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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Das ist nicht Poesie, auch nicht poetische, schone Sprache, sondern die
gemeinste hausbackene Prosa, mit Kummer und Noth elend gereimt, welche auch
die kleinen Anfangsbuchstaben der Verse, die ein Patron Wagners als In¬
spiration des mittelalterlichen Geistes Wagnerscher Poesie gepriesen hat, nicht
vor dem Voltaireschen Wort schützen können: o<z <M Lvrait trox sol, pour etrv
alt, on le en-wee.

So steht es um Lohengrin. als dramatisches Gedicht. Fragt man dage¬
gen, ob das Buch als Textbuch um Musik darauf zu machen, angemessen sei,
so wird man anerkennen, daß es eine Anzahl von Situationen darbiete,
welche für musikalische Darstellung dankbar sind, daß für Abwechslung, für Con¬
traste, für ein scenisches Arrangement gesorgt ist, welches mancherlei musika¬
lische Effecte begünstigt. Allein diese Vorzüge beschränken sich auf die allge¬
meine Anordnung, und es ist leicht einzusehen, daß Wagner grade durch die
Anstrengungen, welche er macht, statt eines Textbuches ein Drama zu dichten,
die der Musik günstigen Momente schwächt oder aufhebt: ja, es ist fast ko¬
misch zu sehen, wie fast nur da, wo er, ohne daranzudenken, seinem Vorsatz
untreu wird und den Tert nicht dramatisch, sondern opernhaft behandelt, etwas mu¬
sikalisch zu Stande kommt. In der That hat Wagner den praktischen Beweis
vollständig geliefert, daß sein Paradoxon, Oper und Drama seien identisch
und müssen in einander aufgehen, damit das wahre Kunstwerk entstehe, falsch
sei; denn das musikalische Element und die Prätention des absolut dramatischen
stehen sich einander im Wege und bringen sich gegenseitig zu Fall.

Zunächst wird es nun unsere Aufgabe sein, die musikalische Behandlung
des Textbuches unserer Betrachtung zu unterziehen.




Der asiatische Schauplatz des orientalischen Kriegs.

Die Angaben über die Stärke eines Heeres bleiben todte Zahlen, solange
wir nicht gleichzeitig die Einrichtungen, den Geist und die Körperbeschaffenheit der
Armee, kurz nicht blos den uniformirten Mechanismus, sondern den bewaffneten
Organismus des betreffenden Staates kennen. Wir müssen in dieser Beziehung
auf die Aufsätze der Grenzboten (das Heerwesen der ottomanischen Pforte, Ur. Is.
und. 15. 1833) zurückverweisen, welche heut umso unparteiischer erscheinen, als ihre
Erwartungen vom soldatischen-Geiste und taktischen Vermögen der türkischen Armee
sich vollkommen begründet erweisen, während deren numerische Stärke unerwartet
noch bedeutender auftritt, als sie dort angenommen war. Besonders sind die
unregelmäßigen Truppen (Baschi Bojut) zu einer Höhe gestiegen, welche über¬
raschen muß, selbst wenn man deren geringste Zahl, 174,000 Mann, annimmt.


Das ist nicht Poesie, auch nicht poetische, schone Sprache, sondern die
gemeinste hausbackene Prosa, mit Kummer und Noth elend gereimt, welche auch
die kleinen Anfangsbuchstaben der Verse, die ein Patron Wagners als In¬
spiration des mittelalterlichen Geistes Wagnerscher Poesie gepriesen hat, nicht
vor dem Voltaireschen Wort schützen können: o<z <M Lvrait trox sol, pour etrv
alt, on le en-wee.

So steht es um Lohengrin. als dramatisches Gedicht. Fragt man dage¬
gen, ob das Buch als Textbuch um Musik darauf zu machen, angemessen sei,
so wird man anerkennen, daß es eine Anzahl von Situationen darbiete,
welche für musikalische Darstellung dankbar sind, daß für Abwechslung, für Con¬
traste, für ein scenisches Arrangement gesorgt ist, welches mancherlei musika¬
lische Effecte begünstigt. Allein diese Vorzüge beschränken sich auf die allge¬
meine Anordnung, und es ist leicht einzusehen, daß Wagner grade durch die
Anstrengungen, welche er macht, statt eines Textbuches ein Drama zu dichten,
die der Musik günstigen Momente schwächt oder aufhebt: ja, es ist fast ko¬
misch zu sehen, wie fast nur da, wo er, ohne daranzudenken, seinem Vorsatz
untreu wird und den Tert nicht dramatisch, sondern opernhaft behandelt, etwas mu¬
sikalisch zu Stande kommt. In der That hat Wagner den praktischen Beweis
vollständig geliefert, daß sein Paradoxon, Oper und Drama seien identisch
und müssen in einander aufgehen, damit das wahre Kunstwerk entstehe, falsch
sei; denn das musikalische Element und die Prätention des absolut dramatischen
stehen sich einander im Wege und bringen sich gegenseitig zu Fall.

