Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

seine literarische Heimat muß er an dem Ort haben, der auch in politischer Be¬
ziehung der Mittelpunkt seines Lebens ist. Ranke hat mehrfach ein sehr ener¬
gisches preußisches Gefühl ausgesprochen, und es würde doch nicht mit diesem
zusammenstimmen, wenn er rein aus Rücksicht ans änßere Vortheile sich Jahre
hindurch einem fremden Staat anheimgeben wollte, der weder in Beziehung auf
politische, uoch auf religiöse Bildung mit Preußen Hand in Hand geht.




Neue Romane.

Novellen von Julie Burow. 2 Bde., Leipzig, Costenoble. --

Die Verfasserin, Frau Pfannenschmidt in Bromberg, hat sich früher durch
eine gekrönte Preisschrift: Das Pfarrhaus in Nathangen, und die Romane:
FranenlooS, und: Ans dem Leben eines Glücklichen, bekannt gemacht. Die No¬
vellen sind alle gut erzählt und verrathen einen gesunden, sittlichen Sinn. Der
Stil ist nicht immer correct, am wenigsten da, wo die Verfasserin zu poetisiren
versucht, z. B. Band 2, S. -I. "Aber was ist es, das das sehnende Herz
verlangt? Nach welchem Genuß ringt des Glücks dürftige Seele? Welch ein
Bad der Wonne soll das Ich umspülen, das sich verdorrt sühlt und schmachtet?"
-- Das ist ein sehr schlechter Geschmack. Wo aber die Verfasserin einfach und
anspruchslos erzählt, findet sie eine sehr gute Form der Darstellung. In der
Vorrede bemerkt sie übrigens: "Bei allem, was ich schrieb, bei allem, was ich
zu schreiben fähig bin, ist höchstens der die Begebenheiten und Charaktere zusam¬
menknüpfende Faden Dichtung. Die Menschen, die ich schildere, habe ich gekannt;
die Begebenheiten, die ich erzähle, sind unter meinen Augen durchlebt worden."
Es wäre sehr schlimm, wenn dies im strengsten Sinne deö Wortes wahr wäre,
denn es wäre sowol unrecht gegen die wirklichen Umgebungen, die man doch
nicht so ohne weiteres dem Publicum vorführen darf, als auch gegen die Dich¬
tung, die nicht aus Mosaikarbeiten zusammengesetzt sein will. Aber wir glauben
auch nicht recht an diese Erklärung. Es geht ein zu frischer Zug durch die Er¬
zählungen, als daß wir annehmen sollten, sie seien ein loses Gewebe aus alten
Reminiscenzen. --

Zwei Schwestern. Ein Roman in 3 Bänden. Berlin, Veit und Comp.

Der Roman rührt augenscheinlich von einer Dame her, die dem jüdischen
Glauben angehört, und die, wenn wir aus einzelnen Localschildernnge" schließen
dürfen, ans derselben Provinz stammt, wie Fanny Lewald und Fran Pfannen¬
schmidt. Der Roman spielt in der neuesten Zeit und umfaßt die Ereignisse von
der Thronbesteigung des gegenwärtigen Königs von Preußen bis zur Revolution.


seine literarische Heimat muß er an dem Ort haben, der auch in politischer Be¬
ziehung der Mittelpunkt seines Lebens ist. Ranke hat mehrfach ein sehr ener¬
gisches preußisches Gefühl ausgesprochen, und es würde doch nicht mit diesem
zusammenstimmen, wenn er rein aus Rücksicht ans änßere Vortheile sich Jahre
hindurch einem fremden Staat anheimgeben wollte, der weder in Beziehung auf
politische, uoch auf religiöse Bildung mit Preußen Hand in Hand geht.




Neue Romane.

