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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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in politischen Dingen bei ihnen eine bestimmte, maßgebende Meinung heraus¬
stellen und wenn dann die Krisis eintritt, so ist für diesen Ort die Gruppirung
in drei politische Parteien ohne weiteres indicirt. Da nun etwas Aehnliches
überall stattfindet, so liegt es nahe, daß die erclusiven Kreise aller Städte
einander nahe treten, ebenso die oppositionellen, ebenso die Mittelclassen.
Weit entfernt aber, in diese Bewegung einen bestimmt formulirren Inhalt mit¬
zubringen, erwarten dann die localen Kreise, aus denen die Partei sich zu¬
sammensetzt, ihre Richtung von den Centralpunkten der Partei, die ihrerseits
wieder localen Bedingungen unterworfen sind. So kommt es denn vor, daß
man nur wegen seiner Stellung an einem bestimmten Ort sich innerhalb einer
Partei befindet, deren Ideen man vielleicht gar nicht unbedingt theilt, die
man aber eben von seinem subjectiven Standpunkt auffaßt und allmälig nach
der Richtung, die man selbst verfolgt, zu dirigiren hofft. Die einfachste Ue-
berlegung reicht hin, um jedermann zu überzeugen, daß eine Stellung außer¬
halb der Parteien die allerschädlichste ist, daß man durchaus nicht erwarten
kaun, eine vollständige Uebereinstimmung in allen Punkten zu finden, und
daß man sich daher damit begnügen muß, durch das Organ seiner Partei, so
gut es gehen will, für seine eignen Ideen zu arbeiten, vorläufig aber sich als
solidarisch für alles, was die Partei thut, verpflichtet zu fühlen.

Der Uebelstand dabei ist nur, daß die localen Voraussetzungen, nach
denen jene drei Parteien sich gruppiren, sehr verschieden sind. Die erclusiven
Kreise der einen Stadt sind häusig viel liberaler, als selbst die Mittelpartei
in einer anderen. Von Elbing hat unser Berichterstatter ein sprechendes Bild
gegeben. Nehmen wir z. B. Königsberg an, so finden wir die .erclusiven
Kreise theils durch einen nicht sehr zahlreichen, aber ziemlich stolzen Adel,
theils durch den höheren Beamtenstand, vor allem aber durch die Offiziere
vertreten. Mit diesen kommt die gesammte bürgerliche Gesellschaft in fort¬
dauernde, unvermeidliche Conflicte und wenn nun noch, wie es in Königsberg
der Fall war, sich ein zudringliches, übergeschäftiges Polizeiregiment in die
Sache mischt und jene unerträglichen, fortgesetzten Plackereien ausübt, die um
so mehr verletzen, je weniger man dabei einen Zweck absieht, so ist es sehr
natürlich, daß der gesammte Bürgerstand oppositionell oder demokratisch, d. h.
antiaristokratisch ist. Die Mittelpartei zwischen diesen beiden, die sich in,den
übrigen Städten naturgemäß bildete, ist in Königsberg nur aus der Reflexion
der allgemeinen Verhältnisse entstanden; sie hat daher keinen localen Boden.
Wenige Ausnahmen abgerechnet sind in Königsberg diejenigen Männer, die
z. B. in Leipzig zur Mittelpartei gehören würden, demokratisch, und die allge¬
meine Richtung der Partei hat ihnen dann auch einen veränderten politischen
Inhalt gegeben. In solchen Fällen dienen, vielleicht einzelne, vielleicht
unbedeutende Umstände dazu, die Hitze des Parteikampses zu schärfen.


in politischen Dingen bei ihnen eine bestimmte, maßgebende Meinung heraus¬
stellen und wenn dann die Krisis eintritt, so ist für diesen Ort die Gruppirung
in drei politische Parteien ohne weiteres indicirt. Da nun etwas Aehnliches
überall stattfindet, so liegt es nahe, daß die erclusiven Kreise aller Städte
einander nahe treten, ebenso die oppositionellen, ebenso die Mittelclassen.
Weit entfernt aber, in diese Bewegung einen bestimmt formulirren Inhalt mit¬
zubringen, erwarten dann die localen Kreise, aus denen die Partei sich zu¬
sammensetzt, ihre Richtung von den Centralpunkten der Partei, die ihrerseits
wieder localen Bedingungen unterworfen sind. So kommt es denn vor, daß
man nur wegen seiner Stellung an einem bestimmten Ort sich innerhalb einer
Partei befindet, deren Ideen man vielleicht gar nicht unbedingt theilt, die
man aber eben von seinem subjectiven Standpunkt auffaßt und allmälig nach
der Richtung, die man selbst verfolgt, zu dirigiren hofft. Die einfachste Ue-
berlegung reicht hin, um jedermann zu überzeugen, daß eine Stellung außer¬
halb der Parteien die allerschädlichste ist, daß man durchaus nicht erwarten
kaun, eine vollständige Uebereinstimmung in allen Punkten zu finden, und
daß man sich daher damit begnügen muß, durch das Organ seiner Partei, so
gut es gehen will, für seine eignen Ideen zu arbeiten, vorläufig aber sich als
solidarisch für alles, was die Partei thut, verpflichtet zu fühlen.

