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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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den die schnellere Verbindungslinie, d. h. eine wegsamere oder kürzere Basis sich
befindet. '

Letzteres trifft in dem in Rede stehenden, concrete" Fall zu. Während der
durch die englisch-französische Seemacht von der Beschiffung des schwarzen Meeres
ausgeschlossene Geguer rücksichtlich der Verbindung seiner in Europa und Asien
operireuden Truppen auf den weite" Landweg, die Gestade des Euxin entlang,
welcher für Truppen "ut Material drei bis fünf Monate beansprucht, angewiesen
ist, durchfliegen die verbündeten Flotten denselben Raum, von den Mündungen
der Donau bis Batna, in weniger als fünf Tagen; d. h. der Feind befindet sich
der Allianz gegenüber in einer Gebundenheit, Isolirtheit und Ohnmacht, die fei¬
nen beiden Armeen am Kaukasus und in der Walachei oder Bulgarei kaum die
Vortheile cooperircnder Heerestheile gestattet, sondern beide Theile in die sehr
precäre Stellung vereinzelter Massen bringt. Bei solcher Bewandtniß der Dinge
nur eine und zumal uur die stärkere angreifen zu wollen, wäre das Uebermaß
von Kurzsichtigkeit. Mau darf daher mit Zuversicht darauf rechnen, daß die Ope¬
rationen der verbündeten Westmächte sich nicht blos auf das Donautheater be¬
schränken, sondern auch über die kaukasischen Länder ausdehnen werden, und letz¬
teres um so mehr, als hier die Stellung der Russen bei weitem am'nnhaltbarsteu
und schon jetzt, wo noch kein englischer und französischer Soldat sein Gewehr gegen
sie abgeschossen, äußerst bedroht geworden ist.

Man hat in öffentlichen Blättern schon früher diesen Verhältnissen Rechnung
getragen und infolge dessen die Behauptung aufgestellt, daß die englischen Streit-
kräfte das Kriegstheater von Anadoli und die französischen das an der Donau
angewiesen erhalten würde". Die Grundlagen dieser Muthmaßungen waren offen¬
bar nur speculativer, nicht thatsächlicher Natur; nachdem man weiß, daß die eng¬
lische Armee des Orients sich auf 27,000 Manu und die französische, so weit aus
den Mittheilungen, die der Moniteur darüber machte, aus uicht viel mehr als
36,000 Mann bestehen wird, erscheint es ziemlich unwahrscheinlich, daß man die
Machtvertheilnng auf beiden Kriegötheatern in so unverhältnißmäßiger Weise be¬
werkstelligen, d. h. den russischen Operationscorps in Asten, die 20,000 Mann
wol nicht übersteigen, 27,000 englischer Kerutruppeu und dagegen der ganzen
russischem Donanarmee von anderthalbhundert bis zweimalhunderttausend Mann
nur 3-3,000 Franzosen entgegenstellen wird. Es liegt auf der Hand, daß im Kau-
kasus zwei Divisionen von je 8000 Manu ausreichen werden, wonach, wen" dort nur
Engländer fechten sollen, eine oder zwei weitere englische Divisionen für die große
Armee an der Donau disponibel sind. Allein es scheint mir kein Gruiid vor¬
zuliegen, die Kricgsthätigkeit in Asien nur einer Nationalität von beiden vorzu¬
behalten, wogegen viele Motive vorhanden sind', welche für die Aufstellung einer
gemischten Armee ans jenem Theater sprechen. Ans den seitherigen Maßregeln
der Westcabinete, im besonderen ans den ans die Zusammensetzung der Flotten


den die schnellere Verbindungslinie, d. h. eine wegsamere oder kürzere Basis sich
befindet. '

Letzteres trifft in dem in Rede stehenden, concrete» Fall zu. Während der
durch die englisch-französische Seemacht von der Beschiffung des schwarzen Meeres
ausgeschlossene Geguer rücksichtlich der Verbindung seiner in Europa und Asien
operireuden Truppen auf den weite» Landweg, die Gestade des Euxin entlang,
welcher für Truppen »ut Material drei bis fünf Monate beansprucht, angewiesen
ist, durchfliegen die verbündeten Flotten denselben Raum, von den Mündungen
der Donau bis Batna, in weniger als fünf Tagen; d. h. der Feind befindet sich
der Allianz gegenüber in einer Gebundenheit, Isolirtheit und Ohnmacht, die fei¬
nen beiden Armeen am Kaukasus und in der Walachei oder Bulgarei kaum die
Vortheile cooperircnder Heerestheile gestattet, sondern beide Theile in die sehr
precäre Stellung vereinzelter Massen bringt. Bei solcher Bewandtniß der Dinge
nur eine und zumal uur die stärkere angreifen zu wollen, wäre das Uebermaß
von Kurzsichtigkeit. Mau darf daher mit Zuversicht darauf rechnen, daß die Ope¬
rationen der verbündeten Westmächte sich nicht blos auf das Donautheater be¬
schränken, sondern auch über die kaukasischen Länder ausdehnen werden, und letz¬
teres um so mehr, als hier die Stellung der Russen bei weitem am'nnhaltbarsteu
und schon jetzt, wo noch kein englischer und französischer Soldat sein Gewehr gegen
sie abgeschossen, äußerst bedroht geworden ist.

Man hat in öffentlichen Blättern schon früher diesen Verhältnissen Rechnung
getragen und infolge dessen die Behauptung aufgestellt, daß die englischen Streit-
kräfte das Kriegstheater von Anadoli und die französischen das an der Donau
angewiesen erhalten würde». Die Grundlagen dieser Muthmaßungen waren offen¬
bar nur speculativer, nicht thatsächlicher Natur; nachdem man weiß, daß die eng¬
lische Armee des Orients sich auf 27,000 Manu und die französische, so weit aus
den Mittheilungen, die der Moniteur darüber machte, aus uicht viel mehr als
36,000 Mann bestehen wird, erscheint es ziemlich unwahrscheinlich, daß man die
Machtvertheilnng auf beiden Kriegötheatern in so unverhältnißmäßiger Weise be¬
werkstelligen, d. h. den russischen Operationscorps in Asten, die 20,000 Mann
wol nicht übersteigen, 27,000 englischer Kerutruppeu und dagegen der ganzen
russischem Donanarmee von anderthalbhundert bis zweimalhunderttausend Mann
nur 3-3,000 Franzosen entgegenstellen wird. Es liegt auf der Hand, daß im Kau-
kasus zwei Divisionen von je 8000 Manu ausreichen werden, wonach, wen» dort nur
Engländer fechten sollen, eine oder zwei weitere englische Divisionen für die große
Armee an der Donau disponibel sind. Allein es scheint mir kein Gruiid vor¬
zuliegen, die Kricgsthätigkeit in Asien nur einer Nationalität von beiden vorzu¬
behalten, wogegen viele Motive vorhanden sind', welche für die Aufstellung einer
gemischten Armee ans jenem Theater sprechen. Ans den seitherigen Maßregeln
der Westcabinete, im besonderen ans den ans die Zusammensetzung der Flotten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/187>, abgerufen am 06.05.2024.