Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

scheint uns unleugbar; aber im Ganzen hat er eine glückliche Selbstbeherr¬
schung eingehalten und doch dabei die Aufgabe, dem Dichter in die Individuali¬
tät von Land und Volk resolut nachzufolgen, mit Glück gelöst. Die Vignette
zur Lootsentochter, die fünfte zu Peter Kunrad, sind ihm z. B. landschaftlich
besonders gelungen, die zum Fischer steht neben dem grothschen Gedicht fast
zu gleichberechtigt, aber überaus liebenswürdig da. Es wird wenig geistreichere
und tüchtigere Arbeiten in unsrer ganzen Jllustrationenliteratur geben als das
lustige Frontispiz zu den "Priameln" und "Rimeln", es ist das eine von den
Stellen, wo der Illustrator, was ihm selten vergönnt wird, sich, und mit Recht,
erlaubt hat, den eigenthümlichen Geist einer ganzen Species, mit der er sichs
recht behaglich machen will, einmal zusammenzufassen und im Großen zu con-
sumiren. Der wohlbejahrte Schalk, der aus dem wunderlich hieroglyphirten
Fenster herausschaue, trägt das Behagen des Künstlers, der ihn nachschuf, auf
der Stirn.

Unserm Künstler Schritt vor Schritt nachgehen hieße die Geduld der
Leser erschöpfen und ihnen eine eigenthümliche Freude, wenn auch nur zum
tausendsten Theil, vorwegnehmen. Wir würden aber unsrer Aufgabe nicht
nachkommen, wollten wir die Vignette zur "letzten Fehde" übergehen, in der
Speckter noch mehr als in den vorhergehenden eine historische Aufgabe, an der
gewiß viele gescheitert wären, mit wahrer Genialität gelöst hat. Hier ist eine
große historische Composition einfach auseinandergelegt: in der Mitte die Unter¬
werfung schwörende Landsgemeinde, vor ihr Reisige, Knechte und Geschütz, über
ihr im Hintergrund die Feldherrn, der Prediger mit dem Capitulationsbrief
und dahinter die ferne Linie des Meereshorizonts. Das Ganze ist leicht und
sicher in dem Stil der Zeit gehalten und Speckter hat hier eine ganz neue
Seite seiner künstlerischen Fähigkeit schlagend documentirt.

Die ganze Arbeit ist nicht nur die Arbeit eines bedeutenden, einzelnen
Talents, sie darf auch als ein besonders erfreuliches Beispiel der Art
gelten, in der in Hamburg ein Kreis tüchtiger Männer unter keineswegs gün¬
stigen Verhältnissen mit gutem Muth und Erfolg weiter strebt. Besser als jede
Charakteristik wird der zierliche Band nachweisen, daß auch hier im Norden die
deutsche Kunst in dem besten Sinne des Worts populär zu schaffen versteht.




Schleswig-Holsteinische Briefe.
Dritter Brief.

Ich hatte Ihnen in meinem letzten Schreiben eine Beschreibung Rends¬
burgs zugesagt, werde aber mein Versprechen nur unvollständig erfüllen können.
'


28*

scheint uns unleugbar; aber im Ganzen hat er eine glückliche Selbstbeherr¬
schung eingehalten und doch dabei die Aufgabe, dem Dichter in die Individuali¬
tät von Land und Volk resolut nachzufolgen, mit Glück gelöst. Die Vignette
zur Lootsentochter, die fünfte zu Peter Kunrad, sind ihm z. B. landschaftlich
besonders gelungen, die zum Fischer steht neben dem grothschen Gedicht fast
zu gleichberechtigt, aber überaus liebenswürdig da. Es wird wenig geistreichere
und tüchtigere Arbeiten in unsrer ganzen Jllustrationenliteratur geben als das
lustige Frontispiz zu den „Priameln" und „Rimeln", es ist das eine von den
Stellen, wo der Illustrator, was ihm selten vergönnt wird, sich, und mit Recht,
erlaubt hat, den eigenthümlichen Geist einer ganzen Species, mit der er sichs
recht behaglich machen will, einmal zusammenzufassen und im Großen zu con-
sumiren. Der wohlbejahrte Schalk, der aus dem wunderlich hieroglyphirten
Fenster herausschaue, trägt das Behagen des Künstlers, der ihn nachschuf, auf
der Stirn.

