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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Bart sprießt um Kinn und Lippen üppig, aber ersteres ist lichtgrau und letz¬
terer schneeweiß. Die Züge sind äußerst markirt und von südslawischem Ge¬
präge , aber sie tragen eher jene Nisse und tiefen Furchen, wie sie Strapazen
und der Widerstreit großer Leidenschaften geben, als die, welche die Last der
Jahre mit sich bringt. Der Ausdruck des Gesichts ist nicht etwa sehr
martialisch, indeß energisch und legt Zeugniß für die Unbeugsamkeit des
Willens ab, der hinter dieser prächtigen, mehr breiten als hohen Stirn
wohnt. Seinen eigentlichen Charakter aber empfängt der Kopf von den Augen
und den dichten, buschigen Brauen, die im weiten Bogen oberhalb derselben
sich'wölben. Es leuchtet ein etwas unheimliches Feuer in diesem Blick, na¬
mentlich wenn der Müschir innerlich erregt ist. Die Nasenwurzel ist ziemlich
breit, die Nase selbst klein und eher einer Stumpfnase wie einer andern zu
vergleichen. Der Mund ist nicht eben schon/ Um seine breiten Lippen spielt
nicht selten ein hämisches Lächeln, infolge dessen sich zwei noch wohlerhaltene
Zahnreihen prciscntiren. Man kann nichtsdestoweniger das ganze Ensemble
des Gesichts, wenn auch nicht hübsch, doch mindestens einnehmend nennen.
Ohne Frage ist der Ausdruck klug, aber wenn das graue Auge Funken des
Zornes sprüht, wird er zugleich schreckhaft.

Von Gestalt ist Omer Pascha eher groß als klein. Ich schätze ihn aus
5 Fuß 9 Zoll rheinländisches Maß. Dabei ist er wohl, man kann sagen
schön gewachsen.. Seine Haltung ist straff-soldatisch und in der Art, wie er
das Haupt trägt, kündigt sich der höchstgestellte Befehlshaber an, der keinen
Gleichberechtigten neben sich anerkennt und seinen eignen Willen jedem andern
voransetzt.

Der Müschir kleidet sich, wie Sie nicht anders erwarten werden, türkisch,
d. h. er trägt ein Fez und bei nicht außerordentlichen Gelegenheiten den mo¬
dernen, osmanischen Militarüberrock, der mit der frühern Jnterimsuniform der
preußischen Cavalerieoffiziere Aehnlichkeit hat. Epauletten finden sich auf die¬
sem Rock nicht, wol aber breite, goldene Epaulettenhalter. Die Farbe ist
dunkelblau. Meistens ist die Uniform oben aufgeknöpft, und nur unten, mit
knappen Taillenschluß, durch einen einzigen Knopf geschlossen. Zwischen den
auseinandergeworsenen Aufschlägen schaut eine saubere weiße Weste hervor,
wie denn auch ein eleganter Hemdkragen nicht ermangelt, den oberen Rand
der schwarzatlaßnen Halsbinde zu verbrämen.' Man sieht es an den zierlichen
und modischen Schnitt von Rock und Beinkleidern, daß sie in Wien gemacht
werden.

So gekleidet macht Omer Pascha ungleich mehr den Eindruck eines euro¬
päischen als eines türkischen Generals. Ohne Zweifel legt er außerordentlich
viel aus daS Aeußere, und er weiß genau, wie sehr er im Stande ist, durch
das seinige zu bestechen. Das hiesige Klima ist zu heiß, um im Sommer lange


Bart sprießt um Kinn und Lippen üppig, aber ersteres ist lichtgrau und letz¬
terer schneeweiß. Die Züge sind äußerst markirt und von südslawischem Ge¬
präge , aber sie tragen eher jene Nisse und tiefen Furchen, wie sie Strapazen
und der Widerstreit großer Leidenschaften geben, als die, welche die Last der
Jahre mit sich bringt. Der Ausdruck des Gesichts ist nicht etwa sehr
martialisch, indeß energisch und legt Zeugniß für die Unbeugsamkeit des
Willens ab, der hinter dieser prächtigen, mehr breiten als hohen Stirn
wohnt. Seinen eigentlichen Charakter aber empfängt der Kopf von den Augen
und den dichten, buschigen Brauen, die im weiten Bogen oberhalb derselben
sich'wölben. Es leuchtet ein etwas unheimliches Feuer in diesem Blick, na¬
mentlich wenn der Müschir innerlich erregt ist. Die Nasenwurzel ist ziemlich
breit, die Nase selbst klein und eher einer Stumpfnase wie einer andern zu
vergleichen. Der Mund ist nicht eben schon/ Um seine breiten Lippen spielt
nicht selten ein hämisches Lächeln, infolge dessen sich zwei noch wohlerhaltene
Zahnreihen prciscntiren. Man kann nichtsdestoweniger das ganze Ensemble
des Gesichts, wenn auch nicht hübsch, doch mindestens einnehmend nennen.
Ohne Frage ist der Ausdruck klug, aber wenn das graue Auge Funken des
Zornes sprüht, wird er zugleich schreckhaft.

