Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die administrative Reform in England.^)

"Wir brauchen für den Krieg Männer," sagte im December 18S5 der Ab¬
geordnete Layard im britischen Parlament; "wenn man ein Privatunternehmen
so führen wollte, wie die Minister den Krieg führen, müßte man in acht
Tagen Bankrott machen," Im Januar 18SS beantragte Roebuck, daß der
Zustand der englischen Armee vor Sewastopol und das Verfahren der Behörden,
welchen die Sorge für die Bedürfnisse dieser Armee oblag, untersucht würden.
Der Antrag ging durch und das Ministerium trat ab. Es handelte sich nun
um die Centralisation der Behörden, welche die Armee bilden, leiten und ver¬
walten."

Bis 18os bestand kein Kriegsminister. Der Oberbefehlshaber der Armee
war nur dem Träger der Krone verantwortlich; sobald die Armee von dem
Parlament votirt war, gehörte sie ihm allein; von ihm allein gingen die Er¬
nennungen und Beförderungen aus. Der "Kriegssecretär" (SeLretcu^ at war)
war als solcher nicht Mitglied des Cabinets und Staatsminister, sondern nur
Finanzminister des Kriegs. Ohne ihn konnte der Oberbefehlshaber keine Ver¬
sammlung oder Bewegung der Truppen ausführen. Denn dies war eine Aus¬
gabe. Der Kriegssecretär beantragte ferner bei dem Parlament jährlich das
Votum sür die Armeen und für das Gesetz, welches die Disciplin regelt (Nu-
Un^ bill>). Er beantragte den nöthigen Credit und stand für dessen Verwen¬
dung ein. Er überwies der Armee die königlichen Entscheidungen in Finanz¬
sachen, bewilligte Halbsold, machte die Beförderungen officiell bekannt. Alle
Beziehungen des Militärs mit den Civilbehörden gehörten zu seiner Competenz.
Ohne seine Mitwirkung konnte keine Truppenverlegung stattfinden, da er die
erforderlichen Ausgaben zu bewilligen hatte; aber wenn es sich um die innere
Sicherheit des Landes oder um die Colonien handelte, communicirte nicht er,
sondern der Minister des Innern, oder der Colonien mit' dem Oberbefehlshaber.
Dieser, der-,,IIorse A'u-u-et", war und ist noch, betraut mit der Ertheilung von
Befehlen an die Truppen, mit der Leitung des Personals, des Avancements
und der Disciplin. Er war ohne Controle, aber er befehligte eine Armee ohne
Genietruppen und ohne Kanoniere. Die Artillerie und das Genie standen
unter einem Generalordonanzmeister, der direct der Königin untergeordnet
war. Auch die Militärgerichtsbarkeit wird von einem Nichteradvocat geleitet,
der von keinem Minister abhängt. DaS "Kommissariat", welches für die Nah- .
Ring und die Pferde der Armee sorgt und die Fonds derselben verwaltet, ist
ein Zweig deS Schatzamtes. Der Generalzahlmeister der Armee und der Ma-



*) OK. 6ö KsMusst. t^ KÄorws aäministrÄtivs on ^."Alstsrrs.
Grenzboten. IV. -I8so.
Die administrative Reform in England.^)

„Wir brauchen für den Krieg Männer," sagte im December 18S5 der Ab¬
geordnete Layard im britischen Parlament; „wenn man ein Privatunternehmen
so führen wollte, wie die Minister den Krieg führen, müßte man in acht
Tagen Bankrott machen," Im Januar 18SS beantragte Roebuck, daß der
Zustand der englischen Armee vor Sewastopol und das Verfahren der Behörden,
welchen die Sorge für die Bedürfnisse dieser Armee oblag, untersucht würden.
Der Antrag ging durch und das Ministerium trat ab. Es handelte sich nun
um die Centralisation der Behörden, welche die Armee bilden, leiten und ver¬
walten."

