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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Haus , in welchem später auch General Prim logirt war, zur Behausung an¬
gewiesen, wohin denn alsbald unsre Wagen dirigirt wurden.


S es u in l a.

Es sind, wenn ich mich recht erinnere, mehre Monate vergangen, seitdem
ich Ihnen mein letztes Reisebild einsendete. Aus der Ferne wies ich Ihnen
darauf die mächtige Bergposition von Schumla, den wichtigen "Schlüsselpunkt"
zum Balkan, wie man sie vulgär wol zu bezeichnen pflegt, mit ihren in die
Ebene vorgeschobenen Vertheidigungswerken und der Festung - und Stadt
Schumla im weiten Hintergrunde des hufeisenförmigen Halbthals. Noch wird
in Ihrem Gedächtniß feststehen, daß das Hufeisen sich nach Osten mit einer
kleinen nordwärtigen Schwenkung öffnet und die Ebene sich rings um die weit¬
gedehnte Position, welche etwa fünf Stunden im Umfang mißt, wellenförmig,
ohne von bedeutenderen Erhebungen unterbrochen zu werden, ausbreitet. Dieser
letztere Umstand ist wichtig für die strategische Bedeutung der Stellung, welche
nicht selten so aufgefaßt wird, als läge in Schumla der gemeinsame Ausgangs¬
punkt vieler und wichtiger über den Balkan führender Paßwege, Znd sei es
möglich, indem man diese Position hält, jene Wege mit zu vertheidigen. Daß
Schumla rings von einer mehr oder weniger bedeckten Ebene, also von zu¬
gänglichen Terrain, und welches eine Umgehung recht süglich gestattet, um¬
geben ist, wird indeß jedermann die erwähnte Voraussetzung als irrig er¬
kennen lassen. Thatsächlich ist Schumla kein Sperrpunkt in irgend welcher
Beziehung, d. h. keine Stellung, der man aus localen Rücksichten nicht vorbei¬
gehen kann, -- kein Schlüssel. Es ist eine Festung, welche ihre Bedeutung
aus der Möglichkeit entnimmt, die Berge, welche sie im Halbkreis umschließen
und die zwischenliegende Ebene vermöge der Vereinigung einer bedeutenden
Truppenmasse in den Bereich der Vertheidigung zu ziehen. Dabei kommt es
allerdings in Betracht, daß mehre Hauptstraßen nicht weit von der Position
entfernt, aber ohne den Charakter des DcfMes an sich zu tragen, gegen das
Gebirge hinlaufen; rechts insbesondere die Straße von Silistria über Tschali-
kalak nach Karnabat (südwärts vom hohen Balkan) und rechts die von Rust-
schuck nach demselben Ort. In diesem Verhältniß finden sich gleichzeitig die
Beziehungen ausgesprochen, in welchen Schumla einerseits zu Silistria, andrer¬
seits zu Rustschuck steht. Von beiden Festungen ziemlich gleich weit entfernt,
ist es der wohlgcsundenc Punkt, von dem aus operativ in der einen wie in
der andern Richtung vorgegangen werden kann, von wo aus beiden Plätzen
im Fall einer Belagerung Entsatz gebracht werden kann, endlich, von wo aus
in zweiter Linie die Donaustrecke zwischen und seitwärts von ihnen, namentlich
die wichtigen Uebergangspunkte von Turtokan und Kalarasch überwacht wer¬
den können.


I4*

Haus , in welchem später auch General Prim logirt war, zur Behausung an¬
gewiesen, wohin denn alsbald unsre Wagen dirigirt wurden.


S es u in l a.

Es sind, wenn ich mich recht erinnere, mehre Monate vergangen, seitdem
ich Ihnen mein letztes Reisebild einsendete. Aus der Ferne wies ich Ihnen
darauf die mächtige Bergposition von Schumla, den wichtigen „Schlüsselpunkt"
zum Balkan, wie man sie vulgär wol zu bezeichnen pflegt, mit ihren in die
Ebene vorgeschobenen Vertheidigungswerken und der Festung - und Stadt
Schumla im weiten Hintergrunde des hufeisenförmigen Halbthals. Noch wird
in Ihrem Gedächtniß feststehen, daß das Hufeisen sich nach Osten mit einer
kleinen nordwärtigen Schwenkung öffnet und die Ebene sich rings um die weit¬
gedehnte Position, welche etwa fünf Stunden im Umfang mißt, wellenförmig,
ohne von bedeutenderen Erhebungen unterbrochen zu werden, ausbreitet. Dieser
letztere Umstand ist wichtig für die strategische Bedeutung der Stellung, welche
nicht selten so aufgefaßt wird, als läge in Schumla der gemeinsame Ausgangs¬
punkt vieler und wichtiger über den Balkan führender Paßwege, Znd sei es
möglich, indem man diese Position hält, jene Wege mit zu vertheidigen. Daß
Schumla rings von einer mehr oder weniger bedeckten Ebene, also von zu¬
gänglichen Terrain, und welches eine Umgehung recht süglich gestattet, um¬
geben ist, wird indeß jedermann die erwähnte Voraussetzung als irrig er¬
kennen lassen. Thatsächlich ist Schumla kein Sperrpunkt in irgend welcher
Beziehung, d. h. keine Stellung, der man aus localen Rücksichten nicht vorbei¬
gehen kann, — kein Schlüssel. Es ist eine Festung, welche ihre Bedeutung
aus der Möglichkeit entnimmt, die Berge, welche sie im Halbkreis umschließen
und die zwischenliegende Ebene vermöge der Vereinigung einer bedeutenden
Truppenmasse in den Bereich der Vertheidigung zu ziehen. Dabei kommt es
allerdings in Betracht, daß mehre Hauptstraßen nicht weit von der Position
entfernt, aber ohne den Charakter des DcfMes an sich zu tragen, gegen das
Gebirge hinlaufen; rechts insbesondere die Straße von Silistria über Tschali-
kalak nach Karnabat (südwärts vom hohen Balkan) und rechts die von Rust-
schuck nach demselben Ort. In diesem Verhältniß finden sich gleichzeitig die
Beziehungen ausgesprochen, in welchen Schumla einerseits zu Silistria, andrer¬
seits zu Rustschuck steht. Von beiden Festungen ziemlich gleich weit entfernt,
ist es der wohlgcsundenc Punkt, von dem aus operativ in der einen wie in
der andern Richtung vorgegangen werden kann, von wo aus beiden Plätzen
im Fall einer Belagerung Entsatz gebracht werden kann, endlich, von wo aus
in zweiter Linie die Donaustrecke zwischen und seitwärts von ihnen, namentlich
die wichtigen Uebergangspunkte von Turtokan und Kalarasch überwacht wer¬
den können.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/195>, abgerufen am 07.05.2024.