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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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reichs, Deutschlands und der mitteleuropäischen Machtstellung vertreten hat.
Diese männliche Haltung ist es aber, wodurch ihm die Sympathien des östrei¬
chischen Volkes für jede Eventualität gesichert sind und wodurch alle bei dem
jetzigen Weltkampfe betheiligten Mächte, sowol Rußland als die Alliirten und
die Neutralen, sich berechtigt fühlen, mit gleichem Vertrauen in die Offenheit
^ der östreichischen Politik den kommenden Ereignissen entgegenzusehen. Oestreichs
Mittelstellung, so vielseitig verketzert, war bisher durch die Zeit und durch die
geographische Lage nothwendig bedungen. Nur in voller Rüstung und in
voller Klarheit über die letzten Zwecke des Kampfes konnte der Krieg gegen
den bisher befreundeten Nachbarstaat begonnen werden, und nur im wirklichen
Verein, oder mindestens in fester Ideeneinheit mit den übrigen Mächten Mittel¬
europas kann ein solcher Kampf, der den ganzen Continent so gewaltig erschüt-
tern würde, mit dem Anspruch auf richtigen Erfolg zu Ende geführt werden.

Von diesem Standpunkte aus möge man, nach unsrer Ansicht, die bisherige
Politik des östreichischen Ministers beurtheilen und darnach ermessen, ob Graf
Buol der ganze Mann sei, wie ihn Oestreichs Lage in den schweren Jahren,
welche seit Schwarzenbcrgs Tod verflossen sind, dringend erheischt hat.




Wochenbericht.
Politische Broschüren.

-- Die orientalische Frage, die voraussichtlich
mit vielem Bestehenden reinen Tisch machen wird, muß auch auf die Ordnung der
deutschen bundesstaatlichen Verhältnisse einwirken, und es wird das in um so heil¬
samerer Weise geschehen, je sorgfältiger man sein Augenmerk immer auf das Zu-
nächstliegcnde richtet, je weniger man es versucht, der Zukunft vorzuarbeiten. Eine
soeben erschienene Broschüre: Ein Krieg des östreichischen Kaiserstaates
ein deutscher Krieg (Leipzig, Nennnclmann), behandelt die Frage, die für die
Haltung Deutschlands jetzt die entscheidende ist: ob nämlich der deutsche Bund als
ein politisches Ganze nur zu einem Verthcidigungskricg berechtigt sei, oder ob er
auch gleich den übrigen Staaten zu einem gemeinsamen Angriffskriege vorschreiten
könne. Mit unwiderleglicher Gründen weist der Versasser nach, daß in ersterem
Falle Deutschland allmälig seinem Untergänge entgegengehen müsse, weil die voll¬
ständige Entfremdung von den großen weltbewegenden Fragen unmittelbar zu einer
Stagnation des ganzen politischen Lebens führt. Er sucht "ferner nachzuweisen,
durch Interpretation und Analogie, daß auch aus dem gesetzlich festgestellten Bundes-
recht die Nothwendigkeit einer solchen Beschränkung keineswegs hergeleitet werden
kann. Aus alle Fälle bleibt bei der unbestimmten Fassung der Bundesacte darin
etwas Zweifelhaftes, und es wäre im höchsten Grade wünschenswert!), die Gelegen¬
heit zur Feststellung einer staatsrechtlichen Norm zu benutzen, die für Deutschland
eine Lebensfrage ist. Was man von den Verhandlungen Hannovers, Braun-
schweigs und Würtembergs mit Rußland über specifisch deutsche Angelegenheiten


reichs, Deutschlands und der mitteleuropäischen Machtstellung vertreten hat.
Diese männliche Haltung ist es aber, wodurch ihm die Sympathien des östrei¬
chischen Volkes für jede Eventualität gesichert sind und wodurch alle bei dem
jetzigen Weltkampfe betheiligten Mächte, sowol Rußland als die Alliirten und
die Neutralen, sich berechtigt fühlen, mit gleichem Vertrauen in die Offenheit
^ der östreichischen Politik den kommenden Ereignissen entgegenzusehen. Oestreichs
Mittelstellung, so vielseitig verketzert, war bisher durch die Zeit und durch die
geographische Lage nothwendig bedungen. Nur in voller Rüstung und in
voller Klarheit über die letzten Zwecke des Kampfes konnte der Krieg gegen
den bisher befreundeten Nachbarstaat begonnen werden, und nur im wirklichen
Verein, oder mindestens in fester Ideeneinheit mit den übrigen Mächten Mittel¬
europas kann ein solcher Kampf, der den ganzen Continent so gewaltig erschüt-
tern würde, mit dem Anspruch auf richtigen Erfolg zu Ende geführt werden.

Von diesem Standpunkte aus möge man, nach unsrer Ansicht, die bisherige
Politik des östreichischen Ministers beurtheilen und darnach ermessen, ob Graf
Buol der ganze Mann sei, wie ihn Oestreichs Lage in den schweren Jahren,
welche seit Schwarzenbcrgs Tod verflossen sind, dringend erheischt hat.




Wochenbericht.
Politische Broschüren.

