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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Werke verdanken wird, noch viel für die Berichtigung seiner Ansichten über
Revolution, Republik und Demokratie daraus lernen, Begriffe, mit denen man
deshalb häusig einen unpassenden Sinn verbindet, weil sich in ihnen einzelne,
aus ein bestimmtes Ereigniß bezügliche Anschauungen verallgemeinern. Auch
die Anhänger jener Ideen können Nutzen daraus ziehen; denn von einem con-
sequenten und vorurtheilsfreien Gegner lernt man am meisten. --


Der Orient und Europa. Erinnerungen und Reisebilder von Land und Meer.
Von Eduard Freiherrn von Callot. Vierter Theil. Mit dem Bildnis? Me-
hemed Alis. Leipzig, Kollmann. --

Wir haben die drei ersten Bände dieses Werkes bereits besprochen. Der
gegenwärtige beschäftigt sich mit Aegypten ,. Arabien und Syrien. Von der
lebhaften Anschaulichkeit des Werks, die wir schon früher gerühmt haben, wollen
wir diesmal eine kleine Probe geben, da es den gebildeten Leser vielleicht in-
teressiren wird, zu hören, wie man im Orient aufeinander schimpft. Es ist bei
Gelegenheit einer Nilpartie (Seite 12t>).

"Die Sandwüste ist hier kaum eine halbe Stunde vom linken User ent¬
fernt und reicht hie und da ganz an den Nil heran. Der Sand fliegt fast
beständig, durchdringt die .Kleider und belästigt die Augen. Der ganze Nil war
von diesem seinen Sande wie mit weißem -Nebel überdeckt. Als wir eine ge¬
raume Zeitlang unter Segel gewesen waren, mußten wir zuletzt am Abend und
die ganze Nacht zum 29- Januar hindurch wegen heftigen Sturmes auf dem Nil
beim Dorfe Senhaft am rechten Ufer.anlegen. Es war diesmal der Wind
aus der Wüste, der erste Samum oder Chamsin. Menschen und Thiere ver¬
steckten sich; die Lust war von feinem, überall durchdringendem Sande verfin¬
stert, und auch ich verschloß mich so luftdicht als möglich in meine Kajüte und
gedachte zu schlafen. Aber ein verdammter Araber am Lande plärrte die ganze
Nacht hindurch wie ein Rasender in allen Tonarten und mit so gellender
Stimme, daß an Schlummer gar nicht zu denken war. Ich sagte dem Reis,
er möge den Kerl zum Schweigen bringen. Da ging erst der wahre Spectakel >
an; die zwei Kerle riefen einander alle möglichen Schimpfworte zu, an denen
die kreischende, arabische Sprache so reich ist. ".sa^in'ruft" (du Kuppler!) schrie
der Reis. llansir!" (du Schwein!) erwiderte der Schreier, ".ur Keil, !"
(du Hund!) brüllte der Schiffer. .Maxeiion! IVIag'vuvu(Narr, Narr!) war die
Antwort. ".in lluai l" (du Jude) schrie endlich der Reis. Das ist das gewaltigste
und verletzendste Schimpfwort in Aegypten wie im ganzen arabischen Oriente.
Da stürzte der Schreier erbittert mit den Worten gegen den Schiffer hervor:
,,/<na malisod .lulmäil vno .lalmüi! ann old IVlosUm! ville Laram! vn>.<-
Kasel-it-afir!" (Ich bin kein Jude, du bist ein Jude! Ich bin ein guter
Gläubiger! Du bist ein Räuber! Du bist ein Schweinskopf!) und jchlug mit


Werke verdanken wird, noch viel für die Berichtigung seiner Ansichten über
Revolution, Republik und Demokratie daraus lernen, Begriffe, mit denen man
deshalb häusig einen unpassenden Sinn verbindet, weil sich in ihnen einzelne,
aus ein bestimmtes Ereigniß bezügliche Anschauungen verallgemeinern. Auch
die Anhänger jener Ideen können Nutzen daraus ziehen; denn von einem con-
sequenten und vorurtheilsfreien Gegner lernt man am meisten. —


Der Orient und Europa. Erinnerungen und Reisebilder von Land und Meer.
Von Eduard Freiherrn von Callot. Vierter Theil. Mit dem Bildnis? Me-
hemed Alis. Leipzig, Kollmann. —

Wir haben die drei ersten Bände dieses Werkes bereits besprochen. Der
gegenwärtige beschäftigt sich mit Aegypten ,. Arabien und Syrien. Von der
lebhaften Anschaulichkeit des Werks, die wir schon früher gerühmt haben, wollen
wir diesmal eine kleine Probe geben, da es den gebildeten Leser vielleicht in-
teressiren wird, zu hören, wie man im Orient aufeinander schimpft. Es ist bei
Gelegenheit einer Nilpartie (Seite 12t>).

