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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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heit, die freilich zuweilen auch in Gewaltthätigkeiten überging. Gleich zu Anfang'
begannen die Streitigkeiten mit dem Militärgonverncnr, der sich sehr bald veran¬
laßt fühlte, ihn ans Degen oder Pistolen zu fordern, worauf auch Vincke mit
großem Vergnügen einging; indessen sahen beide doch sehr bald ein, daß ein
solches Verfahren für ihre Stellung nicht recht passend sein würde. In Vinetas
Tagebücher finden wir über diese Thätigkeit sehr ergötzliche Bemerkungen
z. B. "Visite von Frau G. damit endigend, daß ich sie zur Stube hinauswarf."
Ferner: "Frau v. G. Arrestatiu wegen loser Zunge" u. s. w. Aus Abneigung
gegen den Kriegsdienst waren viele Wehrmänner und andere Militärpflichtige in
ganzen Scharen nach Holland geflüchtet. Empört darüber erließ Vincke trotz
des Einspruchs von Seiten des Militärgouverneurs ein Edict, in welchem folgende
merkwürdige Punkte vorkamen: "Die von den Inhabern ganz verlassenen Woh¬
nungen sollen mit allen beweglichen und unbeweglichen Gütern meistbietend sofort
verkauft und der Betrag zur Provinzialkasse eingezogen werden. Wenn sich kein
Ankäufer findet, sollen sie niedergerissen und ihre Spur vertilgt, auch für die
Dauer des Feldzugs kein neuer Anbau auf der Stätte zugelassen werden. Die
Familien der Entlaufenen sollen aus öffentliche Kosten .in den Arbeitshäusern er¬
nährt werden" n. s. w. -- Dieses ganz unerhörte Edicte fand natürlich von
Seiten der Regierung einen sofortigen Einspruch,°aber es hatte durch den Schreck
seine Wirkung gethan. Vincke hatte noch öfters Gelegenheit, seine Uneinigkeit
mit dem Gouvernement auszudrücken. So war er empört über die Abtretung
von Ostfriesland, nicht nur wegen der völligen Ausschließung des preußischen
Staats von der Nordsee, sondern auch wegen der Tüchtigkeit der Menschen und
er lieh dieser Empörung die bestimmtesten Ausdrücke. "Ein Ostfriese" sagt er, un¬
ter, anderen "ist gewiß mehr werth, als zwanzig halbfranzöflrte Menschen am
linken Rheinufer und der Werth der dortigen neuen, entfernten Erwerbungen
muß sich in demselben Grade vermindern, als der Bestand der vorliegenden alten
preußischen Provinzen verringert wird, welcher allein diesen neuen Erwerbungen
die gehörige Geltung zu geben vermag." Dennoch mußte er selber den Act der
Uebergabe vollziehen, er entledigte sich dieses Auftrags, auf eine würdige
und ergreifende Weise. Ein anderer Grund des Conflicts war die exceptionelle
Stellung der Mediatisirten, gegen die er nicht nur sehr energisch protestirte, son- >
dern der er auch in seinen amtlichen Geschäften eine Wendung gab, welche die
lebhaftesten Beschwerden hervorrief.

Soweit führt uns der erste Band^ ,Wir sehen dem zweiten, welcher die höchst
segensreiche geschäftige Thätigkeit Vinckes in ruhigeren Zeiten verfolgen wird,
mit großer Spannung entgegen. --


Zwei Revolutionen/ Von Dahlmann. 2 Bde. Leipzig, Weidmann. --

Diese beiden Bände enthalten die sechste Auflage der Geschichte der eng-


heit, die freilich zuweilen auch in Gewaltthätigkeiten überging. Gleich zu Anfang'
begannen die Streitigkeiten mit dem Militärgonverncnr, der sich sehr bald veran¬
laßt fühlte, ihn ans Degen oder Pistolen zu fordern, worauf auch Vincke mit
großem Vergnügen einging; indessen sahen beide doch sehr bald ein, daß ein
solches Verfahren für ihre Stellung nicht recht passend sein würde. In Vinetas
Tagebücher finden wir über diese Thätigkeit sehr ergötzliche Bemerkungen
z. B. „Visite von Frau G. damit endigend, daß ich sie zur Stube hinauswarf."
Ferner: „Frau v. G. Arrestatiu wegen loser Zunge" u. s. w. Aus Abneigung
gegen den Kriegsdienst waren viele Wehrmänner und andere Militärpflichtige in
ganzen Scharen nach Holland geflüchtet. Empört darüber erließ Vincke trotz
des Einspruchs von Seiten des Militärgouverneurs ein Edict, in welchem folgende
merkwürdige Punkte vorkamen: „Die von den Inhabern ganz verlassenen Woh¬
nungen sollen mit allen beweglichen und unbeweglichen Gütern meistbietend sofort
verkauft und der Betrag zur Provinzialkasse eingezogen werden. Wenn sich kein
Ankäufer findet, sollen sie niedergerissen und ihre Spur vertilgt, auch für die
Dauer des Feldzugs kein neuer Anbau auf der Stätte zugelassen werden. Die
Familien der Entlaufenen sollen aus öffentliche Kosten .in den Arbeitshäusern er¬
nährt werden" n. s. w. — Dieses ganz unerhörte Edicte fand natürlich von
Seiten der Regierung einen sofortigen Einspruch,°aber es hatte durch den Schreck
seine Wirkung gethan. Vincke hatte noch öfters Gelegenheit, seine Uneinigkeit
mit dem Gouvernement auszudrücken. So war er empört über die Abtretung
von Ostfriesland, nicht nur wegen der völligen Ausschließung des preußischen
Staats von der Nordsee, sondern auch wegen der Tüchtigkeit der Menschen und
er lieh dieser Empörung die bestimmtesten Ausdrücke. „Ein Ostfriese" sagt er, un¬
ter, anderen „ist gewiß mehr werth, als zwanzig halbfranzöflrte Menschen am
linken Rheinufer und der Werth der dortigen neuen, entfernten Erwerbungen
muß sich in demselben Grade vermindern, als der Bestand der vorliegenden alten
preußischen Provinzen verringert wird, welcher allein diesen neuen Erwerbungen
die gehörige Geltung zu geben vermag." Dennoch mußte er selber den Act der
Uebergabe vollziehen, er entledigte sich dieses Auftrags, auf eine würdige
und ergreifende Weise. Ein anderer Grund des Conflicts war die exceptionelle
Stellung der Mediatisirten, gegen die er nicht nur sehr energisch protestirte, son- >
dern der er auch in seinen amtlichen Geschäften eine Wendung gab, welche die
lebhaftesten Beschwerden hervorrief.

Soweit führt uns der erste Band^ ,Wir sehen dem zweiten, welcher die höchst
segensreiche geschäftige Thätigkeit Vinckes in ruhigeren Zeiten verfolgen wird,
mit großer Spannung entgegen. —


Zwei Revolutionen/ Von Dahlmann. 2 Bde. Leipzig, Weidmann. —

Diese beiden Bände enthalten die sechste Auflage der Geschichte der eng-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/516>, abgerufen am 19.05.2024.