeichen geschrieben, verstanden werden muß. Wollte mau auch dies noch
gelten lassen, so stößt man gleich weiter in der Gaj'schen Philippika auf eine
unvergleichliche Naivetät: es wird nämlich das Dasein der serbischen Sprache
geläugnet. Zu fragen, was und wo die serbische Sprache sei, ist Angesichts der
Thatsache, daß scchstehalb Millionen Menschen sich selbst Serben und ihre
Sprache serbisch nennen, eine unverzeihliche Betise; sie ist aber im Munde der
Jllyrier noch unverzeihlicher. Denn dieses Völkchen von „Literaten" hat die
Sprache, welche es illyrisch nennt, aus den serbischen Volksliedern studirt, die
es mit Hilfe von Wut's serbischen Wörlcrlmche verstehen lernte und dann nach¬
zuahmen versuchte; sie scheinen es vergessen zu haben, daß sie zur Empfehlung
dieser Sprache, für welche der Name kroatisch nicht paßte, weil man serbischer
Seits Reclamationen besorgte, ihrem Publieum erzählten, daß diese „illyrische"
Sprache also in Serbien, Bosnien, der Herzegowina und Zrnagora gesprochen
werde, wo sie kein Mensch unter einem andern, als dem serbischen Namen
kennt. Da aber der JllyrismuS, der Versuch, den Kroaten die Hegemonie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/465>, abgerufen am 19.05.2024.