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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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sache, daß Kaiser Napoleon den spanischen Ministern den Muth gegeben, die
Flucht Christinens zu unterstützen. Er hat an Königin Jsabella geschrieben
und sie gebeten, Espartero zu wissen zu geben, daß nach seiner Ansicht an
Wiederkehr der Ruhe nicht eher zu denken, bis Christine aus dem Lande sei.
Wir glauben, er hat wieder den Nagel auf den Kopf getroffen und wir haben
schon früher unsre Verwunderung darüber ausgesprochen, daß sich die neuen
Minister nicht gleich in den ersten Tagen diese Verlegenheit vom Halse ge¬
schafft haben. Espartero wünschte dies sehnlichst, aber er wagte es nicht,
ohne sichern Rückhalt einen so gewagten Schritt auszuführen. Der Herzog
scheint sich überhaupt mit mehr Geschick in seine Aufgabe zu fügen, als man
ihm erwartet hatte. Aus intimen Mittheilungen, die wir aus sehr guter
Quelle schöpfen, war Espartero von vornherein darauf vorbereitet, jede Erb¬
schaft der Revolution zu übernehmen, aber zugleich fest entschlossen, einmal
iur Negierung gelangt, vieser nicht eine Richtung zuzumuthen, welche ihrer
Natur wesentlich widerstreitet. Er hat dies auch seinen Freunden unter den
avcinclrtesten Progressisten zu verstehen gegeben. Als diese sich verwundert
"ber einige Deprimirungömaßregeln seines Cabinets aussprachen, erwiderte
"Verlangt von meiner Negierung nicht, was dem Charakter einer jeden
fremd sein muß. Ihr habt das Land während zwei Wochen in eurer Gewalt
gehabt -- das revolutionäre Banner war ausgepflanzt -- ihr konntet gehen,
soweit euch euer Patriotismus nur treiben mochte. Was habt ihr gethan?
ud jetzt verlangt ihr von einer mehr oder minder wohlorganisirten Regie-
"'Ug, daß sie sich geberde, als ob sie hinter den Barrikaden stände! Das ist
^u Urseum, zu dem ich mich niemals verstehen werde. Unsre Aufgabe zu
Unsre", Heile und zum Heile unsres Landes ist es jetzt, die Konstitution auf-
zu erhalten. Für diese findet ihr mich bereit einzustehen, alles andere
zu spät oder zu früh." Diese Vorstellungen scheinen gewirkt zu haben,
^'d wenn auch die Aufregung noch im Herzen des Landes kocht, so haben'ich doch auch viele der eifrigsten Progressisten, welche selbst vor der Republik
''lebt zurückgeschreckt wären, aufrichtig Espartero angeschlossen. Diesem Um-
"nde mag es zuzuschreiben sein, daß Berichte von Personen, die sonst
beunruhigend gewesen, nun zuversichtiger geworden. Man hofft, die
^iUcrung werde das Land ohne bedeutende Ruhestörung bis zum Zusammen-
Utte der Cortes erhalten und es fragt sich blos, wie und ob diese ihre Aus¬
übe verstehen.

Der Kaiser ist ohne officiellen Empfang von seiner Badereise nach Paris
z^'^ekommen und hat sich erst bei der Eröffnung der großen Oper gezeigt,
adawe Stolz, nachdem sie die Ueberreste ihrer Stimme und ihres Talentes
'eiden Welttheilen herumgeführt, ist wieder die Primadonna der kaiserlichen
"benie geworden. Ihr Spiel ist das berechnende, effectgewisse geblieben und


sache, daß Kaiser Napoleon den spanischen Ministern den Muth gegeben, die
Flucht Christinens zu unterstützen. Er hat an Königin Jsabella geschrieben
und sie gebeten, Espartero zu wissen zu geben, daß nach seiner Ansicht an
Wiederkehr der Ruhe nicht eher zu denken, bis Christine aus dem Lande sei.
Wir glauben, er hat wieder den Nagel auf den Kopf getroffen und wir haben
schon früher unsre Verwunderung darüber ausgesprochen, daß sich die neuen
Minister nicht gleich in den ersten Tagen diese Verlegenheit vom Halse ge¬
schafft haben. Espartero wünschte dies sehnlichst, aber er wagte es nicht,
ohne sichern Rückhalt einen so gewagten Schritt auszuführen. Der Herzog
scheint sich überhaupt mit mehr Geschick in seine Aufgabe zu fügen, als man
ihm erwartet hatte. Aus intimen Mittheilungen, die wir aus sehr guter
Quelle schöpfen, war Espartero von vornherein darauf vorbereitet, jede Erb¬
schaft der Revolution zu übernehmen, aber zugleich fest entschlossen, einmal
iur Negierung gelangt, vieser nicht eine Richtung zuzumuthen, welche ihrer
Natur wesentlich widerstreitet. Er hat dies auch seinen Freunden unter den
avcinclrtesten Progressisten zu verstehen gegeben. Als diese sich verwundert
"ber einige Deprimirungömaßregeln seines Cabinets aussprachen, erwiderte
„Verlangt von meiner Negierung nicht, was dem Charakter einer jeden
fremd sein muß. Ihr habt das Land während zwei Wochen in eurer Gewalt
gehabt — das revolutionäre Banner war ausgepflanzt — ihr konntet gehen,
soweit euch euer Patriotismus nur treiben mochte. Was habt ihr gethan?
ud jetzt verlangt ihr von einer mehr oder minder wohlorganisirten Regie-
"'Ug, daß sie sich geberde, als ob sie hinter den Barrikaden stände! Das ist
^u Urseum, zu dem ich mich niemals verstehen werde. Unsre Aufgabe zu
Unsre», Heile und zum Heile unsres Landes ist es jetzt, die Konstitution auf-
zu erhalten. Für diese findet ihr mich bereit einzustehen, alles andere
zu spät oder zu früh." Diese Vorstellungen scheinen gewirkt zu haben,
^'d wenn auch die Aufregung noch im Herzen des Landes kocht, so haben'ich doch auch viele der eifrigsten Progressisten, welche selbst vor der Republik
''lebt zurückgeschreckt wären, aufrichtig Espartero angeschlossen. Diesem Um-
"nde mag es zuzuschreiben sein, daß Berichte von Personen, die sonst
beunruhigend gewesen, nun zuversichtiger geworden. Man hofft, die
^iUcrung werde das Land ohne bedeutende Ruhestörung bis zum Zusammen-
Utte der Cortes erhalten und es fragt sich blos, wie und ob diese ihre Aus¬
übe verstehen.

