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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Falle werden Energie, Muth und Kampfeslust gewöhnlich ans der Seite derjenigen
angetroffen, die mit dem anvertrauten Gut zugleich ihre politische Existenz und
ihre Ehre zu vertheidigen haben. -- (Anmerk, der Red.) In den vorigen
Brief unsers Correspondenten hat sich ein sinnentstellender Druckfehler eingeschlichen.
Bei "Man kann sich doch nnr zu einer Discussion angeregt fühlen, wo der ge¬
sunde Menschenverstand von vornherein mit Ja oder Nein entscheidet, ist ein
"nicht" weggefallen.




Pariser Brief.

Der Moniteur brachte uns heute die erste offtcielle Anzeige vom Anfange
der Feindseligkeiten im Osten, nachdem er gestern durch eine diplomatische Note
das diplomatische Stillschweigen gebrochen, in welchem er seit Wochen beharrte.
Die lustigen Jagden im Costüme Louis XV. von Compiegne verliehen dieser
Schweigsamkeit einen gewissen Schein von Berechtigung, und die fröhliche Sorg¬
losigkeit des Hofes machte die Zurückhaltung des offtcicllen Blattes selbstver¬
ständlich. Was Wunder, wenn es hier viele Diplomaten unter den Staatsmännern
wie unter den Börsehändlern gibt, die bis zum letzten Augenblicke glaubten, es
werde ein Wunder geschehen und der Zusammenstoß der Türkei mit Rußland
verhindert werden. Dieser Glaube ist um radical geheilt, aber die Zuversicht
ans einen baldigen friedlichen Ausgleich ist auch der Thatsache des bereits aus-
gebrochenen Krieges noch nicht gewichen. Die Börse hat den Muth nicht ver¬
loren und das Fallen der Course heute steht in keinem Verhältnisse zu der Wich¬
tigkeit des Ereignisses, das es veranlaßte. Die obenerwähnte Note im gestrigen
Moniteur mag zu diesem Umstände nicht wenig beigetragen haben, denn diese
Note ist so friedlich gehalten, als dies jetzt noch möglich ist. Die Note zeigt
uns das Einlaufen der beiden Flotten ins Marmorameer und gibt zugleich den
Standpunkt, auf den sich die Regierung stellen möchte, verworren genng, aber
doch verständlich an.

Frankreich will den Frieden, I'empire e'est ig, Mix, aber es kann nnr den
Frieden, der sich aufs europäische Gleichgewicht stützt, wollen. Dieses Gleichge¬
wicht ist durch die Besetzung der Donaufürstenthümer gestört worden, und die
Pforte konnte ihrer Würde entsprechend nicht anders handeln, als indem sie den
Krieg erklärte.

Nun möchte man glauben, die beiden Flotten hätten als logische Folge dieser
Voraussetzungen den Auftrag, die Pforte zu unterstützen, allein hiervon schweigt
der Moniteur, er gibt uns vielmehr zu verstehen, daß England und Frankreich
sich noch immer nicht als vereinzelt und getrennt von Oestreich und Preußen


Falle werden Energie, Muth und Kampfeslust gewöhnlich ans der Seite derjenigen
angetroffen, die mit dem anvertrauten Gut zugleich ihre politische Existenz und
ihre Ehre zu vertheidigen haben. — (Anmerk, der Red.) In den vorigen
Brief unsers Correspondenten hat sich ein sinnentstellender Druckfehler eingeschlichen.
Bei „Man kann sich doch nnr zu einer Discussion angeregt fühlen, wo der ge¬
sunde Menschenverstand von vornherein mit Ja oder Nein entscheidet, ist ein
„nicht" weggefallen.




Pariser Brief.

Der Moniteur brachte uns heute die erste offtcielle Anzeige vom Anfange
der Feindseligkeiten im Osten, nachdem er gestern durch eine diplomatische Note
das diplomatische Stillschweigen gebrochen, in welchem er seit Wochen beharrte.
Die lustigen Jagden im Costüme Louis XV. von Compiegne verliehen dieser
Schweigsamkeit einen gewissen Schein von Berechtigung, und die fröhliche Sorg¬
losigkeit des Hofes machte die Zurückhaltung des offtcicllen Blattes selbstver¬
ständlich. Was Wunder, wenn es hier viele Diplomaten unter den Staatsmännern
wie unter den Börsehändlern gibt, die bis zum letzten Augenblicke glaubten, es
werde ein Wunder geschehen und der Zusammenstoß der Türkei mit Rußland
verhindert werden. Dieser Glaube ist um radical geheilt, aber die Zuversicht
ans einen baldigen friedlichen Ausgleich ist auch der Thatsache des bereits aus-
gebrochenen Krieges noch nicht gewichen. Die Börse hat den Muth nicht ver¬
loren und das Fallen der Course heute steht in keinem Verhältnisse zu der Wich¬
tigkeit des Ereignisses, das es veranlaßte. Die obenerwähnte Note im gestrigen
Moniteur mag zu diesem Umstände nicht wenig beigetragen haben, denn diese
Note ist so friedlich gehalten, als dies jetzt noch möglich ist. Die Note zeigt
uns das Einlaufen der beiden Flotten ins Marmorameer und gibt zugleich den
Standpunkt, auf den sich die Regierung stellen möchte, verworren genng, aber
doch verständlich an.