Novellen von Julie Burow. 2 Bde., Leipzig, Costenoble. —

Die Verfasserin, Frau Pfannenschmidt in Bromberg, hat sich früher durch
eine gekrönte Preisschrift: Das Pfarrhaus in Nathangen, und die Romane:
FranenlooS, und: Ans dem Leben eines Glücklichen, bekannt gemacht. Die No¬
vellen sind alle gut erzählt und verrathen einen gesunden, sittlichen Sinn. Der
Stil ist nicht immer correct, am wenigsten da, wo die Verfasserin zu poetisiren
versucht, z. B. Band 2, S. -I. „Aber was ist es, das das sehnende Herz
verlangt? Nach welchem Genuß ringt des Glücks dürftige Seele? Welch ein
Bad der Wonne soll das Ich umspülen, das sich verdorrt sühlt und schmachtet?"
— Das ist ein sehr schlechter Geschmack. Wo aber die Verfasserin einfach und
anspruchslos erzählt, findet sie eine sehr gute Form der Darstellung. In der
Vorrede bemerkt sie übrigens: „Bei allem, was ich schrieb, bei allem, was ich
zu schreiben fähig bin, ist höchstens der die Begebenheiten und Charaktere zusam¬
menknüpfende Faden Dichtung. Die Menschen, die ich schildere, habe ich gekannt;
die Begebenheiten, die ich erzähle, sind unter meinen Augen durchlebt worden."
Es wäre sehr schlimm, wenn dies im strengsten Sinne deö Wortes wahr wäre,
denn es wäre sowol unrecht gegen die wirklichen Umgebungen, die man doch
nicht so ohne weiteres dem Publicum vorführen darf, als auch gegen die Dich¬
tung, die nicht aus Mosaikarbeiten zusammengesetzt sein will. Aber wir glauben
auch nicht recht an diese Erklärung. Es geht ein zu frischer Zug durch die Er¬
zählungen, als daß wir annehmen sollten, sie seien ein loses Gewebe aus alten
Reminiscenzen. —

Zwei Schwestern. Ein Roman in 3 Bänden. Berlin, Veit und Comp.

