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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Regiment in Frankreich, welches die Verfasserin in mannigfacher Beziehung
ein eisernes nennt, scheint die Absicht zu haben, die historische Physiognomie
der guten Stadt Paris, die ihr bisher in den Augen der meisten Reisenden
einen so eigenthümlichen Reiz gab, vollständig zu verwischen, und bei der stren¬
gen Consequenz, die es in allen seinen Handlungen entwickelt, ist nicht
daran zu zweifeln, daß ihm diese Absicht gelingen wird. ES ist daher sehr
interessant, den Uebergangsmoment, wenn auch nur in einer flüchtigen Dar¬
stellung, firirt zu sehen. Paris wird eine moderne, vielleicht eine schöne Stadt
werden, aber es wird nicht mehr das alte Paris sein, wenn die langen, brei¬
ten und geradlinigen Straßen das bisherige Labyrinth der engen Gassen und
Plätze werden durchbrochen haben. Auch diese locale Umgestaltung ist ein Bild
der neuen Herrschaft. Das neue Kaiserthum ist wie das alte ganz modern,
militärisch und mathematisch; die Zweckmäßigkeit geht ihm über alles roman¬
tische und historische Interesse. Wer wollte es ihm verargen? Es ist ein
Proceß, der nothwendig einmal durchgeführt werden muß, und je schneller und
energischer man ihn zu Ende bringt, destoweniger wird man die unange¬
nehmen Uebergangsmomente verspüren.

Wir haben diese eine Seite des Buches hervorgehoben, weil sie charakte¬
ristisch ist, weil sie es am deutlichsten von den vorhergehenden Reiseberichten
unterscheidet. Im übrigen finden wir alle Gegenstände wieder, die sonst der
auschauungslustige Tourist zu behandeln pflegt; Bilder, Statuen, Volksleben,
Festlichkeiten, Theater, Salon u. s. w. in der gemüthlichen, poetischen Weise,
die man an der Verfasserin gewohnt ist und auch nicht ohne die Ueberladun¬
gen des Stils, in die sie sonst zuweilen verfällt. Vielleicht wird unser Pariser
Correspondent, der sie aus eigner Anschauung controliren kann, berichtigend
oder anerkennend, das eine oder andere hinzuzufügen haben. --




Pariser Brief.

Wenn wir gewisse preußische Zeitungen anhören, kreist der diplomatische
Berg wieder, und haben die Elihu BurritS der Talleyrandschcn Schule neue
Hoffnungen. Finstere man uns doch geheimnißvoll in die Ohren, daß der
König Leopold sich blos darum nach Calais sehne, weil er eine selbst vor
seinem verantwortlichen Rathe geheimgehaltene Mission habe. Die franzö¬
sischen und englischen Journale mögen noch so kriegerische Leitartikel in die
Welt schicken, gewisse Diplomaten in der Rue de Lille lächeln ironisch und
sehen den Frieden schon vor der Thüre.

In Spanien hat die Entfernung der Königin Christine der dortigen Re¬
gierung auch fröhlichere Aussichten eröffnet. Es ist eine ausgemachte That-


Regiment in Frankreich, welches die Verfasserin in mannigfacher Beziehung
ein eisernes nennt, scheint die Absicht zu haben, die historische Physiognomie
der guten Stadt Paris, die ihr bisher in den Augen der meisten Reisenden
einen so eigenthümlichen Reiz gab, vollständig zu verwischen, und bei der stren¬
gen Consequenz, die es in allen seinen Handlungen entwickelt, ist nicht
daran zu zweifeln, daß ihm diese Absicht gelingen wird. ES ist daher sehr
interessant, den Uebergangsmoment, wenn auch nur in einer flüchtigen Dar¬
stellung, firirt zu sehen. Paris wird eine moderne, vielleicht eine schöne Stadt
werden, aber es wird nicht mehr das alte Paris sein, wenn die langen, brei¬
ten und geradlinigen Straßen das bisherige Labyrinth der engen Gassen und
Plätze werden durchbrochen haben. Auch diese locale Umgestaltung ist ein Bild
der neuen Herrschaft. Das neue Kaiserthum ist wie das alte ganz modern,
militärisch und mathematisch; die Zweckmäßigkeit geht ihm über alles roman¬
tische und historische Interesse. Wer wollte es ihm verargen? Es ist ein
Proceß, der nothwendig einmal durchgeführt werden muß, und je schneller und
energischer man ihn zu Ende bringt, destoweniger wird man die unange¬
nehmen Uebergangsmomente verspüren.