Zunächst wird es nun unsere Aufgabe sein, die musikalische Behandlung
des Textbuches unserer Betrachtung zu unterziehen.




Der asiatische Schauplatz des orientalischen Kriegs.

Die Angaben über die Stärke eines Heeres bleiben todte Zahlen, solange
wir nicht gleichzeitig die Einrichtungen, den Geist und die Körperbeschaffenheit der
Armee, kurz nicht blos den uniformirten Mechanismus, sondern den bewaffneten
Organismus des betreffenden Staates kennen. Wir müssen in dieser Beziehung
auf die Aufsätze der Grenzboten (das Heerwesen der ottomanischen Pforte, Ur. Is.
und. 15. 1833) zurückverweisen, welche heut umso unparteiischer erscheinen, als ihre
Erwartungen vom soldatischen-Geiste und taktischen Vermögen der türkischen Armee
sich vollkommen begründet erweisen, während deren numerische Stärke unerwartet
noch bedeutender auftritt, als sie dort angenommen war. Besonders sind die
unregelmäßigen Truppen (Baschi Bojut) zu einer Höhe gestiegen, welche über¬
raschen muß, selbst wenn man deren geringste Zahl, 174,000 Mann, annimmt.


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[0108] Das ist nicht Poesie, auch nicht poetische, schone Sprache, sondern die gemeinste hausbackene Prosa, mit Kummer und Noth elend gereimt, welche auch die kleinen Anfangsbuchstaben der Verse, die ein Patron Wagners als In¬ spiration des mittelalterlichen Geistes Wagnerscher Poesie gepriesen hat, nicht vor dem Voltaireschen Wort schützen können: o<z <M Lvrait trox sol, pour etrv alt, on le en-wee. So steht es um Lohengrin. als dramatisches Gedicht. Fragt man dage¬ gen, ob das Buch als Textbuch um Musik darauf zu machen, angemessen sei, so wird man anerkennen, daß es eine Anzahl von Situationen darbiete, welche für musikalische Darstellung dankbar sind, daß für Abwechslung, für Con¬ traste, für ein scenisches Arrangement gesorgt ist, welches mancherlei musika¬ lische Effecte begünstigt. Allein diese Vorzüge beschränken sich auf die allge¬ meine Anordnung, und es ist leicht einzusehen, daß Wagner grade durch die Anstrengungen, welche er macht, statt eines Textbuches ein Drama zu dichten, die der Musik günstigen Momente schwächt oder aufhebt: ja, es ist fast ko¬ misch zu sehen, wie fast nur da, wo er, ohne daranzudenken, seinem Vorsatz untreu wird und den Tert nicht dramatisch, sondern opernhaft behandelt, etwas mu¬ sikalisch zu Stande kommt. In der That hat Wagner den praktischen Beweis vollständig geliefert, daß sein Paradoxon, Oper und Drama seien identisch und müssen in einander aufgehen, damit das wahre Kunstwerk entstehe, falsch sei; denn das musikalische Element und die Prätention des absolut dramatischen stehen sich einander im Wege und bringen sich gegenseitig zu Fall. Zunächst wird es nun unsere Aufgabe sein, die musikalische Behandlung des Textbuches unserer Betrachtung zu unterziehen. Der asiatische Schauplatz des orientalischen Kriegs. Die Angaben über die Stärke eines Heeres bleiben todte Zahlen, solange wir nicht gleichzeitig die Einrichtungen, den Geist und die Körperbeschaffenheit der Armee, kurz nicht blos den uniformirten Mechanismus, sondern den bewaffneten Organismus des betreffenden Staates kennen. Wir müssen in dieser Beziehung auf die Aufsätze der Grenzboten (das Heerwesen der ottomanischen Pforte, Ur. Is. und. 15. 1833) zurückverweisen, welche heut umso unparteiischer erscheinen, als ihre Erwartungen vom soldatischen-Geiste und taktischen Vermögen der türkischen Armee sich vollkommen begründet erweisen, während deren numerische Stärke unerwartet noch bedeutender auftritt, als sie dort angenommen war. Besonders sind die unregelmäßigen Truppen (Baschi Bojut) zu einer Höhe gestiegen, welche über¬ raschen muß, selbst wenn man deren geringste Zahl, 174,000 Mann, annimmt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/108>, abgerufen am 05.05.2024.