Frankreich will den Frieden, I'empire e'est ig, Mix, aber es kann nnr den
Frieden, der sich aufs europäische Gleichgewicht stützt, wollen. Dieses Gleichge¬
wicht ist durch die Besetzung der Donaufürstenthümer gestört worden, und die
Pforte konnte ihrer Würde entsprechend nicht anders handeln, als indem sie den
Krieg erklärte.

Nun möchte man glauben, die beiden Flotten hätten als logische Folge dieser
Voraussetzungen den Auftrag, die Pforte zu unterstützen, allein hiervon schweigt
der Moniteur, er gibt uns vielmehr zu verstehen, daß England und Frankreich
sich noch immer nicht als vereinzelt und getrennt von Oestreich und Preußen


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[0276] Falle werden Energie, Muth und Kampfeslust gewöhnlich ans der Seite derjenigen angetroffen, die mit dem anvertrauten Gut zugleich ihre politische Existenz und ihre Ehre zu vertheidigen haben. — (Anmerk, der Red.) In den vorigen Brief unsers Correspondenten hat sich ein sinnentstellender Druckfehler eingeschlichen. Bei „Man kann sich doch nnr zu einer Discussion angeregt fühlen, wo der ge¬ sunde Menschenverstand von vornherein mit Ja oder Nein entscheidet, ist ein „nicht" weggefallen. Pariser Brief. Der Moniteur brachte uns heute die erste offtcielle Anzeige vom Anfange der Feindseligkeiten im Osten, nachdem er gestern durch eine diplomatische Note das diplomatische Stillschweigen gebrochen, in welchem er seit Wochen beharrte. Die lustigen Jagden im Costüme Louis XV. von Compiegne verliehen dieser Schweigsamkeit einen gewissen Schein von Berechtigung, und die fröhliche Sorg¬ losigkeit des Hofes machte die Zurückhaltung des offtcicllen Blattes selbstver¬ ständlich. Was Wunder, wenn es hier viele Diplomaten unter den Staatsmännern wie unter den Börsehändlern gibt, die bis zum letzten Augenblicke glaubten, es werde ein Wunder geschehen und der Zusammenstoß der Türkei mit Rußland verhindert werden. Dieser Glaube ist um radical geheilt, aber die Zuversicht ans einen baldigen friedlichen Ausgleich ist auch der Thatsache des bereits aus- gebrochenen Krieges noch nicht gewichen. Die Börse hat den Muth nicht ver¬ loren und das Fallen der Course heute steht in keinem Verhältnisse zu der Wich¬ tigkeit des Ereignisses, das es veranlaßte. Die obenerwähnte Note im gestrigen Moniteur mag zu diesem Umstände nicht wenig beigetragen haben, denn diese Note ist so friedlich gehalten, als dies jetzt noch möglich ist. Die Note zeigt uns das Einlaufen der beiden Flotten ins Marmorameer und gibt zugleich den Standpunkt, auf den sich die Regierung stellen möchte, verworren genng, aber doch verständlich an. Frankreich will den Frieden, I'empire e'est ig, Mix, aber es kann nnr den Frieden, der sich aufs europäische Gleichgewicht stützt, wollen. Dieses Gleichge¬ wicht ist durch die Besetzung der Donaufürstenthümer gestört worden, und die Pforte konnte ihrer Würde entsprechend nicht anders handeln, als indem sie den Krieg erklärte. Nun möchte man glauben, die beiden Flotten hätten als logische Folge dieser Voraussetzungen den Auftrag, die Pforte zu unterstützen, allein hiervon schweigt der Moniteur, er gibt uns vielmehr zu verstehen, daß England und Frankreich sich noch immer nicht als vereinzelt und getrennt von Oestreich und Preußen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/276>, abgerufen am 19.05.2024.