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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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lands gegen Serbien, keineswegs aber hinsichtlich der großen strategischen Dimen¬
sionen des Kriegsraumes von Wichtigkeit ist.

Es war daher bei dem seitherigen Kampfe im vollsten Sinne das feindliche, ,
drohende Gegenüber des Krieges vorhanden, aber ohne Zusammenstoße, in
denen die Kriegsthätigkeit ihren eigentlichen Mittel- und Lebenspnnkt hat. Von
dem Augenblicke des russischen Ueberganges an sind aber letztere nicht nur wahr¬
scheinlich, sie sind unvermeidlich geworden.. Schon rollen die ehernen Würfel
im Becher des Verhängnisses. Vielleicht daß sie zum ersten Male schon gefallen
sind, bevor diese Zeilen ihre Bestimmung erreichen.

Die Verhältnisse, unter denen der Uebergang stattfand, waren kurz folgende.
Die Russen hatten auf zwei Punkten, zwischen Galatsch und Matschiu einerseits
und andrerseits zwischen jener Stadt und Tuldscha, gegenüber von Jsaktschi,, Cou-
centrirungen ausgeführt, von denen Omer Pascha, durch seine Kundschafter dies¬
mal nur schlecht bedient, nichts ahnete, oder denen er mindestens doch den Zweck
nicht unterlegte, welchen sie wirklich hatten. Im Gegentheil scheint der osmanische
Oberfeldherr um dieselbe Zeit den linken Flügel seiner Stellung längs der Donau,
im Gegensatz zum rechten für bedroht gehalten und demgemäß eine Verstärkung
desselben in dem Augenblick vorgenommen zu haben, wo die aus dem anderen
Ende 'der Fronte rnssischerseits gemachten Vorkehrungen zum Uebergange bereits
vollendet waren; ja es circulirt hier ein Gerücht, dem zufolge Omer Pascha vor
neun Tagen mit 30,000 Mann aus der Umgegend von Schumla nach Kalasat
aufgebrochen wäre.

Den Russen standen zur Zeit des Ueberganges in der Dobrudscha 20,000 Mann
Türken unter Haut Pascha gegenüber. Es ist das ein kleiner, untersetzter
Mann, seinem Aeußern nach dem in Schleswig während des Jahres -1849 com-
mandirenden preußischen General von Prittwitz vergleichbar; nicht ohne Geschick
für, den Krieg, wenn auch sicherlich ohne System, ohne klare, geläuterte Grundsätze
und im besonderen wenig von seinen. Untergebenen unterstützt. Von ihm kommt
der Courier, welcher die Details rücksichtlich des Ueberganges überbrachte. Es
waren zur Zeit, als er abging, erst -13,000 Mann passirt, man rechnete aber
darauf, bis gegen 8S,000 Manu gegen sich zu habe", im Widerspruch mit welcher
Behauptung man eben in der englischen Gesandtschaftskanzlei versichert, daß es
nur das dritte JufautcriecorpS (Osten Sacken) sei, welches überging. Die Tür¬
ken behaupten, daß die Operation den Russen außerordentliche Opfer kostete und
ihr Verlust demjenigen, den sie jüngst bei Turtokau (Oltenitza) im zweiten dor¬
tigen Gefecht erlitten, gleichkomme.

Es entsteht hier zunächst die Frage, welche Motive dem russische" Uebergange
unterliegen; ob sie damit nnr ihre durch manche vorausgegangene Ereignisse com-
Promittirte Wasseuehre retablireu, also in diesem Falle, nach Führung eines ener-


Grciizboteu. II. -ILöi. 47

lands gegen Serbien, keineswegs aber hinsichtlich der großen strategischen Dimen¬
sionen des Kriegsraumes von Wichtigkeit ist.

Es war daher bei dem seitherigen Kampfe im vollsten Sinne das feindliche, ,
drohende Gegenüber des Krieges vorhanden, aber ohne Zusammenstoße, in
denen die Kriegsthätigkeit ihren eigentlichen Mittel- und Lebenspnnkt hat. Von
dem Augenblicke des russischen Ueberganges an sind aber letztere nicht nur wahr¬
scheinlich, sie sind unvermeidlich geworden.. Schon rollen die ehernen Würfel
im Becher des Verhängnisses. Vielleicht daß sie zum ersten Male schon gefallen
sind, bevor diese Zeilen ihre Bestimmung erreichen.

Die Verhältnisse, unter denen der Uebergang stattfand, waren kurz folgende.
Die Russen hatten auf zwei Punkten, zwischen Galatsch und Matschiu einerseits
und andrerseits zwischen jener Stadt und Tuldscha, gegenüber von Jsaktschi,, Cou-
centrirungen ausgeführt, von denen Omer Pascha, durch seine Kundschafter dies¬
mal nur schlecht bedient, nichts ahnete, oder denen er mindestens doch den Zweck
nicht unterlegte, welchen sie wirklich hatten. Im Gegentheil scheint der osmanische
Oberfeldherr um dieselbe Zeit den linken Flügel seiner Stellung längs der Donau,
im Gegensatz zum rechten für bedroht gehalten und demgemäß eine Verstärkung
desselben in dem Augenblick vorgenommen zu haben, wo die aus dem anderen
Ende 'der Fronte rnssischerseits gemachten Vorkehrungen zum Uebergange bereits
vollendet waren; ja es circulirt hier ein Gerücht, dem zufolge Omer Pascha vor
neun Tagen mit 30,000 Mann aus der Umgegend von Schumla nach Kalasat
aufgebrochen wäre.