Der Uebelstand dabei ist nur, daß die localen Voraussetzungen, nach
denen jene drei Parteien sich gruppiren, sehr verschieden sind. Die erclusiven
Kreise der einen Stadt sind häusig viel liberaler, als selbst die Mittelpartei
in einer anderen. Von Elbing hat unser Berichterstatter ein sprechendes Bild
gegeben. Nehmen wir z. B. Königsberg an, so finden wir die .erclusiven
Kreise theils durch einen nicht sehr zahlreichen, aber ziemlich stolzen Adel,
theils durch den höheren Beamtenstand, vor allem aber durch die Offiziere
vertreten. Mit diesen kommt die gesammte bürgerliche Gesellschaft in fort¬
dauernde, unvermeidliche Conflicte und wenn nun noch, wie es in Königsberg
der Fall war, sich ein zudringliches, übergeschäftiges Polizeiregiment in die
Sache mischt und jene unerträglichen, fortgesetzten Plackereien ausübt, die um
so mehr verletzen, je weniger man dabei einen Zweck absieht, so ist es sehr
natürlich, daß der gesammte Bürgerstand oppositionell oder demokratisch, d. h.
antiaristokratisch ist. Die Mittelpartei zwischen diesen beiden, die sich in,den
übrigen Städten naturgemäß bildete, ist in Königsberg nur aus der Reflexion
der allgemeinen Verhältnisse entstanden; sie hat daher keinen localen Boden.
Wenige Ausnahmen abgerechnet sind in Königsberg diejenigen Männer, die
z. B. in Leipzig zur Mittelpartei gehören würden, demokratisch, und die allge¬
meine Richtung der Partei hat ihnen dann auch einen veränderten politischen
Inhalt gegeben. In solchen Fällen dienen, vielleicht einzelne, vielleicht
unbedeutende Umstände dazu, die Hitze des Parteikampses zu schärfen.


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[0450] in politischen Dingen bei ihnen eine bestimmte, maßgebende Meinung heraus¬ stellen und wenn dann die Krisis eintritt, so ist für diesen Ort die Gruppirung in drei politische Parteien ohne weiteres indicirt. Da nun etwas Aehnliches überall stattfindet, so liegt es nahe, daß die erclusiven Kreise aller Städte einander nahe treten, ebenso die oppositionellen, ebenso die Mittelclassen. Weit entfernt aber, in diese Bewegung einen bestimmt formulirren Inhalt mit¬ zubringen, erwarten dann die localen Kreise, aus denen die Partei sich zu¬ sammensetzt, ihre Richtung von den Centralpunkten der Partei, die ihrerseits wieder localen Bedingungen unterworfen sind. So kommt es denn vor, daß man nur wegen seiner Stellung an einem bestimmten Ort sich innerhalb einer Partei befindet, deren Ideen man vielleicht gar nicht unbedingt theilt, die man aber eben von seinem subjectiven Standpunkt auffaßt und allmälig nach der Richtung, die man selbst verfolgt, zu dirigiren hofft. Die einfachste Ue- berlegung reicht hin, um jedermann zu überzeugen, daß eine Stellung außer¬ halb der Parteien die allerschädlichste ist, daß man durchaus nicht erwarten kaun, eine vollständige Uebereinstimmung in allen Punkten zu finden, und daß man sich daher damit begnügen muß, durch das Organ seiner Partei, so gut es gehen will, für seine eignen Ideen zu arbeiten, vorläufig aber sich als solidarisch für alles, was die Partei thut, verpflichtet zu fühlen. Der Uebelstand dabei ist nur, daß die localen Voraussetzungen, nach denen jene drei Parteien sich gruppiren, sehr verschieden sind. Die erclusiven Kreise der einen Stadt sind häusig viel liberaler, als selbst die Mittelpartei in einer anderen. Von Elbing hat unser Berichterstatter ein sprechendes Bild gegeben. Nehmen wir z. B. Königsberg an, so finden wir die .erclusiven Kreise theils durch einen nicht sehr zahlreichen, aber ziemlich stolzen Adel, theils durch den höheren Beamtenstand, vor allem aber durch die Offiziere vertreten. Mit diesen kommt die gesammte bürgerliche Gesellschaft in fort¬ dauernde, unvermeidliche Conflicte und wenn nun noch, wie es in Königsberg der Fall war, sich ein zudringliches, übergeschäftiges Polizeiregiment in die Sache mischt und jene unerträglichen, fortgesetzten Plackereien ausübt, die um so mehr verletzen, je weniger man dabei einen Zweck absieht, so ist es sehr natürlich, daß der gesammte Bürgerstand oppositionell oder demokratisch, d. h. antiaristokratisch ist. Die Mittelpartei zwischen diesen beiden, die sich in,den übrigen Städten naturgemäß bildete, ist in Königsberg nur aus der Reflexion der allgemeinen Verhältnisse entstanden; sie hat daher keinen localen Boden. Wenige Ausnahmen abgerechnet sind in Königsberg diejenigen Männer, die z. B. in Leipzig zur Mittelpartei gehören würden, demokratisch, und die allge¬ meine Richtung der Partei hat ihnen dann auch einen veränderten politischen Inhalt gegeben. In solchen Fällen dienen, vielleicht einzelne, vielleicht unbedeutende Umstände dazu, die Hitze des Parteikampses zu schärfen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/449>, abgerufen am 07.05.2024.