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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Ueb er den muthmaßlichen Operationsplan der britisch
französischen Hilssärmee in der Türkei.
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Es isb über allen Zweifel gewiß, daß rücksichtlich der Operationen der eng¬
lischen und französischen nach dem Orient entsendeten Truppen ein Entwurf be¬
reits feststeht, und nicht ohne Wahrscheinlichkeit darf man annehmen, daß die
darauf Bezug nehmenden Verabredungen schon vor beinahe zwei Monaten in
Paris getroffen wurden. Nichtsdestoweniger dürfte dasjenige, was darüber seit¬
her im Publieum verlautet hat, nur mit Vorsicht und nicht ohne eine strenge Kri¬
tik aufzunehmen sein. So hat man von einer beabsichtigten Landung an der Küste
Albaniens gesprochen, nach welcher Operation es im Werke stände, die combinirte
Armee durch Macedonien und Bulgarien an die Donau zu führe"; offenbar ein
Plan, der schwerlich, weder in London noch in Paris, auch nur den Projecten
beigezählt worden ist, unter denen man die Auswahl freihatte. Denn es leuch-
tet ein, daß dieser Marsch Monate in Anspruch nehmen würde, und wer die Länder
kennt, durch welche er seinen Weg nehmen müßte, weiß mich, daß sich daselbst
äußerst wenig von alle dem findet, dessen ein großes Heer zu seiner Verpflegung
bedarf.

Was sich der Erörterung zunächst aufdrängt, das ist die Untersuchung der
Frage: ob die englischen und französischen Truppen anfein und demselben Kriegs-
theater operiren, ob sie daselbst eine combinirte, unter einem einheitlichen Befehl
stehende Armee formiren, und endlich, iii welches Verhältniß sie zu den türkischen
Streitkräften treten werden; ob sie bestimmt sind, ganz unabhängig von denselben
oder im Einklange mit ihnen zu operiren.

Läge es in der Absicht beider Regierungen, ihre Armeen auf ein und dem¬
selben Kriegstheater operiren zu lassen, so konnte darunter nnr das der Donau,
im weitesten Sinne genommen, verstanden sein. Gegen die russische Stellung im
Kankasus eine Waffenmacht zu vereinigen, die unter allen Umständen bei weitem,
60,000 Mann übersteigen wird, wäre ein ziemlich zweckloses Beginnen. Denn
weder ist von dort ans der Besitzstand der Türkei ernstlich bedroht, noch würde
man daselbst im Stande sein, andrerseits Rußland in einer Weise gefährlich zu
werden, die es, worauf hier alles ankommt, zum Frieden bestimmen müßte. Da¬
gegen fällt in die Angen, daß die Verwendung der gesammten Streitkräfte auf
dem europäischen Kriegsschauplatze ein Fehler gegen die Regeln der höhern Strategie
sein würde; dieselbe lehrt nämlich, den Feind, wo er extreme Angriffspunkte blos¬
gibt, unter alleil Umständen auf jedem zu attakiren, zumal wenn in unsern Hält-


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Ueb er den muthmaßlichen Operationsplan der britisch
französischen Hilssärmee in der Türkei.
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Es isb über allen Zweifel gewiß, daß rücksichtlich der Operationen der eng¬
lischen und französischen nach dem Orient entsendeten Truppen ein Entwurf be¬
reits feststeht, und nicht ohne Wahrscheinlichkeit darf man annehmen, daß die
darauf Bezug nehmenden Verabredungen schon vor beinahe zwei Monaten in
Paris getroffen wurden. Nichtsdestoweniger dürfte dasjenige, was darüber seit¬
her im Publieum verlautet hat, nur mit Vorsicht und nicht ohne eine strenge Kri¬
tik aufzunehmen sein. So hat man von einer beabsichtigten Landung an der Küste
Albaniens gesprochen, nach welcher Operation es im Werke stände, die combinirte
Armee durch Macedonien und Bulgarien an die Donau zu führe»; offenbar ein
Plan, der schwerlich, weder in London noch in Paris, auch nur den Projecten
beigezählt worden ist, unter denen man die Auswahl freihatte. Denn es leuch-
tet ein, daß dieser Marsch Monate in Anspruch nehmen würde, und wer die Länder
kennt, durch welche er seinen Weg nehmen müßte, weiß mich, daß sich daselbst
äußerst wenig von alle dem findet, dessen ein großes Heer zu seiner Verpflegung
bedarf.