Unserm Künstler Schritt vor Schritt nachgehen hieße die Geduld der
Leser erschöpfen und ihnen eine eigenthümliche Freude, wenn auch nur zum
tausendsten Theil, vorwegnehmen. Wir würden aber unsrer Aufgabe nicht
nachkommen, wollten wir die Vignette zur „letzten Fehde" übergehen, in der
Speckter noch mehr als in den vorhergehenden eine historische Aufgabe, an der
gewiß viele gescheitert wären, mit wahrer Genialität gelöst hat. Hier ist eine
große historische Composition einfach auseinandergelegt: in der Mitte die Unter¬
werfung schwörende Landsgemeinde, vor ihr Reisige, Knechte und Geschütz, über
ihr im Hintergrund die Feldherrn, der Prediger mit dem Capitulationsbrief
und dahinter die ferne Linie des Meereshorizonts. Das Ganze ist leicht und
sicher in dem Stil der Zeit gehalten und Speckter hat hier eine ganz neue
Seite seiner künstlerischen Fähigkeit schlagend documentirt.

Die ganze Arbeit ist nicht nur die Arbeit eines bedeutenden, einzelnen
Talents, sie darf auch als ein besonders erfreuliches Beispiel der Art
gelten, in der in Hamburg ein Kreis tüchtiger Männer unter keineswegs gün¬
stigen Verhältnissen mit gutem Muth und Erfolg weiter strebt. Besser als jede
Charakteristik wird der zierliche Band nachweisen, daß auch hier im Norden die
deutsche Kunst in dem besten Sinne des Worts populär zu schaffen versteht.




Schleswig-Holsteinische Briefe.
Dritter Brief.

Ich hatte Ihnen in meinem letzten Schreiben eine Beschreibung Rends¬
burgs zugesagt, werde aber mein Versprechen nur unvollständig erfüllen können.
'


