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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Das Bundesjnbiläum in Bern.

Mitten in dem Lärm östreichischer Noten und der unerquicklichen Jagd auf
politische Flüchtlinge feiert Bern seinen fünfhundertjährigem Eintritt in den Bund
der Eidgenossen, und läßt dabei die alten Heldengestalten der Schweizergeschichte
wieder auferstehn, gleichsam als sollte das Mittelalter mit seiner trntzigen Kraft
als eine Ironie sich stellen neben die zahme Gegenwart, welche ihre Kämpfe nicht
mehr mit Morgensterne" auf dem Schlachtfelde, sondern mit Gänsekielen ans
glattem Maschineupapier ausficht.

Vor drei Jahren hatte Zürich sein fünfhnndertjähriges Jubelfest gefeiert;
aber wie verschieden war der Charakter des Festes dort und hier! Zürich feierte
die Thaten der Eidgenossen, an denen es Theil nahm; sein Fest war'eine dank¬
bare Erinnerung des ganzen Zürichervolkes, wieviel seine politische Freiheit, seine
Blüte in Kunst, Wissenschaft und Industrie dem freien Bunde mit der Eid¬
genossenschaft verdanke. In Bern feierte Bern sich selbst, vor allem die
Stadt Bern, dann seine alten Cantonstheile und erst in letzter Linie die Eid¬
genossenschaft. Es entspricht dies dem Charakter, den es durch die ganze
Schweizergeschichte behauptet. Kein Bundcsglied hat deu Bund mit den freien
Völkerschaften zwischen den Alpen und dem Jura so zu seinem Vortheile zu
benutzen gewußt, wie Bern. Von Bern ans wurde das schöne Gebiet, das
jetzt Canton Bern heißt, erobert, und wer weiß, wie weit die stolze Stadt ihre
Grenzen noch ausgedehnt hätte, würde nicht der mißtrauische Geist der Waldstätte
der Eroberungslust Beruf hemmend entgegengetreten sein. "Ohne Bern keine
Eidgenossenschaft" war daher anch der überall durchblickende Gedanke der Berne-
rischen Jubelfeier; Zürich war bescheidener aufgetreten: "Ohne Eidgenossenschaft
kein Zürich." Entsprechend diesen Erinnerungen war auch das vorzugsweise
kriegerische Gepräge und die Concentration des ganzen Festes auf die Stadt Bern,


Grenzboten. III. 21
Das Bundesjnbiläum in Bern.

Mitten in dem Lärm östreichischer Noten und der unerquicklichen Jagd auf
politische Flüchtlinge feiert Bern seinen fünfhundertjährigem Eintritt in den Bund
der Eidgenossen, und läßt dabei die alten Heldengestalten der Schweizergeschichte
wieder auferstehn, gleichsam als sollte das Mittelalter mit seiner trntzigen Kraft
als eine Ironie sich stellen neben die zahme Gegenwart, welche ihre Kämpfe nicht
mehr mit Morgensterne» auf dem Schlachtfelde, sondern mit Gänsekielen ans
glattem Maschineupapier ausficht.

Vor drei Jahren hatte Zürich sein fünfhnndertjähriges Jubelfest gefeiert;
aber wie verschieden war der Charakter des Festes dort und hier! Zürich feierte
die Thaten der Eidgenossen, an denen es Theil nahm; sein Fest war'eine dank¬
bare Erinnerung des ganzen Zürichervolkes, wieviel seine politische Freiheit, seine
Blüte in Kunst, Wissenschaft und Industrie dem freien Bunde mit der Eid¬
genossenschaft verdanke. In Bern feierte Bern sich selbst, vor allem die
Stadt Bern, dann seine alten Cantonstheile und erst in letzter Linie die Eid¬
genossenschaft. Es entspricht dies dem Charakter, den es durch die ganze
Schweizergeschichte behauptet. Kein Bundcsglied hat deu Bund mit den freien
Völkerschaften zwischen den Alpen und dem Jura so zu seinem Vortheile zu
benutzen gewußt, wie Bern. Von Bern ans wurde das schöne Gebiet, das
jetzt Canton Bern heißt, erobert, und wer weiß, wie weit die stolze Stadt ihre
Grenzen noch ausgedehnt hätte, würde nicht der mißtrauische Geist der Waldstätte
der Eroberungslust Beruf hemmend entgegengetreten sein. „Ohne Bern keine
Eidgenossenschaft" war daher anch der überall durchblickende Gedanke der Berne-
rischen Jubelfeier; Zürich war bescheidener aufgetreten: „Ohne Eidgenossenschaft
kein Zürich." Entsprechend diesen Erinnerungen war auch das vorzugsweise
kriegerische Gepräge und die Concentration des ganzen Festes auf die Stadt Bern,


Grenzboten. III. 21
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[0169] Das Bundesjnbiläum in Bern. Mitten in dem Lärm östreichischer Noten und der unerquicklichen Jagd auf politische Flüchtlinge feiert Bern seinen fünfhundertjährigem Eintritt in den Bund der Eidgenossen, und läßt dabei die alten Heldengestalten der Schweizergeschichte wieder auferstehn, gleichsam als sollte das Mittelalter mit seiner trntzigen Kraft als eine Ironie sich stellen neben die zahme Gegenwart, welche ihre Kämpfe nicht mehr mit Morgensterne» auf dem Schlachtfelde, sondern mit Gänsekielen ans glattem Maschineupapier ausficht. Vor drei Jahren hatte Zürich sein fünfhnndertjähriges Jubelfest gefeiert; aber wie verschieden war der Charakter des Festes dort und hier! Zürich feierte die Thaten der Eidgenossen, an denen es Theil nahm; sein Fest war'eine dank¬ bare Erinnerung des ganzen Zürichervolkes, wieviel seine politische Freiheit, seine Blüte in Kunst, Wissenschaft und Industrie dem freien Bunde mit der Eid¬ genossenschaft verdanke. In Bern feierte Bern sich selbst, vor allem die Stadt Bern, dann seine alten Cantonstheile und erst in letzter Linie die Eid¬ genossenschaft. Es entspricht dies dem Charakter, den es durch die ganze Schweizergeschichte behauptet. Kein Bundcsglied hat deu Bund mit den freien Völkerschaften zwischen den Alpen und dem Jura so zu seinem Vortheile zu benutzen gewußt, wie Bern. Von Bern ans wurde das schöne Gebiet, das jetzt Canton Bern heißt, erobert, und wer weiß, wie weit die stolze Stadt ihre Grenzen noch ausgedehnt hätte, würde nicht der mißtrauische Geist der Waldstätte der Eroberungslust Beruf hemmend entgegengetreten sein. „Ohne Bern keine Eidgenossenschaft" war daher anch der überall durchblickende Gedanke der Berne- rischen Jubelfeier; Zürich war bescheidener aufgetreten: „Ohne Eidgenossenschaft kein Zürich." Entsprechend diesen Erinnerungen war auch das vorzugsweise kriegerische Gepräge und die Concentration des ganzen Festes auf die Stadt Bern, Grenzboten. III. 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/169>, abgerufen am 06.05.2024.