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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Die französischen Protestanten im Cxil.

(IZiütoirs lies Ksfngiös pro^estsn" <Je ^rsoos ^lopuis is vevoonlion >>e I'ö'In de Fontes
stisqu'i" nos ^ours, pi>r N. lüll. Weiss, p"i'is -1838.)

Fleißige Zeitungsleser werden sich vielleicht erinnern, wie vor längerer Zeit
von auf Anlaß der französischen Negierung angestellten Nachforschungen über Fa¬
milien französischer Herkunft i" verschiedenen deutscheu Ländern berichtet wurde,
nud wie diesen Nachforschungen, da sie auf auffällige Weise mit verschiedenen Ver¬
suche" des gegenwärtigen Kaisers, gewisse alte Napoleonistische Erinnerungen in
Deutschland wieder aufzufrischen, zusammentrafen, von allzuscharfstchtigeu Leuten
propagandistische Absichten untergelegt wurden. Diese Nachforschungen hatten
jedoch einen rein wissenschaftlichen Zweck und wurden von den französischen Ge¬
sandtschaften auf Ansuchen des Verfassers des obengenannten Buches angestellt,
der zu demselben Zwecke früher persönlich Deutschland, England, Holland und die
Schweiz besucht hatte und die Resultate seiner Studien durch die Vermittelung
der französischen Diplomatie vervollständigt zu sehen wünschte. Das auf diese
Weise gesammelte Material ist uun zu einem Werke verarbeitet worden, das einen
höchst interessanten Beitrag zu der schon ziemlich reichhaltigen protestantischen
Literatur Frankreichs gibt.

Allen Schwärmern für das unumschränkte Königthum möchten wir beständig
das Bild Ludwig XIV. vor die Augen halten. Noch nie und nie wieder hat ein
Fürst größere Anlagen und ausgedehntere Gelegenheit besessen, alles das Große
zu verrichten, das Schwärmer für unumschränkte Fürstenmacht von ihrem König¬
thum erwarte", und keiner hat die verderblichen Folget, dieser Staatseinrichtung
klarer vor Augen gebracht als er. Angebetet vom Volke, umgeben von einem
reichen, treuergebener und tapfern Adel, selbst reichbegabt, ein Herrschergeist, der
mit einem lebendigen Gefühl für die Größe und den Ruhm seines Landes scharfen
staatsmännischen Blick und große Energie des Charakters vereinigte, hätte gewiß
niemand besser die Macht, Größe und das Glück Frankreichs dauernd gründen
können als er, we>M nicht auch er iU dem Rausche der Herrschaft, vor
dem den unumschränkten Fürsten nur der niedrigste Grad geistiger Mittelmäßigkeit
bewahren kann, in dem Staate nur sich gesehen und seinen persönlichen Ruhm
und seine persönlichen Meinungen als das einzige Maß für die Wohlfahrt Frank¬
reichs und die geistigen Bedürfnisse seiner Bewohner genommen hätte. Bei der
unheilvollsten Maßregel, die Ludwig XlV. während seiner langen Regierung
ergriffen hat, bei der Aufhebung des Edicts von Nantes, sind alle geistigen Ver-
irrungen thätig, vou welche" sich der Geist unumschränkter Fürsten, selbst der
begabtesten, nie wird frei erhalten könne": eine krankhafte Sucht nach Gleichför¬
migkeit und ein entsprechender Haß gegen Andersdenkende, ein Ueberschätzeü der


Die französischen Protestanten im Cxil.

(IZiütoirs lies Ksfngiös pro^estsn« <Je ^rsoos ^lopuis is vevoonlion >>e I'ö'In de Fontes
stisqu'i» nos ^ours, pi>r N. lüll. Weiss, p»i'is -1838.)

Fleißige Zeitungsleser werden sich vielleicht erinnern, wie vor längerer Zeit
von auf Anlaß der französischen Negierung angestellten Nachforschungen über Fa¬
milien französischer Herkunft i» verschiedenen deutscheu Ländern berichtet wurde,
nud wie diesen Nachforschungen, da sie auf auffällige Weise mit verschiedenen Ver¬
suche» des gegenwärtigen Kaisers, gewisse alte Napoleonistische Erinnerungen in
Deutschland wieder aufzufrischen, zusammentrafen, von allzuscharfstchtigeu Leuten
propagandistische Absichten untergelegt wurden. Diese Nachforschungen hatten
jedoch einen rein wissenschaftlichen Zweck und wurden von den französischen Ge¬
sandtschaften auf Ansuchen des Verfassers des obengenannten Buches angestellt,
der zu demselben Zwecke früher persönlich Deutschland, England, Holland und die
Schweiz besucht hatte und die Resultate seiner Studien durch die Vermittelung
der französischen Diplomatie vervollständigt zu sehen wünschte. Das auf diese
Weise gesammelte Material ist uun zu einem Werke verarbeitet worden, das einen
höchst interessanten Beitrag zu der schon ziemlich reichhaltigen protestantischen
Literatur Frankreichs gibt.

Allen Schwärmern für das unumschränkte Königthum möchten wir beständig
das Bild Ludwig XIV. vor die Augen halten. Noch nie und nie wieder hat ein
Fürst größere Anlagen und ausgedehntere Gelegenheit besessen, alles das Große
zu verrichten, das Schwärmer für unumschränkte Fürstenmacht von ihrem König¬
thum erwarte», und keiner hat die verderblichen Folget, dieser Staatseinrichtung
klarer vor Augen gebracht als er. Angebetet vom Volke, umgeben von einem
reichen, treuergebener und tapfern Adel, selbst reichbegabt, ein Herrschergeist, der
mit einem lebendigen Gefühl für die Größe und den Ruhm seines Landes scharfen
staatsmännischen Blick und große Energie des Charakters vereinigte, hätte gewiß
niemand besser die Macht, Größe und das Glück Frankreichs dauernd gründen
können als er, we>M nicht auch er iU dem Rausche der Herrschaft, vor
dem den unumschränkten Fürsten nur der niedrigste Grad geistiger Mittelmäßigkeit
bewahren kann, in dem Staate nur sich gesehen und seinen persönlichen Ruhm
und seine persönlichen Meinungen als das einzige Maß für die Wohlfahrt Frank¬
reichs und die geistigen Bedürfnisse seiner Bewohner genommen hätte. Bei der
unheilvollsten Maßregel, die Ludwig XlV. während seiner langen Regierung
ergriffen hat, bei der Aufhebung des Edicts von Nantes, sind alle geistigen Ver-
irrungen thätig, vou welche» sich der Geist unumschränkter Fürsten, selbst der
begabtesten, nie wird frei erhalten könne»: eine krankhafte Sucht nach Gleichför¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/316>, abgerufen am 06.05.2024.