— Die orientalische Frage, die voraussichtlich
mit vielem Bestehenden reinen Tisch machen wird, muß auch auf die Ordnung der
deutschen bundesstaatlichen Verhältnisse einwirken, und es wird das in um so heil¬
samerer Weise geschehen, je sorgfältiger man sein Augenmerk immer auf das Zu-
nächstliegcnde richtet, je weniger man es versucht, der Zukunft vorzuarbeiten. Eine
soeben erschienene Broschüre: Ein Krieg des östreichischen Kaiserstaates
ein deutscher Krieg (Leipzig, Nennnclmann), behandelt die Frage, die für die
Haltung Deutschlands jetzt die entscheidende ist: ob nämlich der deutsche Bund als
ein politisches Ganze nur zu einem Verthcidigungskricg berechtigt sei, oder ob er
auch gleich den übrigen Staaten zu einem gemeinsamen Angriffskriege vorschreiten
könne. Mit unwiderleglicher Gründen weist der Versasser nach, daß in ersterem
Falle Deutschland allmälig seinem Untergänge entgegengehen müsse, weil die voll¬
ständige Entfremdung von den großen weltbewegenden Fragen unmittelbar zu einer
Stagnation des ganzen politischen Lebens führt. Er sucht «ferner nachzuweisen,
durch Interpretation und Analogie, daß auch aus dem gesetzlich festgestellten Bundes-
recht die Nothwendigkeit einer solchen Beschränkung keineswegs hergeleitet werden
kann. Aus alle Fälle bleibt bei der unbestimmten Fassung der Bundesacte darin
etwas Zweifelhaftes, und es wäre im höchsten Grade wünschenswert!), die Gelegen¬
heit zur Feststellung einer staatsrechtlichen Norm zu benutzen, die für Deutschland
eine Lebensfrage ist. Was man von den Verhandlungen Hannovers, Braun-
schweigs und Würtembergs mit Rußland über specifisch deutsche Angelegenheiten


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[0437] reichs, Deutschlands und der mitteleuropäischen Machtstellung vertreten hat. Diese männliche Haltung ist es aber, wodurch ihm die Sympathien des östrei¬ chischen Volkes für jede Eventualität gesichert sind und wodurch alle bei dem jetzigen Weltkampfe betheiligten Mächte, sowol Rußland als die Alliirten und die Neutralen, sich berechtigt fühlen, mit gleichem Vertrauen in die Offenheit ^ der östreichischen Politik den kommenden Ereignissen entgegenzusehen. Oestreichs Mittelstellung, so vielseitig verketzert, war bisher durch die Zeit und durch die geographische Lage nothwendig bedungen. Nur in voller Rüstung und in voller Klarheit über die letzten Zwecke des Kampfes konnte der Krieg gegen den bisher befreundeten Nachbarstaat begonnen werden, und nur im wirklichen Verein, oder mindestens in fester Ideeneinheit mit den übrigen Mächten Mittel¬ europas kann ein solcher Kampf, der den ganzen Continent so gewaltig erschüt- tern würde, mit dem Anspruch auf richtigen Erfolg zu Ende geführt werden. Von diesem Standpunkte aus möge man, nach unsrer Ansicht, die bisherige Politik des östreichischen Ministers beurtheilen und darnach ermessen, ob Graf Buol der ganze Mann sei, wie ihn Oestreichs Lage in den schweren Jahren, welche seit Schwarzenbcrgs Tod verflossen sind, dringend erheischt hat. Wochenbericht. Politische Broschüren. — Die orientalische Frage, die voraussichtlich mit vielem Bestehenden reinen Tisch machen wird, muß auch auf die Ordnung der deutschen bundesstaatlichen Verhältnisse einwirken, und es wird das in um so heil¬ samerer Weise geschehen, je sorgfältiger man sein Augenmerk immer auf das Zu- nächstliegcnde richtet, je weniger man es versucht, der Zukunft vorzuarbeiten. Eine soeben erschienene Broschüre: Ein Krieg des östreichischen Kaiserstaates ein deutscher Krieg (Leipzig, Nennnclmann), behandelt die Frage, die für die Haltung Deutschlands jetzt die entscheidende ist: ob nämlich der deutsche Bund als ein politisches Ganze nur zu einem Verthcidigungskricg berechtigt sei, oder ob er auch gleich den übrigen Staaten zu einem gemeinsamen Angriffskriege vorschreiten könne. Mit unwiderleglicher Gründen weist der Versasser nach, daß in ersterem Falle Deutschland allmälig seinem Untergänge entgegengehen müsse, weil die voll¬ ständige Entfremdung von den großen weltbewegenden Fragen unmittelbar zu einer Stagnation des ganzen politischen Lebens führt. Er sucht «ferner nachzuweisen, durch Interpretation und Analogie, daß auch aus dem gesetzlich festgestellten Bundes- recht die Nothwendigkeit einer solchen Beschränkung keineswegs hergeleitet werden kann. Aus alle Fälle bleibt bei der unbestimmten Fassung der Bundesacte darin etwas Zweifelhaftes, und es wäre im höchsten Grade wünschenswert!), die Gelegen¬ heit zur Feststellung einer staatsrechtlichen Norm zu benutzen, die für Deutschland eine Lebensfrage ist. Was man von den Verhandlungen Hannovers, Braun- schweigs und Würtembergs mit Rußland über specifisch deutsche Angelegenheiten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/437>, abgerufen am 06.05.2024.