Der Kaiser ist ohne officiellen Empfang von seiner Badereise nach Paris
z^'^ekommen und hat sich erst bei der Eröffnung der großen Oper gezeigt,
adawe Stolz, nachdem sie die Ueberreste ihrer Stimme und ihres Talentes
'eiden Welttheilen herumgeführt, ist wieder die Primadonna der kaiserlichen
"benie geworden. Ihr Spiel ist das berechnende, effectgewisse geblieben und


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[0437] sache, daß Kaiser Napoleon den spanischen Ministern den Muth gegeben, die Flucht Christinens zu unterstützen. Er hat an Königin Jsabella geschrieben und sie gebeten, Espartero zu wissen zu geben, daß nach seiner Ansicht an Wiederkehr der Ruhe nicht eher zu denken, bis Christine aus dem Lande sei. Wir glauben, er hat wieder den Nagel auf den Kopf getroffen und wir haben schon früher unsre Verwunderung darüber ausgesprochen, daß sich die neuen Minister nicht gleich in den ersten Tagen diese Verlegenheit vom Halse ge¬ schafft haben. Espartero wünschte dies sehnlichst, aber er wagte es nicht, ohne sichern Rückhalt einen so gewagten Schritt auszuführen. Der Herzog scheint sich überhaupt mit mehr Geschick in seine Aufgabe zu fügen, als man ihm erwartet hatte. Aus intimen Mittheilungen, die wir aus sehr guter Quelle schöpfen, war Espartero von vornherein darauf vorbereitet, jede Erb¬ schaft der Revolution zu übernehmen, aber zugleich fest entschlossen, einmal iur Negierung gelangt, vieser nicht eine Richtung zuzumuthen, welche ihrer Natur wesentlich widerstreitet. Er hat dies auch seinen Freunden unter den avcinclrtesten Progressisten zu verstehen gegeben. Als diese sich verwundert "ber einige Deprimirungömaßregeln seines Cabinets aussprachen, erwiderte „Verlangt von meiner Negierung nicht, was dem Charakter einer jeden fremd sein muß. Ihr habt das Land während zwei Wochen in eurer Gewalt gehabt — das revolutionäre Banner war ausgepflanzt — ihr konntet gehen, soweit euch euer Patriotismus nur treiben mochte. Was habt ihr gethan? ud jetzt verlangt ihr von einer mehr oder minder wohlorganisirten Regie- "'Ug, daß sie sich geberde, als ob sie hinter den Barrikaden stände! Das ist ^u Urseum, zu dem ich mich niemals verstehen werde. Unsre Aufgabe zu Unsre», Heile und zum Heile unsres Landes ist es jetzt, die Konstitution auf- zu erhalten. Für diese findet ihr mich bereit einzustehen, alles andere zu spät oder zu früh." Diese Vorstellungen scheinen gewirkt zu haben, ^'d wenn auch die Aufregung noch im Herzen des Landes kocht, so haben'ich doch auch viele der eifrigsten Progressisten, welche selbst vor der Republik ''lebt zurückgeschreckt wären, aufrichtig Espartero angeschlossen. Diesem Um- "nde mag es zuzuschreiben sein, daß Berichte von Personen, die sonst beunruhigend gewesen, nun zuversichtiger geworden. Man hofft, die ^iUcrung werde das Land ohne bedeutende Ruhestörung bis zum Zusammen- Utte der Cortes erhalten und es fragt sich blos, wie und ob diese ihre Aus¬ übe verstehen. Der Kaiser ist ohne officiellen Empfang von seiner Badereise nach Paris z^'^ekommen und hat sich erst bei der Eröffnung der großen Oper gezeigt, adawe Stolz, nachdem sie die Ueberreste ihrer Stimme und ihres Talentes 'eiden Welttheilen herumgeführt, ist wieder die Primadonna der kaiserlichen "benie geworden. Ihr Spiel ist das berechnende, effectgewisse geblieben und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/437>, abgerufen am 19.05.2024.