Was sich der Erörterung zunächst aufdrängt, das ist die Untersuchung der
Frage: ob die englischen und französischen Truppen anfein und demselben Kriegs-
theater operiren, ob sie daselbst eine combinirte, unter einem einheitlichen Befehl
stehende Armee formiren, und endlich, iii welches Verhältniß sie zu den türkischen
Streitkräften treten werden; ob sie bestimmt sind, ganz unabhängig von denselben
oder im Einklange mit ihnen zu operiren.

Läge es in der Absicht beider Regierungen, ihre Armeen auf ein und dem¬
selben Kriegstheater operiren zu lassen, so konnte darunter nnr das der Donau,
im weitesten Sinne genommen, verstanden sein. Gegen die russische Stellung im
Kankasus eine Waffenmacht zu vereinigen, die unter allen Umständen bei weitem,
60,000 Mann übersteigen wird, wäre ein ziemlich zweckloses Beginnen. Denn
weder ist von dort ans der Besitzstand der Türkei ernstlich bedroht, noch würde
man daselbst im Stande sein, andrerseits Rußland in einer Weise gefährlich zu
werden, die es, worauf hier alles ankommt, zum Frieden bestimmen müßte. Da¬
gegen fällt in die Angen, daß die Verwendung der gesammten Streitkräfte auf
dem europäischen Kriegsschauplatze ein Fehler gegen die Regeln der höhern Strategie
sein würde; dieselbe lehrt nämlich, den Feind, wo er extreme Angriffspunkte blos¬
gibt, unter alleil Umständen auf jedem zu attakiren, zumal wenn in unsern Hält-


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[0187] Ueb er den muthmaßlichen Operationsplan der britisch französischen Hilssärmee in der Türkei. ^ . ^ Es isb über allen Zweifel gewiß, daß rücksichtlich der Operationen der eng¬ lischen und französischen nach dem Orient entsendeten Truppen ein Entwurf be¬ reits feststeht, und nicht ohne Wahrscheinlichkeit darf man annehmen, daß die darauf Bezug nehmenden Verabredungen schon vor beinahe zwei Monaten in Paris getroffen wurden. Nichtsdestoweniger dürfte dasjenige, was darüber seit¬ her im Publieum verlautet hat, nur mit Vorsicht und nicht ohne eine strenge Kri¬ tik aufzunehmen sein. So hat man von einer beabsichtigten Landung an der Küste Albaniens gesprochen, nach welcher Operation es im Werke stände, die combinirte Armee durch Macedonien und Bulgarien an die Donau zu führe»; offenbar ein Plan, der schwerlich, weder in London noch in Paris, auch nur den Projecten beigezählt worden ist, unter denen man die Auswahl freihatte. Denn es leuch- tet ein, daß dieser Marsch Monate in Anspruch nehmen würde, und wer die Länder kennt, durch welche er seinen Weg nehmen müßte, weiß mich, daß sich daselbst äußerst wenig von alle dem findet, dessen ein großes Heer zu seiner Verpflegung bedarf. Was sich der Erörterung zunächst aufdrängt, das ist die Untersuchung der Frage: ob die englischen und französischen Truppen anfein und demselben Kriegs- theater operiren, ob sie daselbst eine combinirte, unter einem einheitlichen Befehl stehende Armee formiren, und endlich, iii welches Verhältniß sie zu den türkischen Streitkräften treten werden; ob sie bestimmt sind, ganz unabhängig von denselben oder im Einklange mit ihnen zu operiren. Läge es in der Absicht beider Regierungen, ihre Armeen auf ein und dem¬ selben Kriegstheater operiren zu lassen, so konnte darunter nnr das der Donau, im weitesten Sinne genommen, verstanden sein. Gegen die russische Stellung im Kankasus eine Waffenmacht zu vereinigen, die unter allen Umständen bei weitem, 60,000 Mann übersteigen wird, wäre ein ziemlich zweckloses Beginnen. Denn weder ist von dort ans der Besitzstand der Türkei ernstlich bedroht, noch würde man daselbst im Stande sein, andrerseits Rußland in einer Weise gefährlich zu werden, die es, worauf hier alles ankommt, zum Frieden bestimmen müßte. Da¬ gegen fällt in die Angen, daß die Verwendung der gesammten Streitkräfte auf dem europäischen Kriegsschauplatze ein Fehler gegen die Regeln der höhern Strategie sein würde; dieselbe lehrt nämlich, den Feind, wo er extreme Angriffspunkte blos¬ gibt, unter alleil Umständen auf jedem zu attakiren, zumal wenn in unsern Hält- 23*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/186>, abgerufen am 19.05.2024.