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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Mißtraue" gege" den festen Bestand des englisch-französischen Bündnisses laut
werden zu lassen. Ich bin nicht veranlaßt, für die eine oder die andere Seite
PtMei z" nehmen, muß Ihnen aber gestehen, daß nur bis jetzt noch keine That¬
sache vorgekommen ist, die auch "ur den Beweis für das Bestehe" einer esscctiven
Abneigung zwischen de" Offizieren beider Nationen lieferte. Die Gesandten Frank¬
reichs und Englands vermeiden freilich einander gegenseitig und stechen in keiner
Hinsicht ans cordialen Fuß; das sind aber Persönlichkeiten "ut dies Verhältniß
hat keinen, ich glaube behaupten zu dürfen nicht den mindesten Einfluß auf den
Gang der Politik.

Vom Kriegstheater an der Donau fehlen nunmehr schon seit beinahe zwei
Monate" alle Nachrichten von irgend welchem Belang. Man weiß hier aus
deutschen Blättern, daß General Schilder nach längerem Verweile" vor Kalafat,
sich "ach Olteintza begeben hat. Der Zweck seiner Mission wird verschiedentlich
angegeben und gedeutet. Ich habe mir darüber meine eigne Meinung gebildet,
die ich hier Ihre" Leser" vorlege" will.. Wie ich die Dinge ansehe, so stehe"
Generals Schilder Aufträge mit der Besorg"iß in Verbindung, die Türke"
möchten -ans einem der beiden für den Uebergang von diesseits her güustigst
gelegenen Punkten: Tnrtvkan (Oltcmtza) oder Widdin (Kalafat) .in Masse
übergehen, in" bei einer Vorwärtsbewcg""g der russischen Armee quer über
die Donau gegen Bnlgarie", derselbe" von der Walachei her, ans ihre Ver¬
bindungslinie zu fallen, respective ihre Basis am Prrih alteriren. Um einem
solchen Coup zu begegnen, will man der Circumvallatio" von Kalafat eine rus¬
sische Contravallatio", die mit mäßige" Kräfte" z" vertheidigen ist, entgegenstellen,
wodurch entweder gewonnen werden kann, daß man osmanischerseitö ans einen
Strvmübergang an dieser Stelle ganz verzichtet, oder "ach vollzogenen Defilie
beim Angriff gegen die moskowitische" Verschanzungen scheitert, oder endlich dabei
doch so viel Zeit verliert, daß inzwischen von den Russen Gegenmaßregeln ge¬
troffen werden könnte". Was von Kalasat gilt, wird aber anch von Oltenitza
gelten können, mit dem einzigen Unterschiede, daß man hier leichtere Arbeit hat,
indem die Türken ihre Position ans dem linken Ufer daselbst bereits im vergan¬
genen Jahre aufgegeben haben.

Erst wenn diese beiden Verschanzimgöprojecte, an deren Ausführung man
eben jetzt eifrig arbeitet, völlig ins Werk gesetzt sein werden, wird man ernste Ver¬
suche des russische" Oberbefehlshabers, die Do"an zu überschreiten, gewärtigen
dürfen. Ob sie gelingen, werden? Man ka"" über eine Frage der Art nicht
gradezu aburtheilen. Nicht alles hängt dabei vo" der Berechnung und der grö¬
ßeren oder geringeren Güte der Mittel für den Zweck ab. Der Zufall hat dabei
im Gegentheil ein weites Feld "ut er kan" seine Würfel möglicherweise für diese
oder jene Seite fallen lassen.

So siud es den" gegenwärtig aus beide" Seiten große Jugenieurarbeitc",


Mißtraue» gege» den festen Bestand des englisch-französischen Bündnisses laut
werden zu lassen. Ich bin nicht veranlaßt, für die eine oder die andere Seite
PtMei z» nehmen, muß Ihnen aber gestehen, daß nur bis jetzt noch keine That¬
sache vorgekommen ist, die auch »ur den Beweis für das Bestehe» einer esscctiven
Abneigung zwischen de» Offizieren beider Nationen lieferte. Die Gesandten Frank¬
reichs und Englands vermeiden freilich einander gegenseitig und stechen in keiner
Hinsicht ans cordialen Fuß; das sind aber Persönlichkeiten »ut dies Verhältniß
hat keinen, ich glaube behaupten zu dürfen nicht den mindesten Einfluß auf den
Gang der Politik.

