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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Großstaaten gewinnen kann und da zwischen diesen beiden Großstaaten seine
Wahlnicht zweifelhaft ist; -- so glauben wir zu der Schlußfolgerung berechtigt zu
sein, daß auch nach seiner Ansicht den Gothaer Idee" die Zukunft gehört.




Wochenbericht.

Die Zeitungen erfüllen ihre Pflicht, wenn sie
an den englischen Ministern volle Gerechtigkeit üben und sie für ihre unerhörte Schwäche,
für ihre Geheimnißkrämerei, für ihre Friedensliebe um jeden Preis, auch um den der
Ehre Englands und des parlamentarischen Regiments in ganz Europa, Spießruthen
laufen lassen. Die Strafe der Mitschuldigen, des britischen Volks und des Parlamentes
selbst, wird nicht ausbleiben. Man wird sich erinnern, daß Lords und Gemeine über
einige schwache Interpellationen hinaus nichts aufzubringen wußte", keine Adresse, kein
Mißtrauensvotum, keine strafende Minorität, ja nicht einmal eine einzige zornent¬
flammte Rede! Es war uns beschicken, verdienten Hohn über das Land ausschütten zu
sehen, das den andern zum Vorbild der Entwickelung und des politischen Glücks dienen
sollte. Seine Vertheidiger verstummen vor der beschämenden Thatsache und die polizci-
bcgeistertcn Bonapartisten haben das große Wort. Louis Napoleon hat weder die
Tribüne noch die Presse zu fürchten; seine Lage ist dadurch um vieles bequemer.
Er läßt versichern, daß, wenn es nach seinem Sinne gegangen, alles anders wäre.
Hinterdrein stimmen schon dieselben Leute, die soeben gegen Rußland ihre Federn
wetzten, den Siegespsalm zu Ehren und zur Verherrlichung des friedliebenden ver¬
mittelnden Kaisers an! In keinem andern Lande und unter keinem andern Regime, es
sei denn in den letzten Jahre" der orlcanistische" Corruptio", gab sich die Publicistik in
derselbe" Weise preis. Ma" sollte glauben, daß der französischen bonapartistischen Presse
ein jedes Ehrgefühl tödtendes Gift anklebt, das ihre Träger ihr ganzes Leben hindurch,
auch wenn sie in andere Berufskreise treten, nicht wieder los werden. Zeigt sich ein
Minister als das gefügige Instrument der Intrigue, so kann man darauf schwören, daß
er als Schriftsteller oder Journalist dcbütirt hat. So Herr Fortonl, über den Ihr
Pariser Korrespondent schätzenswerthe Aufklärung bringt.

Der Director des öffentliche" Unterrichts und Großmeister der Universität hat
früher auch die deutsche Kunst seiner Aufmerksamkeit gewürdigt, er hat ein Buch dar¬
über zur Welt gebracht. Die Kunst sein Glück zu machen verstand er aber noch besser.
Aus dem Bureau einer Zeitung und aus einer fünf Treppen hoch gelegenen luftig
literarischen Wohnung gelangte er in sein Ministerhotel. Dann war er es, der den
Excellenztitel wieder einführte und seine Ministerberichtc mit dem erniedrigenden Ausdruck
sujet. schloß, der 1801 unter dem alten Napoleon wieder aufgekommen war, dan"1832,
als ih" Herr v. Montalivet in der üblichen Verbindung: "Der Fürst und seine Unter¬
thanen" gebrauchte, einen Sturm in der Deputirtenkammer, sowie einen von 176 De¬
putaten unterzeichneten Protest Odilon Barrots hervorrief, und der dann eine Zeitlang


Großstaaten gewinnen kann und da zwischen diesen beiden Großstaaten seine
Wahlnicht zweifelhaft ist; — so glauben wir zu der Schlußfolgerung berechtigt zu
sein, daß auch nach seiner Ansicht den Gothaer Idee» die Zukunft gehört.




Wochenbericht.

Die Zeitungen erfüllen ihre Pflicht, wenn sie
an den englischen Ministern volle Gerechtigkeit üben und sie für ihre unerhörte Schwäche,
für ihre Geheimnißkrämerei, für ihre Friedensliebe um jeden Preis, auch um den der
Ehre Englands und des parlamentarischen Regiments in ganz Europa, Spießruthen
laufen lassen. Die Strafe der Mitschuldigen, des britischen Volks und des Parlamentes
selbst, wird nicht ausbleiben. Man wird sich erinnern, daß Lords und Gemeine über
einige schwache Interpellationen hinaus nichts aufzubringen wußte», keine Adresse, kein
Mißtrauensvotum, keine strafende Minorität, ja nicht einmal eine einzige zornent¬
flammte Rede! Es war uns beschicken, verdienten Hohn über das Land ausschütten zu
sehen, das den andern zum Vorbild der Entwickelung und des politischen Glücks dienen
sollte. Seine Vertheidiger verstummen vor der beschämenden Thatsache und die polizci-
bcgeistertcn Bonapartisten haben das große Wort. Louis Napoleon hat weder die
Tribüne noch die Presse zu fürchten; seine Lage ist dadurch um vieles bequemer.
Er läßt versichern, daß, wenn es nach seinem Sinne gegangen, alles anders wäre.
Hinterdrein stimmen schon dieselben Leute, die soeben gegen Rußland ihre Federn
wetzten, den Siegespsalm zu Ehren und zur Verherrlichung des friedliebenden ver¬
mittelnden Kaisers an! In keinem andern Lande und unter keinem andern Regime, es
sei denn in den letzten Jahre» der orlcanistische» Corruptio», gab sich die Publicistik in
derselbe» Weise preis. Ma» sollte glauben, daß der französischen bonapartistischen Presse
ein jedes Ehrgefühl tödtendes Gift anklebt, das ihre Träger ihr ganzes Leben hindurch,
auch wenn sie in andere Berufskreise treten, nicht wieder los werden. Zeigt sich ein
Minister als das gefügige Instrument der Intrigue, so kann man darauf schwören, daß
er als Schriftsteller oder Journalist dcbütirt hat. So Herr Fortonl, über den Ihr
Pariser Korrespondent schätzenswerthe Aufklärung bringt.

Der Director des öffentliche» Unterrichts und Großmeister der Universität hat
früher auch die deutsche Kunst seiner Aufmerksamkeit gewürdigt, er hat ein Buch dar¬
über zur Welt gebracht. Die Kunst sein Glück zu machen verstand er aber noch besser.
Aus dem Bureau einer Zeitung und aus einer fünf Treppen hoch gelegenen luftig
literarischen Wohnung gelangte er in sein Ministerhotel. Dann war er es, der den
Excellenztitel wieder einführte und seine Ministerberichtc mit dem erniedrigenden Ausdruck
sujet. schloß, der 1801 unter dem alten Napoleon wieder aufgekommen war, dan»1832,
als ih» Herr v. Montalivet in der üblichen Verbindung: „Der Fürst und seine Unter¬
thanen" gebrauchte, einen Sturm in der Deputirtenkammer, sowie einen von 176 De¬
putaten unterzeichneten Protest Odilon Barrots hervorrief, und der dann eine Zeitlang


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/363>, abgerufen am 06.05.2024.