Von Gestalt ist Omer Pascha eher groß als klein. Ich schätze ihn aus
5 Fuß 9 Zoll rheinländisches Maß. Dabei ist er wohl, man kann sagen
schön gewachsen.. Seine Haltung ist straff-soldatisch und in der Art, wie er
das Haupt trägt, kündigt sich der höchstgestellte Befehlshaber an, der keinen
Gleichberechtigten neben sich anerkennt und seinen eignen Willen jedem andern
voransetzt.

Der Müschir kleidet sich, wie Sie nicht anders erwarten werden, türkisch,
d. h. er trägt ein Fez und bei nicht außerordentlichen Gelegenheiten den mo¬
dernen, osmanischen Militarüberrock, der mit der frühern Jnterimsuniform der
preußischen Cavalerieoffiziere Aehnlichkeit hat. Epauletten finden sich auf die¬
sem Rock nicht, wol aber breite, goldene Epaulettenhalter. Die Farbe ist
dunkelblau. Meistens ist die Uniform oben aufgeknöpft, und nur unten, mit
knappen Taillenschluß, durch einen einzigen Knopf geschlossen. Zwischen den
auseinandergeworsenen Aufschlägen schaut eine saubere weiße Weste hervor,
wie denn auch ein eleganter Hemdkragen nicht ermangelt, den oberen Rand
der schwarzatlaßnen Halsbinde zu verbrämen.' Man sieht es an den zierlichen
und modischen Schnitt von Rock und Beinkleidern, daß sie in Wien gemacht
werden.

So gekleidet macht Omer Pascha ungleich mehr den Eindruck eines euro¬
päischen als eines türkischen Generals. Ohne Zweifel legt er außerordentlich
viel aus daS Aeußere, und er weiß genau, wie sehr er im Stande ist, durch
das seinige zu bestechen. Das hiesige Klima ist zu heiß, um im Sommer lange


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[0266] Bart sprießt um Kinn und Lippen üppig, aber ersteres ist lichtgrau und letz¬ terer schneeweiß. Die Züge sind äußerst markirt und von südslawischem Ge¬ präge , aber sie tragen eher jene Nisse und tiefen Furchen, wie sie Strapazen und der Widerstreit großer Leidenschaften geben, als die, welche die Last der Jahre mit sich bringt. Der Ausdruck des Gesichts ist nicht etwa sehr martialisch, indeß energisch und legt Zeugniß für die Unbeugsamkeit des Willens ab, der hinter dieser prächtigen, mehr breiten als hohen Stirn wohnt. Seinen eigentlichen Charakter aber empfängt der Kopf von den Augen und den dichten, buschigen Brauen, die im weiten Bogen oberhalb derselben sich'wölben. Es leuchtet ein etwas unheimliches Feuer in diesem Blick, na¬ mentlich wenn der Müschir innerlich erregt ist. Die Nasenwurzel ist ziemlich breit, die Nase selbst klein und eher einer Stumpfnase wie einer andern zu vergleichen. Der Mund ist nicht eben schon/ Um seine breiten Lippen spielt nicht selten ein hämisches Lächeln, infolge dessen sich zwei noch wohlerhaltene Zahnreihen prciscntiren. Man kann nichtsdestoweniger das ganze Ensemble des Gesichts, wenn auch nicht hübsch, doch mindestens einnehmend nennen. Ohne Frage ist der Ausdruck klug, aber wenn das graue Auge Funken des Zornes sprüht, wird er zugleich schreckhaft. Von Gestalt ist Omer Pascha eher groß als klein. Ich schätze ihn aus 5 Fuß 9 Zoll rheinländisches Maß. Dabei ist er wohl, man kann sagen schön gewachsen.. Seine Haltung ist straff-soldatisch und in der Art, wie er das Haupt trägt, kündigt sich der höchstgestellte Befehlshaber an, der keinen Gleichberechtigten neben sich anerkennt und seinen eignen Willen jedem andern voransetzt. Der Müschir kleidet sich, wie Sie nicht anders erwarten werden, türkisch, d. h. er trägt ein Fez und bei nicht außerordentlichen Gelegenheiten den mo¬ dernen, osmanischen Militarüberrock, der mit der frühern Jnterimsuniform der preußischen Cavalerieoffiziere Aehnlichkeit hat. Epauletten finden sich auf die¬ sem Rock nicht, wol aber breite, goldene Epaulettenhalter. Die Farbe ist dunkelblau. Meistens ist die Uniform oben aufgeknöpft, und nur unten, mit knappen Taillenschluß, durch einen einzigen Knopf geschlossen. Zwischen den auseinandergeworsenen Aufschlägen schaut eine saubere weiße Weste hervor, wie denn auch ein eleganter Hemdkragen nicht ermangelt, den oberen Rand der schwarzatlaßnen Halsbinde zu verbrämen.' Man sieht es an den zierlichen und modischen Schnitt von Rock und Beinkleidern, daß sie in Wien gemacht werden. So gekleidet macht Omer Pascha ungleich mehr den Eindruck eines euro¬ päischen als eines türkischen Generals. Ohne Zweifel legt er außerordentlich viel aus daS Aeußere, und er weiß genau, wie sehr er im Stande ist, durch das seinige zu bestechen. Das hiesige Klima ist zu heiß, um im Sommer lange

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/265>, abgerufen am 06.05.2024.