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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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welche die schaffende Thätigkeit der oberen Leitung in Anspruch nehmen; mit einem
Worte: Vorbereitungen für das gewaltige Spiel, welches demnächst beginnen soll.
Schon rauscht es in den Falten des Vorhangs und verkündet die nahe Oeffnung
der Scene!




Wochenbericht.

Musikalisches; -- Zweimal in dem Zeitraum von fünf
Monaten hat Kapellmeister Hiller uns Gelegenheit gegeben,, eine Reihe eigner Com-
positionen kennen zu lernen, und uns somit in den Staub gesetzt, ein sichres Urtheil
über deren Kunst und geistigen Gehalt zu bilden. Hillers jetzige Stellung in Köln,
ferner die in der rheinischen, wie auch in der Pariser Presse gesteigerten Lobeserhebungen
aller seiner Productionen, mußten unser musikalisches Publicum aus die Bekanntschaft
mit mehren dieser Werke spannen, denn seit der vor vielen Jahren stattgehabten Auf¬
führung seines Oratoriums "die Zerstörung von Babylon" hat die Vaterstadt dieses
Komponisten nicht wieder ein größeres Werk von ihm zu hören bekommen. Die erste
Gelegenheit verschaffte uns Herr Hiller in einer Soiree am 29. September im Hause
Mozart. Noch hatten wir uns sammt und sonders von dem unerquicklichen Eindrucke
jener Productionen nicht erholt, noch fragten wir uns gegenseitig, ob das vorgetragene
our "ppAssionslo für Pianoforte und Violine nebst einem ^rio der historischen, oder nicht
vielmehr der modernsten Schule angehöre, als.wir schon durch eine wohlbekannte Feder
in der Kölnischen Zeitung benachrichtigt wurden von dem immensen Beifall, den diese
"Poesien" in der Versammlung gefunden, und von dem tiefen Eindruck, den sie zurück¬
gelassen, beides -- gelind ausgedrückt -- nicht wahrheitsgetreu in Bezug auf die ge¬
nannten Werke und die "freie Phantasie." Auf den den sogenannten "Ghaselen und
rhythmischen Studien" wirklich gewordenen Beifall wird der Componist selbst nicht stolz
sein, da er Kleinigkeiten dieser Art nach ihrem Kunstwerth zu taxiren versteht.

In der großen Anzahl hier wirkender Musiker befindet sich nicht einer, der sich der
ncuromantischen Schule zugewendet hätte; allein jedes Kunsterzeugniß, das aus Aner¬
kennung gerechten Anspruch-mache" darf, wird hier mit Achtung aufgenommen. Dies
bezeugt die Würdigung verschiedener früherer Werke von Schumann, Gabe u. A.
Diesem Umstande zu allernächst, zu dem aber auch die bestehenden Gesang- und Jnstru-
mentalvereine wesentlich beitragen, verdankt es unser Publicum, daß ihm im ganzen ein
gesundes Urtheil über alles Neue verblieben ist, so sehr auch die Localblätter -- mit
rühmenswerthcr Ausnahme des Conversationsblattcs -- mit den Tagesneuigkeiten jeder
Art bald in diplomatischen Windungen, bald offen liebäugeln und sich im eignen und
fremden Interesse herablassen, das Urtheil der Masse in die Irre zu führen. An der
Gesinnung der Musiklehrer und musikalischen Körperschaften ist aber noch jedes solche
Bemühen zu nichte geworden und ohne besondere üble 'Nachwirkung geblieben, vornehm¬
lich, wenn es sich um Werke und Leistungen im Concertsaale gehandelt hat. Seite"
jedoch hat sich die allgemeine Festigkeit in Beurtheilung vorgeführter Werke in dem
Grade erwiesen, als im Museum am 3. d., in welcher Hiller -- wiederum in¬
mitten einer großen Anzahl stammverwandter Zuhörer wie in der Soiree vom 29. sey<


welche die schaffende Thätigkeit der oberen Leitung in Anspruch nehmen; mit einem
Worte: Vorbereitungen für das gewaltige Spiel, welches demnächst beginnen soll.
Schon rauscht es in den Falten des Vorhangs und verkündet die nahe Oeffnung
der Scene!




