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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Inhalt. Dagegen sind unter den kleinern Bildern viele ganz reizend ausgemalt,
und der Uebersetzer, dessen Talent bereits allgemein anerkannt ist, hat es so. gut
verstanden, mit Beibehaltung von Farbe und Stimmung sie zu germanisiren,
daß wir sie als einen bleibenden .Gewinn unsrer Poesie begrüßen können. ^
Die ganze Sammlung ist ans drei Bände berechnet. --


Traum und Erwachen, ein Gedicht von Hermann Grimm. Berlin, Hertz. --

Der Dichter, der sich, in neuester Zeit auch im Drama mehrfach versucht hat,
(Armin, Demetrius) zeichnet sich vor seinen Mitbewerbern um den Kraiiz der
epischen Poesie zunächst datur.es aus, daß er zu componiren versteht. Es ist in
diesem kleinen Epos eine klare und feste Gruppirung, eine, fortgehende, wenn auch
nichtsehr große Spannung und eine einheitliche Stimmung: Dinge, die man
seid dem Vorbilde von Anastasius Grün und Lenau mit großem Unrecht als
überflüssig für die epische Poesie zu betrachten gewohnt ist. Zwar ist die Grund-
- läge der Fabel fast zu einfach ,und namentlich nicht,sehr auf das Costum berechnet,
durch welches die Handlung belebt ist. Demetrius liebt Chariton, sie liebt
Divmed, außerdem ist der letztere noch mit einer vornehmen Römerin verlobt.
Allein zwischen Diomed und.Chariton entspinnt sich ein.reales Liebesverhältniß,
dem die andern allmälig weichen müssen, und so bleibt deu übrigen betheiligten
Personen nichts übrig, als zu resigniren. - Diese Idee ist einerseits mehr lyrisch,
als episch, da die Entwicklung der Gemüthsbewegungen nicht durch Ereignisse
sondern bi.os durch Stimmungen motivirt wird, andrerseits ist sie im äußersten
Sinne modern. Die Alten hatten noch nicht die Sentimentalität, an resignirenden
Personen ein poetisches Interesse zu nehmen. Allein wir dürfen von dieser Aus¬
stellung absehe", denn es ist dem Dichter in der Thal gelungen, durch kräftige
und poetische Farbe der äußern Welt uns die psychologischen Voraussetzungen'
der Zeit vergessen zu machen, und er hat.die Gemüthsbewegungen so lebhaft
dargestellt, daß sie fast an die Stelle von Ereignissen treten können. Vor allen
Dingen aber ist in diesem Versuch wirklich etwas, was. wir bei dem bei weitem
großem Theil unsrer neuen Dichtungen vermissen, nämlich eine Spur wahrer
Poesie. Der Dichter deutet uicht blos nach der gewöhnlichen Manier die Em¬
pfindungen im allgemeinen an, sondern er detaillirt sie und geht in dieser Aus¬
malung von der gewöhnlichen Heerstraße ab. Wir wollen als Beleg einige
Stellen anführen, denen sich -aber mit gleichem Recht noch eine ziemliche Zahl an
die Seite stellen ließ. Zuerst als Chariton den Entschluß gesaßt hat, das ge¬
müthliche Liebesverhältniß mit Diomed zu brechen:


Sie sah ihn an. Nun ward der Schrecken wahr,
Der ihn ergriff: es war im Aug, so grauend,
Unwiderstehlich stark und wunderbar,
Und doch so ruhig in das seine schauend -->

Inhalt. Dagegen sind unter den kleinern Bildern viele ganz reizend ausgemalt,
und der Uebersetzer, dessen Talent bereits allgemein anerkannt ist, hat es so. gut
verstanden, mit Beibehaltung von Farbe und Stimmung sie zu germanisiren,
daß wir sie als einen bleibenden .Gewinn unsrer Poesie begrüßen können. ^
Die ganze Sammlung ist ans drei Bände berechnet. —


Traum und Erwachen, ein Gedicht von Hermann Grimm. Berlin, Hertz. —

Der Dichter, der sich, in neuester Zeit auch im Drama mehrfach versucht hat,
(Armin, Demetrius) zeichnet sich vor seinen Mitbewerbern um den Kraiiz der
epischen Poesie zunächst datur.es aus, daß er zu componiren versteht. Es ist in
diesem kleinen Epos eine klare und feste Gruppirung, eine, fortgehende, wenn auch
nichtsehr große Spannung und eine einheitliche Stimmung: Dinge, die man
seid dem Vorbilde von Anastasius Grün und Lenau mit großem Unrecht als
überflüssig für die epische Poesie zu betrachten gewohnt ist. Zwar ist die Grund-
- läge der Fabel fast zu einfach ,und namentlich nicht,sehr auf das Costum berechnet,
durch welches die Handlung belebt ist. Demetrius liebt Chariton, sie liebt
Divmed, außerdem ist der letztere noch mit einer vornehmen Römerin verlobt.
Allein zwischen Diomed und.Chariton entspinnt sich ein.reales Liebesverhältniß,
dem die andern allmälig weichen müssen, und so bleibt deu übrigen betheiligten
Personen nichts übrig, als zu resigniren. - Diese Idee ist einerseits mehr lyrisch,
als episch, da die Entwicklung der Gemüthsbewegungen nicht durch Ereignisse
sondern bi.os durch Stimmungen motivirt wird, andrerseits ist sie im äußersten
Sinne modern. Die Alten hatten noch nicht die Sentimentalität, an resignirenden
Personen ein poetisches Interesse zu nehmen. Allein wir dürfen von dieser Aus¬
stellung absehe», denn es ist dem Dichter in der Thal gelungen, durch kräftige
und poetische Farbe der äußern Welt uns die psychologischen Voraussetzungen'
der Zeit vergessen zu machen, und er hat.die Gemüthsbewegungen so lebhaft
dargestellt, daß sie fast an die Stelle von Ereignissen treten können. Vor allen
Dingen aber ist in diesem Versuch wirklich etwas, was. wir bei dem bei weitem
großem Theil unsrer neuen Dichtungen vermissen, nämlich eine Spur wahrer
Poesie. Der Dichter deutet uicht blos nach der gewöhnlichen Manier die Em¬
pfindungen im allgemeinen an, sondern er detaillirt sie und geht in dieser Aus¬
malung von der gewöhnlichen Heerstraße ab. Wir wollen als Beleg einige
Stellen anführen, denen sich -aber mit gleichem Recht noch eine ziemliche Zahl an
die Seite stellen ließ. Zuerst als Chariton den Entschluß gesaßt hat, das ge¬
müthliche Liebesverhältniß mit Diomed zu brechen:


Sie sah ihn an. Nun ward der Schrecken wahr,
Der ihn ergriff: es war im Aug, so grauend,
Unwiderstehlich stark und wunderbar,
Und doch so ruhig in das seine schauend —>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/222>, abgerufen am 28.05.2024.