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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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haltlos und ""philosophisch als unplastisch, sie haben ebensowenig Inhalt als
Farbe. Was die Religion betrifft, wollen wir es also lieber mit der alten
Ueberlieferung halten, und wenn wir speculiren, wollen wir auf eigne Hand
speculiren, ohne die Dogmatik ins Spiel zu ziehen; das eine wird durch das
, andere nur verwirrt.

Und was den Dichter betrifft, so möge er sich an den individuellen Fall
halten, den er voller Lebendigkeit anschaut und in seinen innern Motiven
übersieht. Wir wollen Dante und Milton verehren, denen der religiöse Inhalt
ihrer Zeit Stoff zu Götterbildern bot, aber wir wollen ihnen nicht nachahmen,
denn uns fehlt dieser Stoss. Am wenigsten aber kann uns diese Methode
genügen, die allerlei empirisch angeschaute Episoden zusammenstellt und durch
blasse Nebelbilder den Schein einer höheren Weihe darüber zu verbreiten sucht.
Kräftige und gewaltige Menschen zu schildern wird unsre Ze.it noch immer im
Stande sein, denn sie ist noch im Stande, sie hervorzubringen; welchen Ra-
u>en ihnen dann der Dichter beilegt, wird ziemlich gleichgiltig sein, denn das
Aushängeschild thut nichts zur Sache. Wenn er von einer Person nichts
weiter zu geben weiß, als altkluge Redensarten, so wird es ihm nichts helfen,
wenn er diese Person Lucifer oder Agathodämon tauft, denn dem Dichter wird
uur angerechnet, was er wirklich darstellt.




Neue historisch-politische Schriften.
Geschickte der Entstehung und Ausbildung des Kirchenstaats. Von
Samuel Sugcuhcw. (Von der k. Gesellschaft der Wissenschaften zu
Göttingen gekrönte Preisschrift.) Leipzig, Brockhaus. -

Der Zweck des Verfassers und die Grenzen, die er sich bei seiner Aus¬
übe gesetzt hat, ergeben sich bereits aus dem Titel. Es handelt sich hier
nicht um'eine Geschichte des Papstthums in welthistorischen Sinne, wo man
Nom mis Centralpunkt der Strömungen und Gegenströmungen des öffentlichen
Mistes aufzufassen hat, sondern um die Geschichte eines localbegrenzten Für-
stenthums, welches nur das Eigenthümliche hatte, daß es wegen seiner kirch¬
lichen Natur durch die allgemein europäischen Bewegungen fortwährend bedingt
und modificirt wurde. ES handelt sich serner nicht um ein Lesebuch für das
^vßere Publicum, sondern um ein streng wissenschaftliches Werk. In letzterer
Beziehung genügt es für den Zweck dieser Blätter, auf die Anerkennung hin¬
zuweisen, welche dem Verfasser von einer gelehrten Gesellschaft zu Theil ge¬
worden ist. Das Werk macht dem deutschen Fleiß und der festgegründeten
Methode der wissenschaftlichen Forschung Ehre. Es ist in der Ordnung, Sich-


haltlos und »„philosophisch als unplastisch, sie haben ebensowenig Inhalt als
Farbe. Was die Religion betrifft, wollen wir es also lieber mit der alten
Ueberlieferung halten, und wenn wir speculiren, wollen wir auf eigne Hand
speculiren, ohne die Dogmatik ins Spiel zu ziehen; das eine wird durch das
, andere nur verwirrt.

Und was den Dichter betrifft, so möge er sich an den individuellen Fall
halten, den er voller Lebendigkeit anschaut und in seinen innern Motiven
übersieht. Wir wollen Dante und Milton verehren, denen der religiöse Inhalt
ihrer Zeit Stoff zu Götterbildern bot, aber wir wollen ihnen nicht nachahmen,
denn uns fehlt dieser Stoss. Am wenigsten aber kann uns diese Methode
genügen, die allerlei empirisch angeschaute Episoden zusammenstellt und durch
blasse Nebelbilder den Schein einer höheren Weihe darüber zu verbreiten sucht.
Kräftige und gewaltige Menschen zu schildern wird unsre Ze.it noch immer im
Stande sein, denn sie ist noch im Stande, sie hervorzubringen; welchen Ra-
u>en ihnen dann der Dichter beilegt, wird ziemlich gleichgiltig sein, denn das
Aushängeschild thut nichts zur Sache. Wenn er von einer Person nichts
weiter zu geben weiß, als altkluge Redensarten, so wird es ihm nichts helfen,
wenn er diese Person Lucifer oder Agathodämon tauft, denn dem Dichter wird
uur angerechnet, was er wirklich darstellt.




Neue historisch-politische Schriften.
Geschickte der Entstehung und Ausbildung des Kirchenstaats. Von
Samuel Sugcuhcw. (Von der k. Gesellschaft der Wissenschaften zu
Göttingen gekrönte Preisschrift.) Leipzig, Brockhaus. -

Der Zweck des Verfassers und die Grenzen, die er sich bei seiner Aus¬
übe gesetzt hat, ergeben sich bereits aus dem Titel. Es handelt sich hier
nicht um'eine Geschichte des Papstthums in welthistorischen Sinne, wo man
Nom mis Centralpunkt der Strömungen und Gegenströmungen des öffentlichen
Mistes aufzufassen hat, sondern um die Geschichte eines localbegrenzten Für-
stenthums, welches nur das Eigenthümliche hatte, daß es wegen seiner kirch¬
lichen Natur durch die allgemein europäischen Bewegungen fortwährend bedingt
und modificirt wurde. ES handelt sich serner nicht um ein Lesebuch für das
^vßere Publicum, sondern um ein streng wissenschaftliches Werk. In letzterer
Beziehung genügt es für den Zweck dieser Blätter, auf die Anerkennung hin¬
zuweisen, welche dem Verfasser von einer gelehrten Gesellschaft zu Theil ge¬
worden ist. Das Werk macht dem deutschen Fleiß und der festgegründeten
Methode der wissenschaftlichen Forschung Ehre. Es ist in der Ordnung, Sich-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/421>, abgerufen am 06.05.2024.