Wochenbericht.

Musikalisches; — Zweimal in dem Zeitraum von fünf
Monaten hat Kapellmeister Hiller uns Gelegenheit gegeben,, eine Reihe eigner Com-
positionen kennen zu lernen, und uns somit in den Staub gesetzt, ein sichres Urtheil
über deren Kunst und geistigen Gehalt zu bilden. Hillers jetzige Stellung in Köln,
ferner die in der rheinischen, wie auch in der Pariser Presse gesteigerten Lobeserhebungen
aller seiner Productionen, mußten unser musikalisches Publicum aus die Bekanntschaft
mit mehren dieser Werke spannen, denn seit der vor vielen Jahren stattgehabten Auf¬
führung seines Oratoriums „die Zerstörung von Babylon" hat die Vaterstadt dieses
Komponisten nicht wieder ein größeres Werk von ihm zu hören bekommen. Die erste
Gelegenheit verschaffte uns Herr Hiller in einer Soiree am 29. September im Hause
Mozart. Noch hatten wir uns sammt und sonders von dem unerquicklichen Eindrucke
jener Productionen nicht erholt, noch fragten wir uns gegenseitig, ob das vorgetragene
our »ppAssionslo für Pianoforte und Violine nebst einem ^rio der historischen, oder nicht
vielmehr der modernsten Schule angehöre, als.wir schon durch eine wohlbekannte Feder
in der Kölnischen Zeitung benachrichtigt wurden von dem immensen Beifall, den diese
„Poesien" in der Versammlung gefunden, und von dem tiefen Eindruck, den sie zurück¬
gelassen, beides — gelind ausgedrückt — nicht wahrheitsgetreu in Bezug auf die ge¬
nannten Werke und die „freie Phantasie." Auf den den sogenannten „Ghaselen und
rhythmischen Studien" wirklich gewordenen Beifall wird der Componist selbst nicht stolz
sein, da er Kleinigkeiten dieser Art nach ihrem Kunstwerth zu taxiren versteht.

In der großen Anzahl hier wirkender Musiker befindet sich nicht einer, der sich der
ncuromantischen Schule zugewendet hätte; allein jedes Kunsterzeugniß, das aus Aner¬
kennung gerechten Anspruch-mache» darf, wird hier mit Achtung aufgenommen. Dies
bezeugt die Würdigung verschiedener früherer Werke von Schumann, Gabe u. A.
Diesem Umstande zu allernächst, zu dem aber auch die bestehenden Gesang- und Jnstru-
mentalvereine wesentlich beitragen, verdankt es unser Publicum, daß ihm im ganzen ein
gesundes Urtheil über alles Neue verblieben ist, so sehr auch die Localblätter — mit
rühmenswerthcr Ausnahme des Conversationsblattcs — mit den Tagesneuigkeiten jeder
Art bald in diplomatischen Windungen, bald offen liebäugeln und sich im eignen und
fremden Interesse herablassen, das Urtheil der Masse in die Irre zu führen. An der
Gesinnung der Musiklehrer und musikalischen Körperschaften ist aber noch jedes solche
Bemühen zu nichte geworden und ohne besondere üble 'Nachwirkung geblieben, vornehm¬
lich, wenn es sich um Werke und Leistungen im Concertsaale gehandelt hat. Seite»
jedoch hat sich die allgemeine Festigkeit in Beurtheilung vorgeführter Werke in dem
Grade erwiesen, als im Museum am 3. d., in welcher Hiller — wiederum in¬
mitten einer großen Anzahl stammverwandter Zuhörer wie in der Soiree vom 29. sey<


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/518>, abgerufen am 04.05.2024.