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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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bei dem Abgang persönlicher Verzüge dennoch den Adel dem Bürgerstande vor¬
zuziehen und Männer von bewährten Verdienst aus dem letzteren blos der Ge¬
burt wegen nachzusetzen." Die Vorstellung, die der König von Vincke hatte,
war der Grund zu diesen Eröffnungen, er sagte zum geheimen Cabinetsrath
Beyme: "warum nicht gar das Kind schon zum Präsidenten in Magdeburg er¬
nennen; wenn man doch einmal soweit zurückgekommen ist, daß man den Präsi¬
dent, unter den Kindern suchen muß, so muß man sie doch wenigstens bei den
kleinen Kammern anfangen lassen." Trotzdem änderte er kurz darauf seine
Ansicht und Vincke wurde'zum Präsidenten der ostfriesischen Kammer in Aurich
ernannt. Unter den tüchtigen Leuten dieser Provinz fand, er sich bald zu Hause,
aber sein Anfenthalt sollte nicht lange dauern. Der bisherige Oberpräsident von
Westphalen, Freiherr von Stein, wurde zum Minister ernannt, und von allen
Seiten, namentlich vom General Blücher, sowie von Stein selbst, wurde Vincke
zu seinem Nachfolger vorgeschlagen. Er wurde in der That 1804 zum Kammer¬
präsidenten in Münster ernannt und fing schon damals an, jene einsichtsvolle und
unermüdliche Thätigkeit zu entwickeln, die später für die Provinz so segensreich
wurde. Für Preußen beginnt jetzt jene schimpfliche und unselige Zeit, die uns
auch in dem Briefwechsel zwischen Vincke, Stein und Blücher auf das lebhafteste
entgegentritt; endlich wurde der Krieg angefangen, aber sehr schnell und unglück¬
lich beendigt und Vincke sah >sich sehr bald, im März 1807, durch die Bedrückun¬
gen der französischen Befehlshaber bestimmt, seine Stelle niederzulegen. Er wurde
jetzt in außerordentlichem Dienst zu Unterhandlungen mit den auswärtigen Mäch¬
ten, namentlich mit England benutzt und entledigte sich dieses Auftrags zur all¬
gemeinen Zufriedenheit. Er unterhielt eine lebhafte Verbindung mit allen Patrioten,
lehnte aber für den Anfang jede officielle Stellung ab, weil die Maximen der
Verwaltung nicht mit seiner Ansicht übereinstimmten, bis er 1809 nach Beseitigung
dieser Bedenklichkeiten zum Präsidenten der knrmärkischen Regierung ernannt wurde.
Aus seiner früheren Thätigkeit haben wir zwei wichtige Documente, die Darstellung
der innern, Verwaltung Großbritanniens, welche von Niebuhr herausgegeben
worden ist, und einen Aufsatz über Zweck und Mittel der preußischen Staatsver¬
waltung, der uns hier in seiner ganzen Ausdehnung mitgetheilt wird und das
größte Interesse in Anspruch nimmt, da er ganz in dem Geiste der neuen Ne-
formideen, soweit sie für einen praktischen Mann annehmbar waren, gehalten ist.
Von vornherein hatte er erklärt, sein Amt nur kurze Zeit führen zu kommender
legte feine Stelle.schon im folgenden Jahre nieder, verheiratete sich und begab
sich ans seine Güter, wo er von Seiten der französischen Behörden den größten
Schwierigkeiten begegnete; einmal, im Anfang des Jahres 1813, wurde er sogar
eine Zeitlang verhaftet. Endlich brach der große Krieg los und Vincke wurde
das Civilgonvernement von Westphalen übertragen (November 1813). In diesem
höchst schwierigen Wirkungskreise entwickelte nim Vincke eine eiserne Entschlossen-
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bei dem Abgang persönlicher Verzüge dennoch den Adel dem Bürgerstande vor¬
zuziehen und Männer von bewährten Verdienst aus dem letzteren blos der Ge¬
burt wegen nachzusetzen." Die Vorstellung, die der König von Vincke hatte,
war der Grund zu diesen Eröffnungen, er sagte zum geheimen Cabinetsrath
Beyme: „warum nicht gar das Kind schon zum Präsidenten in Magdeburg er¬
nennen; wenn man doch einmal soweit zurückgekommen ist, daß man den Präsi¬
dent, unter den Kindern suchen muß, so muß man sie doch wenigstens bei den
kleinen Kammern anfangen lassen." Trotzdem änderte er kurz darauf seine
Ansicht und Vincke wurde'zum Präsidenten der ostfriesischen Kammer in Aurich
ernannt. Unter den tüchtigen Leuten dieser Provinz fand, er sich bald zu Hause,
aber sein Anfenthalt sollte nicht lange dauern. Der bisherige Oberpräsident von
Westphalen, Freiherr von Stein, wurde zum Minister ernannt, und von allen
Seiten, namentlich vom General Blücher, sowie von Stein selbst, wurde Vincke
zu seinem Nachfolger vorgeschlagen. Er wurde in der That 1804 zum Kammer¬
präsidenten in Münster ernannt und fing schon damals an, jene einsichtsvolle und
unermüdliche Thätigkeit zu entwickeln, die später für die Provinz so segensreich
wurde. Für Preußen beginnt jetzt jene schimpfliche und unselige Zeit, die uns
auch in dem Briefwechsel zwischen Vincke, Stein und Blücher auf das lebhafteste
entgegentritt; endlich wurde der Krieg angefangen, aber sehr schnell und unglück¬
lich beendigt und Vincke sah >sich sehr bald, im März 1807, durch die Bedrückun¬
gen der französischen Befehlshaber bestimmt, seine Stelle niederzulegen. Er wurde
jetzt in außerordentlichem Dienst zu Unterhandlungen mit den auswärtigen Mäch¬
ten, namentlich mit England benutzt und entledigte sich dieses Auftrags zur all¬
gemeinen Zufriedenheit. Er unterhielt eine lebhafte Verbindung mit allen Patrioten,
lehnte aber für den Anfang jede officielle Stellung ab, weil die Maximen der
Verwaltung nicht mit seiner Ansicht übereinstimmten, bis er 1809 nach Beseitigung
dieser Bedenklichkeiten zum Präsidenten der knrmärkischen Regierung ernannt wurde.
Aus seiner früheren Thätigkeit haben wir zwei wichtige Documente, die Darstellung
der innern, Verwaltung Großbritanniens, welche von Niebuhr herausgegeben
worden ist, und einen Aufsatz über Zweck und Mittel der preußischen Staatsver¬
waltung, der uns hier in seiner ganzen Ausdehnung mitgetheilt wird und das
größte Interesse in Anspruch nimmt, da er ganz in dem Geiste der neuen Ne-
formideen, soweit sie für einen praktischen Mann annehmbar waren, gehalten ist.
Von vornherein hatte er erklärt, sein Amt nur kurze Zeit führen zu kommender
legte feine Stelle.schon im folgenden Jahre nieder, verheiratete sich und begab
sich ans seine Güter, wo er von Seiten der französischen Behörden den größten
Schwierigkeiten begegnete; einmal, im Anfang des Jahres 1813, wurde er sogar
eine Zeitlang verhaftet. Endlich brach der große Krieg los und Vincke wurde
das Civilgonvernement von Westphalen übertragen (November 1813). In diesem
höchst schwierigen Wirkungskreise entwickelte nim Vincke eine eiserne Entschlossen-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/515>, abgerufen am 10.06.2024.