Vom Kriegstheater an der Donau fehlen nunmehr schon seit beinahe zwei
Monate» alle Nachrichten von irgend welchem Belang. Man weiß hier aus
deutschen Blättern, daß General Schilder nach längerem Verweile» vor Kalafat,
sich »ach Olteintza begeben hat. Der Zweck seiner Mission wird verschiedentlich
angegeben und gedeutet. Ich habe mir darüber meine eigne Meinung gebildet,
die ich hier Ihre» Leser» vorlege» will.. Wie ich die Dinge ansehe, so stehe»
Generals Schilder Aufträge mit der Besorg»iß in Verbindung, die Türke»
möchten -ans einem der beiden für den Uebergang von diesseits her güustigst
gelegenen Punkten: Tnrtvkan (Oltcmtza) oder Widdin (Kalafat) .in Masse
übergehen, in» bei einer Vorwärtsbewcg»»g der russischen Armee quer über
die Donau gegen Bnlgarie», derselbe» von der Walachei her, ans ihre Ver¬
bindungslinie zu fallen, respective ihre Basis am Prrih alteriren. Um einem
solchen Coup zu begegnen, will man der Circumvallatio» von Kalafat eine rus¬
sische Contravallatio», die mit mäßige» Kräfte» z» vertheidigen ist, entgegenstellen,
wodurch entweder gewonnen werden kann, daß man osmanischerseitö ans einen
Strvmübergang an dieser Stelle ganz verzichtet, oder »ach vollzogenen Defilie
beim Angriff gegen die moskowitische» Verschanzungen scheitert, oder endlich dabei
doch so viel Zeit verliert, daß inzwischen von den Russen Gegenmaßregeln ge¬
troffen werden könnte». Was von Kalasat gilt, wird aber anch von Oltenitza
gelten können, mit dem einzigen Unterschiede, daß man hier leichtere Arbeit hat,
indem die Türken ihre Position ans dem linken Ufer daselbst bereits im vergan¬
genen Jahre aufgegeben haben.

Erst wenn diese beiden Verschanzimgöprojecte, an deren Ausführung man
eben jetzt eifrig arbeitet, völlig ins Werk gesetzt sein werden, wird man ernste Ver¬
suche des russische» Oberbefehlshabers, die Do»an zu überschreiten, gewärtigen
dürfen. Ob sie gelingen, werden? Man ka»» über eine Frage der Art nicht
gradezu aburtheilen. Nicht alles hängt dabei vo» der Berechnung und der grö¬
ßeren oder geringeren Güte der Mittel für den Zweck ab. Der Zufall hat dabei
im Gegentheil ein weites Feld »ut er kan» seine Würfel möglicherweise für diese
oder jene Seite fallen lassen.

So siud es den» gegenwärtig aus beide» Seiten große Jugenieurarbeitc»,


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[0517] Mißtraue» gege» den festen Bestand des englisch-französischen Bündnisses laut werden zu lassen. Ich bin nicht veranlaßt, für die eine oder die andere Seite PtMei z» nehmen, muß Ihnen aber gestehen, daß nur bis jetzt noch keine That¬ sache vorgekommen ist, die auch »ur den Beweis für das Bestehe» einer esscctiven Abneigung zwischen de» Offizieren beider Nationen lieferte. Die Gesandten Frank¬ reichs und Englands vermeiden freilich einander gegenseitig und stechen in keiner Hinsicht ans cordialen Fuß; das sind aber Persönlichkeiten »ut dies Verhältniß hat keinen, ich glaube behaupten zu dürfen nicht den mindesten Einfluß auf den Gang der Politik. Vom Kriegstheater an der Donau fehlen nunmehr schon seit beinahe zwei Monate» alle Nachrichten von irgend welchem Belang. Man weiß hier aus deutschen Blättern, daß General Schilder nach längerem Verweile» vor Kalafat, sich »ach Olteintza begeben hat. Der Zweck seiner Mission wird verschiedentlich angegeben und gedeutet. Ich habe mir darüber meine eigne Meinung gebildet, die ich hier Ihre» Leser» vorlege» will.. Wie ich die Dinge ansehe, so stehe» Generals Schilder Aufträge mit der Besorg»iß in Verbindung, die Türke» möchten -ans einem der beiden für den Uebergang von diesseits her güustigst gelegenen Punkten: Tnrtvkan (Oltcmtza) oder Widdin (Kalafat) .in Masse übergehen, in» bei einer Vorwärtsbewcg»»g der russischen Armee quer über die Donau gegen Bnlgarie», derselbe» von der Walachei her, ans ihre Ver¬ bindungslinie zu fallen, respective ihre Basis am Prrih alteriren. Um einem solchen Coup zu begegnen, will man der Circumvallatio» von Kalafat eine rus¬ sische Contravallatio», die mit mäßige» Kräfte» z» vertheidigen ist, entgegenstellen, wodurch entweder gewonnen werden kann, daß man osmanischerseitö ans einen Strvmübergang an dieser Stelle ganz verzichtet, oder »ach vollzogenen Defilie beim Angriff gegen die moskowitische» Verschanzungen scheitert, oder endlich dabei doch so viel Zeit verliert, daß inzwischen von den Russen Gegenmaßregeln ge¬ troffen werden könnte». Was von Kalasat gilt, wird aber anch von Oltenitza gelten können, mit dem einzigen Unterschiede, daß man hier leichtere Arbeit hat, indem die Türken ihre Position ans dem linken Ufer daselbst bereits im vergan¬ genen Jahre aufgegeben haben. Erst wenn diese beiden Verschanzimgöprojecte, an deren Ausführung man eben jetzt eifrig arbeitet, völlig ins Werk gesetzt sein werden, wird man ernste Ver¬ suche des russische» Oberbefehlshabers, die Do»an zu überschreiten, gewärtigen dürfen. Ob sie gelingen, werden? Man ka»» über eine Frage der Art nicht gradezu aburtheilen. Nicht alles hängt dabei vo» der Berechnung und der grö¬ ßeren oder geringeren Güte der Mittel für den Zweck ab. Der Zufall hat dabei im Gegentheil ein weites Feld »ut er kan» seine Würfel möglicherweise für diese oder jene Seite fallen lassen. So siud es den» gegenwärtig aus beide» Seiten große Jugenieurarbeitc»,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/517>, abgerufen am 24.05.2024.