Wir haben diese eine Seite des Buches hervorgehoben, weil sie charakte¬
ristisch ist, weil sie es am deutlichsten von den vorhergehenden Reiseberichten
unterscheidet. Im übrigen finden wir alle Gegenstände wieder, die sonst der
auschauungslustige Tourist zu behandeln pflegt; Bilder, Statuen, Volksleben,
Festlichkeiten, Theater, Salon u. s. w. in der gemüthlichen, poetischen Weise,
die man an der Verfasserin gewohnt ist und auch nicht ohne die Ueberladun¬
gen des Stils, in die sie sonst zuweilen verfällt. Vielleicht wird unser Pariser
Correspondent, der sie aus eigner Anschauung controliren kann, berichtigend
oder anerkennend, das eine oder andere hinzuzufügen haben. —




Pariser Brief.

Wenn wir gewisse preußische Zeitungen anhören, kreist der diplomatische
Berg wieder, und haben die Elihu BurritS der Talleyrandschcn Schule neue
Hoffnungen. Finstere man uns doch geheimnißvoll in die Ohren, daß der
König Leopold sich blos darum nach Calais sehne, weil er eine selbst vor
seinem verantwortlichen Rathe geheimgehaltene Mission habe. Die franzö¬
sischen und englischen Journale mögen noch so kriegerische Leitartikel in die
Welt schicken, gewisse Diplomaten in der Rue de Lille lächeln ironisch und
sehen den Frieden schon vor der Thüre.

In Spanien hat die Entfernung der Königin Christine der dortigen Re¬
gierung auch fröhlichere Aussichten eröffnet. Es ist eine ausgemachte That-


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[0436] Regiment in Frankreich, welches die Verfasserin in mannigfacher Beziehung ein eisernes nennt, scheint die Absicht zu haben, die historische Physiognomie der guten Stadt Paris, die ihr bisher in den Augen der meisten Reisenden einen so eigenthümlichen Reiz gab, vollständig zu verwischen, und bei der stren¬ gen Consequenz, die es in allen seinen Handlungen entwickelt, ist nicht daran zu zweifeln, daß ihm diese Absicht gelingen wird. ES ist daher sehr interessant, den Uebergangsmoment, wenn auch nur in einer flüchtigen Dar¬ stellung, firirt zu sehen. Paris wird eine moderne, vielleicht eine schöne Stadt werden, aber es wird nicht mehr das alte Paris sein, wenn die langen, brei¬ ten und geradlinigen Straßen das bisherige Labyrinth der engen Gassen und Plätze werden durchbrochen haben. Auch diese locale Umgestaltung ist ein Bild der neuen Herrschaft. Das neue Kaiserthum ist wie das alte ganz modern, militärisch und mathematisch; die Zweckmäßigkeit geht ihm über alles roman¬ tische und historische Interesse. Wer wollte es ihm verargen? Es ist ein Proceß, der nothwendig einmal durchgeführt werden muß, und je schneller und energischer man ihn zu Ende bringt, destoweniger wird man die unange¬ nehmen Uebergangsmomente verspüren. Wir haben diese eine Seite des Buches hervorgehoben, weil sie charakte¬ ristisch ist, weil sie es am deutlichsten von den vorhergehenden Reiseberichten unterscheidet. Im übrigen finden wir alle Gegenstände wieder, die sonst der auschauungslustige Tourist zu behandeln pflegt; Bilder, Statuen, Volksleben, Festlichkeiten, Theater, Salon u. s. w. in der gemüthlichen, poetischen Weise, die man an der Verfasserin gewohnt ist und auch nicht ohne die Ueberladun¬ gen des Stils, in die sie sonst zuweilen verfällt. Vielleicht wird unser Pariser Correspondent, der sie aus eigner Anschauung controliren kann, berichtigend oder anerkennend, das eine oder andere hinzuzufügen haben. — Pariser Brief. Wenn wir gewisse preußische Zeitungen anhören, kreist der diplomatische Berg wieder, und haben die Elihu BurritS der Talleyrandschcn Schule neue Hoffnungen. Finstere man uns doch geheimnißvoll in die Ohren, daß der König Leopold sich blos darum nach Calais sehne, weil er eine selbst vor seinem verantwortlichen Rathe geheimgehaltene Mission habe. Die franzö¬ sischen und englischen Journale mögen noch so kriegerische Leitartikel in die Welt schicken, gewisse Diplomaten in der Rue de Lille lächeln ironisch und sehen den Frieden schon vor der Thüre. In Spanien hat die Entfernung der Königin Christine der dortigen Re¬ gierung auch fröhlichere Aussichten eröffnet. Es ist eine ausgemachte That-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/436>, abgerufen am 06.05.2024.