28*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0227" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100681"/>
          <p xml:id="ID_636" prev="#ID_635"> scheint uns unleugbar; aber im Ganzen hat er eine glückliche Selbstbeherr¬<lb/>
schung eingehalten und doch dabei die Aufgabe, dem Dichter in die Individuali¬<lb/>
tät von Land und Volk resolut nachzufolgen, mit Glück gelöst. Die Vignette<lb/>
zur Lootsentochter, die fünfte zu Peter Kunrad, sind ihm z. B. landschaftlich<lb/>
besonders gelungen, die zum Fischer steht neben dem grothschen Gedicht fast<lb/>
zu gleichberechtigt, aber überaus liebenswürdig da. Es wird wenig geistreichere<lb/>
und tüchtigere Arbeiten in unsrer ganzen Jllustrationenliteratur geben als das<lb/>
lustige Frontispiz zu den &#x201E;Priameln" und &#x201E;Rimeln", es ist das eine von den<lb/>
Stellen, wo der Illustrator, was ihm selten vergönnt wird, sich, und mit Recht,<lb/>
erlaubt hat, den eigenthümlichen Geist einer ganzen Species, mit der er sichs<lb/>
recht behaglich machen will, einmal zusammenzufassen und im Großen zu con-<lb/>
sumiren. Der wohlbejahrte Schalk, der aus dem wunderlich hieroglyphirten<lb/>
Fenster herausschaue, trägt das Behagen des Künstlers, der ihn nachschuf, auf<lb/>
der Stirn.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_637"> Unserm Künstler Schritt vor Schritt nachgehen hieße die Geduld der<lb/>
Leser erschöpfen und ihnen eine eigenthümliche Freude, wenn auch nur zum<lb/>
tausendsten Theil, vorwegnehmen. Wir würden aber unsrer Aufgabe nicht<lb/>
nachkommen, wollten wir die Vignette zur &#x201E;letzten Fehde" übergehen, in der<lb/>
Speckter noch mehr als in den vorhergehenden eine historische Aufgabe, an der<lb/>
gewiß viele gescheitert wären, mit wahrer Genialität gelöst hat. Hier ist eine<lb/>
große historische Composition einfach auseinandergelegt: in der Mitte die Unter¬<lb/>
werfung schwörende Landsgemeinde, vor ihr Reisige, Knechte und Geschütz, über<lb/>
ihr im Hintergrund die Feldherrn, der Prediger mit dem Capitulationsbrief<lb/>
und dahinter die ferne Linie des Meereshorizonts. Das Ganze ist leicht und<lb/>
sicher in dem Stil der Zeit gehalten und Speckter hat hier eine ganz neue<lb/>
Seite seiner künstlerischen Fähigkeit schlagend documentirt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_638"> Die ganze Arbeit ist nicht nur die Arbeit eines bedeutenden, einzelnen<lb/>
Talents, sie darf auch als ein besonders erfreuliches Beispiel der Art<lb/>
gelten, in der in Hamburg ein Kreis tüchtiger Männer unter keineswegs gün¬<lb/>
stigen Verhältnissen mit gutem Muth und Erfolg weiter strebt. Besser als jede<lb/>
Charakteristik wird der zierliche Band nachweisen, daß auch hier im Norden die<lb/>
deutsche Kunst in dem besten Sinne des Worts populär zu schaffen versteht.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Schleswig-Holsteinische Briefe.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Dritter Brief.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_639" next="#ID_640"> Ich hatte Ihnen in meinem letzten Schreiben eine Beschreibung Rends¬<lb/>
burgs zugesagt, werde aber mein Versprechen nur unvollständig erfüllen können.<lb/>
'</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 28*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0227] scheint uns unleugbar; aber im Ganzen hat er eine glückliche Selbstbeherr¬ schung eingehalten und doch dabei die Aufgabe, dem Dichter in die Individuali¬ tät von Land und Volk resolut nachzufolgen, mit Glück gelöst. Die Vignette zur Lootsentochter, die fünfte zu Peter Kunrad, sind ihm z. B. landschaftlich besonders gelungen, die zum Fischer steht neben dem grothschen Gedicht fast zu gleichberechtigt, aber überaus liebenswürdig da. Es wird wenig geistreichere und tüchtigere Arbeiten in unsrer ganzen Jllustrationenliteratur geben als das lustige Frontispiz zu den „Priameln" und „Rimeln", es ist das eine von den Stellen, wo der Illustrator, was ihm selten vergönnt wird, sich, und mit Recht, erlaubt hat, den eigenthümlichen Geist einer ganzen Species, mit der er sichs recht behaglich machen will, einmal zusammenzufassen und im Großen zu con- sumiren. Der wohlbejahrte Schalk, der aus dem wunderlich hieroglyphirten Fenster herausschaue, trägt das Behagen des Künstlers, der ihn nachschuf, auf der Stirn. Unserm Künstler Schritt vor Schritt nachgehen hieße die Geduld der Leser erschöpfen und ihnen eine eigenthümliche Freude, wenn auch nur zum tausendsten Theil, vorwegnehmen. Wir würden aber unsrer Aufgabe nicht nachkommen, wollten wir die Vignette zur „letzten Fehde" übergehen, in der Speckter noch mehr als in den vorhergehenden eine historische Aufgabe, an der gewiß viele gescheitert wären, mit wahrer Genialität gelöst hat. Hier ist eine große historische Composition einfach auseinandergelegt: in der Mitte die Unter¬ werfung schwörende Landsgemeinde, vor ihr Reisige, Knechte und Geschütz, über ihr im Hintergrund die Feldherrn, der Prediger mit dem Capitulationsbrief und dahinter die ferne Linie des Meereshorizonts. Das Ganze ist leicht und sicher in dem Stil der Zeit gehalten und Speckter hat hier eine ganz neue Seite seiner künstlerischen Fähigkeit schlagend documentirt. Die ganze Arbeit ist nicht nur die Arbeit eines bedeutenden, einzelnen Talents, sie darf auch als ein besonders erfreuliches Beispiel der Art gelten, in der in Hamburg ein Kreis tüchtiger Männer unter keineswegs gün¬ stigen Verhältnissen mit gutem Muth und Erfolg weiter strebt. Besser als jede Charakteristik wird der zierliche Band nachweisen, daß auch hier im Norden die deutsche Kunst in dem besten Sinne des Worts populär zu schaffen versteht. Schleswig-Holsteinische Briefe. Dritter Brief. Ich hatte Ihnen in meinem letzten Schreiben eine Beschreibung Rends¬ burgs zugesagt, werde aber mein Versprechen nur unvollständig erfüllen können. ' 28*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/227
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/227>, abgerufen am 28.04.2024.