„Die Sandwüste ist hier kaum eine halbe Stunde vom linken User ent¬
fernt und reicht hie und da ganz an den Nil heran. Der Sand fliegt fast
beständig, durchdringt die .Kleider und belästigt die Augen. Der ganze Nil war
von diesem seinen Sande wie mit weißem -Nebel überdeckt. Als wir eine ge¬
raume Zeitlang unter Segel gewesen waren, mußten wir zuletzt am Abend und
die ganze Nacht zum 29- Januar hindurch wegen heftigen Sturmes auf dem Nil
beim Dorfe Senhaft am rechten Ufer.anlegen. Es war diesmal der Wind
aus der Wüste, der erste Samum oder Chamsin. Menschen und Thiere ver¬
steckten sich; die Lust war von feinem, überall durchdringendem Sande verfin¬
stert, und auch ich verschloß mich so luftdicht als möglich in meine Kajüte und
gedachte zu schlafen. Aber ein verdammter Araber am Lande plärrte die ganze
Nacht hindurch wie ein Rasender in allen Tonarten und mit so gellender
Stimme, daß an Schlummer gar nicht zu denken war. Ich sagte dem Reis,
er möge den Kerl zum Schweigen bringen. Da ging erst der wahre Spectakel >
an; die zwei Kerle riefen einander alle möglichen Schimpfworte zu, an denen
die kreischende, arabische Sprache so reich ist. „.sa^in'ruft" (du Kuppler!) schrie
der Reis. llansir!" (du Schwein!) erwiderte der Schreier, „.ur Keil, !"
(du Hund!) brüllte der Schiffer. .Maxeiion! IVIag'vuvu(Narr, Narr!) war die
Antwort. „.in lluai l" (du Jude) schrie endlich der Reis. Das ist das gewaltigste
und verletzendste Schimpfwort in Aegypten wie im ganzen arabischen Oriente.
Da stürzte der Schreier erbittert mit den Worten gegen den Schiffer hervor:
,,/<na malisod .lulmäil vno .lalmüi! ann old IVlosUm! ville Laram! vn>.<-
Kasel-it-afir!" (Ich bin kein Jude, du bist ein Jude! Ich bin ein guter
Gläubiger! Du bist ein Räuber! Du bist ein Schweinskopf!) und jchlug mit


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[0136] Werke verdanken wird, noch viel für die Berichtigung seiner Ansichten über Revolution, Republik und Demokratie daraus lernen, Begriffe, mit denen man deshalb häusig einen unpassenden Sinn verbindet, weil sich in ihnen einzelne, aus ein bestimmtes Ereigniß bezügliche Anschauungen verallgemeinern. Auch die Anhänger jener Ideen können Nutzen daraus ziehen; denn von einem con- sequenten und vorurtheilsfreien Gegner lernt man am meisten. — Der Orient und Europa. Erinnerungen und Reisebilder von Land und Meer. Von Eduard Freiherrn von Callot. Vierter Theil. Mit dem Bildnis? Me- hemed Alis. Leipzig, Kollmann. — Wir haben die drei ersten Bände dieses Werkes bereits besprochen. Der gegenwärtige beschäftigt sich mit Aegypten ,. Arabien und Syrien. Von der lebhaften Anschaulichkeit des Werks, die wir schon früher gerühmt haben, wollen wir diesmal eine kleine Probe geben, da es den gebildeten Leser vielleicht in- teressiren wird, zu hören, wie man im Orient aufeinander schimpft. Es ist bei Gelegenheit einer Nilpartie (Seite 12t>). „Die Sandwüste ist hier kaum eine halbe Stunde vom linken User ent¬ fernt und reicht hie und da ganz an den Nil heran. Der Sand fliegt fast beständig, durchdringt die .Kleider und belästigt die Augen. Der ganze Nil war von diesem seinen Sande wie mit weißem -Nebel überdeckt. Als wir eine ge¬ raume Zeitlang unter Segel gewesen waren, mußten wir zuletzt am Abend und die ganze Nacht zum 29- Januar hindurch wegen heftigen Sturmes auf dem Nil beim Dorfe Senhaft am rechten Ufer.anlegen. Es war diesmal der Wind aus der Wüste, der erste Samum oder Chamsin. Menschen und Thiere ver¬ steckten sich; die Lust war von feinem, überall durchdringendem Sande verfin¬ stert, und auch ich verschloß mich so luftdicht als möglich in meine Kajüte und gedachte zu schlafen. Aber ein verdammter Araber am Lande plärrte die ganze Nacht hindurch wie ein Rasender in allen Tonarten und mit so gellender Stimme, daß an Schlummer gar nicht zu denken war. Ich sagte dem Reis, er möge den Kerl zum Schweigen bringen. Da ging erst der wahre Spectakel > an; die zwei Kerle riefen einander alle möglichen Schimpfworte zu, an denen die kreischende, arabische Sprache so reich ist. „.sa^in'ruft" (du Kuppler!) schrie der Reis. llansir!" (du Schwein!) erwiderte der Schreier, „.ur Keil, !" (du Hund!) brüllte der Schiffer. .Maxeiion! IVIag'vuvu(Narr, Narr!) war die Antwort. „.in lluai l" (du Jude) schrie endlich der Reis. Das ist das gewaltigste und verletzendste Schimpfwort in Aegypten wie im ganzen arabischen Oriente. Da stürzte der Schreier erbittert mit den Worten gegen den Schiffer hervor: ,,/<na malisod .lulmäil vno .lalmüi! ann old IVlosUm! ville Laram! vn>.<- Kasel-it-afir!" (Ich bin kein Jude, du bist ein Jude! Ich bin ein guter Gläubiger! Du bist ein Räuber! Du bist ein Schweinskopf!) und jchlug mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/136>, abgerufen am 07.05.2024.