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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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soweit zurückziehen zu wollen, als es durch strategische Gründe nothwendig
gemacht ist und wir müssen abwarten, ob man es wagen wird, einen solchen
Act als eine Concession an die deutschen Mächte darzustellen.

Nachtrag der Redaction. -- So sehr wir damit übereinstimmen, daß
die Occupation der Fürstentümer durch Oestreich noch immer ihr Unklares hat,
so dürfen wir doch nicht übersehen, daß der Entschluß Oestreichs ein ehren¬
voller, zweckmäßiger und für Deutschland wohlthätiger ist. Daß es nicht zu
einem faulen Frieden kommt, dafür werden, trotz Aberdeens, die Westmächte
sorgen; dafür wird Oestreich sorgen, das z-u rechnen versteht und das sich nicht
umsonst ungeheuere Ausgaben gemacht haben wird. Der Vertrag Oestreichs
mit der Türkei lautet ganz unzweifelhaft, und diesem gegenüber erscheint uns
eine Nachgiebigkeit Rußlands völlig undenkbar. Zudem ist in dem schnellen
und energischen Vorgehen Oestreichs der Bamberger Conferenz die passende
Rechnung getragen. -- Was Preußen betrifft, so hätten wir zwar lieber ge¬
wünscht, es hätte die Rolle gespielt, die Oestreich übernommen; auch erregen
die Gespräche Schutzes, Müllers und der übrigen Berliner, wie sie uns der
Kladderadatsch idealistrt überliefert, keine besondere Befriedigung; allein jetzt
ist die Situation so eng umschrieben, daß selbst die Genialität der Verkehrtheit
sie nicht mehr im schlimmen Sinn ausbeuten könnte. Seit dem Vertrage
Oestreichs mit der Türkei sehen wir der Zukunft mit Hoffnung entgegen; so¬
bald der erste östreichische Kanonenschuß gefallen fein wird, werden wir die Be¬
freiung Europas vom russischen Joch mit Jubel begrüßen. --




Wochenbericht.

-- Lord Aberdeen hat auf seine Rede vom vorigen Frei¬
tag, die allerdings geeignet war, die lebhaftesten Besorgnisse über die Politik des
Cabinets in der orientalischen Frage zu erregen, einige Erläuterungen folgen lassen,
welche endlich die längstgewünschte Klarheit über seine Stellung 'zu seinem College"
und die Ziele seiner Politik geben, und die jedenfalls befriedigender ausgefallen
sind, als seine letzte Rede vermuthen ließ. Die zu gleicher Zeit dem Parlament
vorgelegte Depesche über den Friedensvertrag von Adrianopel beweist, daß Lord Aber¬
deen schon im Jahre -1829 die Gefahren, welche dieser Vertrag für die Unabhängig¬
keit der Pforte in seinem Schoße barg, klar genug erkannt; die Ehre, Haupturheber
desselben zu sein, brauchte er kaum mit der Energie, die er am Neu im Oberhause
an den Tag legte, zurückzuweisen, denn es ist ja bekannt genug, daß dieser Ver¬
trag unter dem widerwilligen Sträuben Englands zu Stande gekommen, und daß
er überhaupt nicht so zu Stande gekommen wäre, wenn sämmtliche große europäische
Cabmete.sich nicht durch ihre früher gegen die Pforte befolgte Politik Nußland


soweit zurückziehen zu wollen, als es durch strategische Gründe nothwendig
gemacht ist und wir müssen abwarten, ob man es wagen wird, einen solchen
Act als eine Concession an die deutschen Mächte darzustellen.

Nachtrag der Redaction. — So sehr wir damit übereinstimmen, daß
die Occupation der Fürstentümer durch Oestreich noch immer ihr Unklares hat,
so dürfen wir doch nicht übersehen, daß der Entschluß Oestreichs ein ehren¬
voller, zweckmäßiger und für Deutschland wohlthätiger ist. Daß es nicht zu
einem faulen Frieden kommt, dafür werden, trotz Aberdeens, die Westmächte
sorgen; dafür wird Oestreich sorgen, das z-u rechnen versteht und das sich nicht
umsonst ungeheuere Ausgaben gemacht haben wird. Der Vertrag Oestreichs
mit der Türkei lautet ganz unzweifelhaft, und diesem gegenüber erscheint uns
eine Nachgiebigkeit Rußlands völlig undenkbar. Zudem ist in dem schnellen
und energischen Vorgehen Oestreichs der Bamberger Conferenz die passende
Rechnung getragen. — Was Preußen betrifft, so hätten wir zwar lieber ge¬
wünscht, es hätte die Rolle gespielt, die Oestreich übernommen; auch erregen
die Gespräche Schutzes, Müllers und der übrigen Berliner, wie sie uns der
Kladderadatsch idealistrt überliefert, keine besondere Befriedigung; allein jetzt
ist die Situation so eng umschrieben, daß selbst die Genialität der Verkehrtheit
sie nicht mehr im schlimmen Sinn ausbeuten könnte. Seit dem Vertrage
Oestreichs mit der Türkei sehen wir der Zukunft mit Hoffnung entgegen; so¬
bald der erste östreichische Kanonenschuß gefallen fein wird, werden wir die Be¬
freiung Europas vom russischen Joch mit Jubel begrüßen. —




Wochenbericht.

— Lord Aberdeen hat auf seine Rede vom vorigen Frei¬
tag, die allerdings geeignet war, die lebhaftesten Besorgnisse über die Politik des
Cabinets in der orientalischen Frage zu erregen, einige Erläuterungen folgen lassen,
welche endlich die längstgewünschte Klarheit über seine Stellung 'zu seinem College»
und die Ziele seiner Politik geben, und die jedenfalls befriedigender ausgefallen
sind, als seine letzte Rede vermuthen ließ. Die zu gleicher Zeit dem Parlament
vorgelegte Depesche über den Friedensvertrag von Adrianopel beweist, daß Lord Aber¬
deen schon im Jahre -1829 die Gefahren, welche dieser Vertrag für die Unabhängig¬
keit der Pforte in seinem Schoße barg, klar genug erkannt; die Ehre, Haupturheber
desselben zu sein, brauchte er kaum mit der Energie, die er am Neu im Oberhause
an den Tag legte, zurückzuweisen, denn es ist ja bekannt genug, daß dieser Ver¬
trag unter dem widerwilligen Sträuben Englands zu Stande gekommen, und daß
er überhaupt nicht so zu Stande gekommen wäre, wenn sämmtliche große europäische
Cabmete.sich nicht durch ihre früher gegen die Pforte befolgte Politik Nußland


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/76>, abgerufen am 06.05.2024.