Der Roman rührt augenscheinlich von einer Dame her, die dem jüdischen
Glauben angehört, und die, wenn wir aus einzelnen Localschildernnge» schließen
dürfen, ans derselben Provinz stammt, wie Fanny Lewald und Fran Pfannen¬
schmidt. Der Roman spielt in der neuesten Zeit und umfaßt die Ereignisse von
der Thronbesteigung des gegenwärtigen Königs von Preußen bis zur Revolution.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0508" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96683"/>
          <p xml:id="ID_1767" prev="#ID_1766"> seine literarische Heimat muß er an dem Ort haben, der auch in politischer Be¬<lb/>
ziehung der Mittelpunkt seines Lebens ist. Ranke hat mehrfach ein sehr ener¬<lb/>
gisches preußisches Gefühl ausgesprochen, und es würde doch nicht mit diesem<lb/>
zusammenstimmen, wenn er rein aus Rücksicht ans änßere Vortheile sich Jahre<lb/>
hindurch einem fremden Staat anheimgeben wollte, der weder in Beziehung auf<lb/>
politische, uoch auf religiöse Bildung mit Preußen Hand in Hand geht.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Neue Romane.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1768"> Novellen von Julie Burow. 2 Bde., Leipzig, Costenoble. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1769"> Die Verfasserin, Frau Pfannenschmidt in Bromberg, hat sich früher durch<lb/>
eine gekrönte Preisschrift: Das Pfarrhaus in Nathangen, und die Romane:<lb/>
FranenlooS, und: Ans dem Leben eines Glücklichen, bekannt gemacht. Die No¬<lb/>
vellen sind alle gut erzählt und verrathen einen gesunden, sittlichen Sinn. Der<lb/>
Stil ist nicht immer correct, am wenigsten da, wo die Verfasserin zu poetisiren<lb/>
versucht, z. B. Band 2, S. -I. &#x201E;Aber was ist es, das das sehnende Herz<lb/>
verlangt? Nach welchem Genuß ringt des Glücks dürftige Seele? Welch ein<lb/>
Bad der Wonne soll das Ich umspülen, das sich verdorrt sühlt und schmachtet?"<lb/>
&#x2014; Das ist ein sehr schlechter Geschmack. Wo aber die Verfasserin einfach und<lb/>
anspruchslos erzählt, findet sie eine sehr gute Form der Darstellung. In der<lb/>
Vorrede bemerkt sie übrigens: &#x201E;Bei allem, was ich schrieb, bei allem, was ich<lb/>
zu schreiben fähig bin, ist höchstens der die Begebenheiten und Charaktere zusam¬<lb/>
menknüpfende Faden Dichtung. Die Menschen, die ich schildere, habe ich gekannt;<lb/>
die Begebenheiten, die ich erzähle, sind unter meinen Augen durchlebt worden."<lb/>
Es wäre sehr schlimm, wenn dies im strengsten Sinne deö Wortes wahr wäre,<lb/>
denn es wäre sowol unrecht gegen die wirklichen Umgebungen, die man doch<lb/>
nicht so ohne weiteres dem Publicum vorführen darf, als auch gegen die Dich¬<lb/>
tung, die nicht aus Mosaikarbeiten zusammengesetzt sein will. Aber wir glauben<lb/>
auch nicht recht an diese Erklärung. Es geht ein zu frischer Zug durch die Er¬<lb/>
zählungen, als daß wir annehmen sollten, sie seien ein loses Gewebe aus alten<lb/>
Reminiscenzen. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1770"> Zwei Schwestern.  Ein Roman in 3 Bänden.  Berlin, Veit und Comp.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1771" next="#ID_1772"> Der Roman rührt augenscheinlich von einer Dame her, die dem jüdischen<lb/>
Glauben angehört, und die, wenn wir aus einzelnen Localschildernnge» schließen<lb/>
dürfen, ans derselben Provinz stammt, wie Fanny Lewald und Fran Pfannen¬<lb/>
schmidt. Der Roman spielt in der neuesten Zeit und umfaßt die Ereignisse von<lb/>
der Thronbesteigung des gegenwärtigen Königs von Preußen bis zur Revolution.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0508] seine literarische Heimat muß er an dem Ort haben, der auch in politischer Be¬ ziehung der Mittelpunkt seines Lebens ist. Ranke hat mehrfach ein sehr ener¬ gisches preußisches Gefühl ausgesprochen, und es würde doch nicht mit diesem zusammenstimmen, wenn er rein aus Rücksicht ans änßere Vortheile sich Jahre hindurch einem fremden Staat anheimgeben wollte, der weder in Beziehung auf politische, uoch auf religiöse Bildung mit Preußen Hand in Hand geht. Neue Romane. Novellen von Julie Burow. 2 Bde., Leipzig, Costenoble. — Die Verfasserin, Frau Pfannenschmidt in Bromberg, hat sich früher durch eine gekrönte Preisschrift: Das Pfarrhaus in Nathangen, und die Romane: FranenlooS, und: Ans dem Leben eines Glücklichen, bekannt gemacht. Die No¬ vellen sind alle gut erzählt und verrathen einen gesunden, sittlichen Sinn. Der Stil ist nicht immer correct, am wenigsten da, wo die Verfasserin zu poetisiren versucht, z. B. Band 2, S. -I. „Aber was ist es, das das sehnende Herz verlangt? Nach welchem Genuß ringt des Glücks dürftige Seele? Welch ein Bad der Wonne soll das Ich umspülen, das sich verdorrt sühlt und schmachtet?" — Das ist ein sehr schlechter Geschmack. Wo aber die Verfasserin einfach und anspruchslos erzählt, findet sie eine sehr gute Form der Darstellung. In der Vorrede bemerkt sie übrigens: „Bei allem, was ich schrieb, bei allem, was ich zu schreiben fähig bin, ist höchstens der die Begebenheiten und Charaktere zusam¬ menknüpfende Faden Dichtung. Die Menschen, die ich schildere, habe ich gekannt; die Begebenheiten, die ich erzähle, sind unter meinen Augen durchlebt worden." Es wäre sehr schlimm, wenn dies im strengsten Sinne deö Wortes wahr wäre, denn es wäre sowol unrecht gegen die wirklichen Umgebungen, die man doch nicht so ohne weiteres dem Publicum vorführen darf, als auch gegen die Dich¬ tung, die nicht aus Mosaikarbeiten zusammengesetzt sein will. Aber wir glauben auch nicht recht an diese Erklärung. Es geht ein zu frischer Zug durch die Er¬ zählungen, als daß wir annehmen sollten, sie seien ein loses Gewebe aus alten Reminiscenzen. — Zwei Schwestern. Ein Roman in 3 Bänden. Berlin, Veit und Comp. Der Roman rührt augenscheinlich von einer Dame her, die dem jüdischen Glauben angehört, und die, wenn wir aus einzelnen Localschildernnge» schließen dürfen, ans derselben Provinz stammt, wie Fanny Lewald und Fran Pfannen¬ schmidt. Der Roman spielt in der neuesten Zeit und umfaßt die Ereignisse von der Thronbesteigung des gegenwärtigen Königs von Preußen bis zur Revolution.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/508
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/508>, abgerufen am 06.05.2024.