Den Russen standen zur Zeit des Ueberganges in der Dobrudscha 20,000 Mann
Türken unter Haut Pascha gegenüber. Es ist das ein kleiner, untersetzter
Mann, seinem Aeußern nach dem in Schleswig während des Jahres -1849 com-
mandirenden preußischen General von Prittwitz vergleichbar; nicht ohne Geschick
für, den Krieg, wenn auch sicherlich ohne System, ohne klare, geläuterte Grundsätze
und im besonderen wenig von seinen. Untergebenen unterstützt. Von ihm kommt
der Courier, welcher die Details rücksichtlich des Ueberganges überbrachte. Es
waren zur Zeit, als er abging, erst -13,000 Mann passirt, man rechnete aber
darauf, bis gegen 8S,000 Manu gegen sich zu habe», im Widerspruch mit welcher
Behauptung man eben in der englischen Gesandtschaftskanzlei versichert, daß es
nur das dritte JufautcriecorpS (Osten Sacken) sei, welches überging. Die Tür¬
ken behaupten, daß die Operation den Russen außerordentliche Opfer kostete und
ihr Verlust demjenigen, den sie jüngst bei Turtokau (Oltenitza) im zweiten dor¬
tigen Gefecht erlitten, gleichkomme.

Es entsteht hier zunächst die Frage, welche Motive dem russische» Uebergange
unterliegen; ob sie damit nnr ihre durch manche vorausgegangene Ereignisse com-
Promittirte Wasseuehre retablireu, also in diesem Falle, nach Führung eines ener-


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[0137] lands gegen Serbien, keineswegs aber hinsichtlich der großen strategischen Dimen¬ sionen des Kriegsraumes von Wichtigkeit ist. Es war daher bei dem seitherigen Kampfe im vollsten Sinne das feindliche, , drohende Gegenüber des Krieges vorhanden, aber ohne Zusammenstoße, in denen die Kriegsthätigkeit ihren eigentlichen Mittel- und Lebenspnnkt hat. Von dem Augenblicke des russischen Ueberganges an sind aber letztere nicht nur wahr¬ scheinlich, sie sind unvermeidlich geworden.. Schon rollen die ehernen Würfel im Becher des Verhängnisses. Vielleicht daß sie zum ersten Male schon gefallen sind, bevor diese Zeilen ihre Bestimmung erreichen. Die Verhältnisse, unter denen der Uebergang stattfand, waren kurz folgende. Die Russen hatten auf zwei Punkten, zwischen Galatsch und Matschiu einerseits und andrerseits zwischen jener Stadt und Tuldscha, gegenüber von Jsaktschi,, Cou- centrirungen ausgeführt, von denen Omer Pascha, durch seine Kundschafter dies¬ mal nur schlecht bedient, nichts ahnete, oder denen er mindestens doch den Zweck nicht unterlegte, welchen sie wirklich hatten. Im Gegentheil scheint der osmanische Oberfeldherr um dieselbe Zeit den linken Flügel seiner Stellung längs der Donau, im Gegensatz zum rechten für bedroht gehalten und demgemäß eine Verstärkung desselben in dem Augenblick vorgenommen zu haben, wo die aus dem anderen Ende 'der Fronte rnssischerseits gemachten Vorkehrungen zum Uebergange bereits vollendet waren; ja es circulirt hier ein Gerücht, dem zufolge Omer Pascha vor neun Tagen mit 30,000 Mann aus der Umgegend von Schumla nach Kalasat aufgebrochen wäre. Den Russen standen zur Zeit des Ueberganges in der Dobrudscha 20,000 Mann Türken unter Haut Pascha gegenüber. Es ist das ein kleiner, untersetzter Mann, seinem Aeußern nach dem in Schleswig während des Jahres -1849 com- mandirenden preußischen General von Prittwitz vergleichbar; nicht ohne Geschick für, den Krieg, wenn auch sicherlich ohne System, ohne klare, geläuterte Grundsätze und im besonderen wenig von seinen. Untergebenen unterstützt. Von ihm kommt der Courier, welcher die Details rücksichtlich des Ueberganges überbrachte. Es waren zur Zeit, als er abging, erst -13,000 Mann passirt, man rechnete aber darauf, bis gegen 8S,000 Manu gegen sich zu habe», im Widerspruch mit welcher Behauptung man eben in der englischen Gesandtschaftskanzlei versichert, daß es nur das dritte JufautcriecorpS (Osten Sacken) sei, welches überging. Die Tür¬ ken behaupten, daß die Operation den Russen außerordentliche Opfer kostete und ihr Verlust demjenigen, den sie jüngst bei Turtokau (Oltenitza) im zweiten dor¬ tigen Gefecht erlitten, gleichkomme. Es entsteht hier zunächst die Frage, welche Motive dem russische» Uebergange unterliegen; ob sie damit nnr ihre durch manche vorausgegangene Ereignisse com- Promittirte Wasseuehre retablireu, also in diesem Falle, nach Führung eines ener- Grciizboteu. II. -ILöi. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/136>, abgerufen am 07.05.2024.