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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Und als sie drauf begann, stand er gebannt,
Zurückgestoßen, zu ihr hingezogen,
Und in ihm schwebt in sturmbewegten Wogen
Ein Angstgefühl, ihm neu und unbekannt.

Später, als Divmed durch eine plötzliche. Eingebung sich entschlossen hat,
zu ihr zurückzukehren:


, Nun ist des Tempels Fuß erreicht. Es schwingt
Der Jüngling sich hinan, -- aus den Gedanken
Reißt sie's heraus -- sie sieht die Säulen wanken.
Fühlt, wie er mit den Armen sie umschlingt;
Und Plötzlich müde bis ins tiefste Leben
Sinkt sie hinab, und glaubt emporzuschweben,
Welk, wie ein junges Blatt im Soimcnstrahle,
Der es im Frühling traf zum ersten Male.
Er nennt sie schmeichelnd, ruft sie an erschreckt,
Küßt ihre bloße Stirn, küßt ihr die Hände
Angstvoll, als hielten starre Grabeswände
Gefühllos ihre Seele ihm versteckt.
Und Amor sieht's mit mitleidsvollem Lächeln,
Bewegt die Flügel, Kraft ihr zuzufächeln,
Lockt ihr ins Herz zurück den leichten Schlag.
Und zaubert ihre Sinne wieder wach.

DaS ist wahr empfunden und poetisch, dargestellt. Und uoch anmuthsvoller
sind zuweilen die Beschreibungen rein sinnlicher Eindrücke, z. B. von einer
Tänzerin: "Bewegung floß durch ihre zarten Glieder harmonisch wie ein fort--
getragner Klang u. s. w." -- Leider wird dem Leser der Genuß dieser poetischen
Stellen einigermaßen durch die Prosa verkümmert, die sich nur zu häufig vor-'
drängt und die gegen das feierliche Verömaß und gegen die Haltung des Uebrigen
unangenehm absticht. Der Dichter muß strenger in seiner Selbstkritik werden. --


Der T annhäuscr, vou Adolf Franckl. Weimar, Bostan. --

Hier ist im Gegensatz M den vorigen von Composition gar keine Rede.
Der Dichter hat die. Sage vom Tannhäuser, ohne daß man den Grund davon
sähe, in die Breite ausgedehnt, und darüber vergessen, uns den realen Halt der¬
selben, ja auch nur die Stimmung, in der wir sie aufzufassen haben, klar zu
machen. Auch in der Form ist eine große. Unruhe, die jenes behagliche Gefühl
unmöglich macht, das von der echten epischen Dichtung nicht zu trennen ist.. Der
Dichter ist nicht ohne Talent zur Schilderung, aber er ist incorrect und .nicht
selten gezwungen. Wie es scheint, hat Redwitz einen nachtheiligen Einfluß auf
ihn ausgeübt, obgleich dieser Dichter ihm in seiner Weltanschauung diametral
gegenübersteht. -- Das . Gedicht beginnt mit einem nächtlichen Ritt des Helden
in den Wald. Die Mondnacht ist gut geschildert, ungefähr in der Eichendvrffschen


Und als sie drauf begann, stand er gebannt,
Zurückgestoßen, zu ihr hingezogen,
Und in ihm schwebt in sturmbewegten Wogen
Ein Angstgefühl, ihm neu und unbekannt.

Später, als Divmed durch eine plötzliche. Eingebung sich entschlossen hat,
zu ihr zurückzukehren:


, Nun ist des Tempels Fuß erreicht. Es schwingt
Der Jüngling sich hinan, — aus den Gedanken
Reißt sie's heraus — sie sieht die Säulen wanken.
Fühlt, wie er mit den Armen sie umschlingt;
Und Plötzlich müde bis ins tiefste Leben
Sinkt sie hinab, und glaubt emporzuschweben,
Welk, wie ein junges Blatt im Soimcnstrahle,
Der es im Frühling traf zum ersten Male.
Er nennt sie schmeichelnd, ruft sie an erschreckt,
Küßt ihre bloße Stirn, küßt ihr die Hände
Angstvoll, als hielten starre Grabeswände
Gefühllos ihre Seele ihm versteckt.
Und Amor sieht's mit mitleidsvollem Lächeln,
Bewegt die Flügel, Kraft ihr zuzufächeln,
Lockt ihr ins Herz zurück den leichten Schlag.
Und zaubert ihre Sinne wieder wach.

DaS ist wahr empfunden und poetisch, dargestellt. Und uoch anmuthsvoller
sind zuweilen die Beschreibungen rein sinnlicher Eindrücke, z. B. von einer
Tänzerin: „Bewegung floß durch ihre zarten Glieder harmonisch wie ein fort--
getragner Klang u. s. w." — Leider wird dem Leser der Genuß dieser poetischen
Stellen einigermaßen durch die Prosa verkümmert, die sich nur zu häufig vor-'
drängt und die gegen das feierliche Verömaß und gegen die Haltung des Uebrigen
unangenehm absticht. Der Dichter muß strenger in seiner Selbstkritik werden. —


Der T annhäuscr, vou Adolf Franckl. Weimar, Bostan. —

Hier ist im Gegensatz M den vorigen von Composition gar keine Rede.
Der Dichter hat die. Sage vom Tannhäuser, ohne daß man den Grund davon
sähe, in die Breite ausgedehnt, und darüber vergessen, uns den realen Halt der¬
selben, ja auch nur die Stimmung, in der wir sie aufzufassen haben, klar zu
machen. Auch in der Form ist eine große. Unruhe, die jenes behagliche Gefühl
unmöglich macht, das von der echten epischen Dichtung nicht zu trennen ist.. Der
Dichter ist nicht ohne Talent zur Schilderung, aber er ist incorrect und .nicht
selten gezwungen. Wie es scheint, hat Redwitz einen nachtheiligen Einfluß auf
ihn ausgeübt, obgleich dieser Dichter ihm in seiner Weltanschauung diametral
gegenübersteht. — Das . Gedicht beginnt mit einem nächtlichen Ritt des Helden
in den Wald. Die Mondnacht ist gut geschildert, ungefähr in der Eichendvrffschen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/223>, abgerufen am 06.05.2024.