Bis 18os bestand kein Kriegsminister. Der Oberbefehlshaber der Armee
war nur dem Träger der Krone verantwortlich; sobald die Armee von dem
Parlament votirt war, gehörte sie ihm allein; von ihm allein gingen die Er¬
nennungen und Beförderungen aus. Der „Kriegssecretär" (SeLretcu^ at war)
war als solcher nicht Mitglied des Cabinets und Staatsminister, sondern nur
Finanzminister des Kriegs. Ohne ihn konnte der Oberbefehlshaber keine Ver¬
sammlung oder Bewegung der Truppen ausführen. Denn dies war eine Aus¬
gabe. Der Kriegssecretär beantragte ferner bei dem Parlament jährlich das
Votum sür die Armeen und für das Gesetz, welches die Disciplin regelt (Nu-
Un^ bill>). Er beantragte den nöthigen Credit und stand für dessen Verwen¬
dung ein. Er überwies der Armee die königlichen Entscheidungen in Finanz¬
sachen, bewilligte Halbsold, machte die Beförderungen officiell bekannt. Alle
Beziehungen des Militärs mit den Civilbehörden gehörten zu seiner Competenz.
Ohne seine Mitwirkung konnte keine Truppenverlegung stattfinden, da er die
erforderlichen Ausgaben zu bewilligen hatte; aber wenn es sich um die innere
Sicherheit des Landes oder um die Colonien handelte, communicirte nicht er,
sondern der Minister des Innern, oder der Colonien mit' dem Oberbefehlshaber.
Dieser, der-,,IIorse A'u-u-et", war und ist noch, betraut mit der Ertheilung von
Befehlen an die Truppen, mit der Leitung des Personals, des Avancements
und der Disciplin. Er war ohne Controle, aber er befehligte eine Armee ohne
Genietruppen und ohne Kanoniere. Die Artillerie und das Genie standen
unter einem Generalordonanzmeister, der direct der Königin untergeordnet
war. Auch die Militärgerichtsbarkeit wird von einem Nichteradvocat geleitet,
der von keinem Minister abhängt. DaS „Kommissariat", welches für die Nah- .
Ring und die Pferde der Armee sorgt und die Fonds derselben verwaltet, ist
ein Zweig deS Schatzamtes. Der Generalzahlmeister der Armee und der Ma-



*) OK. 6ö KsMusst. t^ KÄorws aäministrÄtivs on ^.»Alstsrrs.
Grenzboten. IV. -I8so.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0257" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100711"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die administrative Reform in England.^)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_717"> &#x201E;Wir brauchen für den Krieg Männer," sagte im December 18S5 der Ab¬<lb/>
geordnete Layard im britischen Parlament; &#x201E;wenn man ein Privatunternehmen<lb/>
so führen wollte, wie die Minister den Krieg führen, müßte man in acht<lb/>
Tagen Bankrott machen," Im Januar 18SS beantragte Roebuck, daß der<lb/>
Zustand der englischen Armee vor Sewastopol und das Verfahren der Behörden,<lb/>
welchen die Sorge für die Bedürfnisse dieser Armee oblag, untersucht würden.<lb/>
Der Antrag ging durch und das Ministerium trat ab. Es handelte sich nun<lb/>
um die Centralisation der Behörden, welche die Armee bilden, leiten und ver¬<lb/>
walten."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_718" next="#ID_719"> Bis 18os bestand kein Kriegsminister. Der Oberbefehlshaber der Armee<lb/>
war nur dem Träger der Krone verantwortlich; sobald die Armee von dem<lb/>
Parlament votirt war, gehörte sie ihm allein; von ihm allein gingen die Er¬<lb/>
nennungen und Beförderungen aus. Der &#x201E;Kriegssecretär" (SeLretcu^ at war)<lb/>
war als solcher nicht Mitglied des Cabinets und Staatsminister, sondern nur<lb/>
Finanzminister des Kriegs. Ohne ihn konnte der Oberbefehlshaber keine Ver¬<lb/>
sammlung oder Bewegung der Truppen ausführen. Denn dies war eine Aus¬<lb/>
gabe. Der Kriegssecretär beantragte ferner bei dem Parlament jährlich das<lb/>
Votum sür die Armeen und für das Gesetz, welches die Disciplin regelt (Nu-<lb/>
Un^ bill&gt;). Er beantragte den nöthigen Credit und stand für dessen Verwen¬<lb/>
dung ein. Er überwies der Armee die königlichen Entscheidungen in Finanz¬<lb/>
sachen, bewilligte Halbsold, machte die Beförderungen officiell bekannt. Alle<lb/>
Beziehungen des Militärs mit den Civilbehörden gehörten zu seiner Competenz.<lb/>
Ohne seine Mitwirkung konnte keine Truppenverlegung stattfinden, da er die<lb/>
erforderlichen Ausgaben zu bewilligen hatte; aber wenn es sich um die innere<lb/>
Sicherheit des Landes oder um die Colonien handelte, communicirte nicht er,<lb/>
sondern der Minister des Innern, oder der Colonien mit' dem Oberbefehlshaber.<lb/>
Dieser, der-,,IIorse A'u-u-et", war und ist noch, betraut mit der Ertheilung von<lb/>
Befehlen an die Truppen, mit der Leitung des Personals, des Avancements<lb/>
und der Disciplin. Er war ohne Controle, aber er befehligte eine Armee ohne<lb/>
Genietruppen und ohne Kanoniere. Die Artillerie und das Genie standen<lb/>
unter einem Generalordonanzmeister, der direct der Königin untergeordnet<lb/>
war. Auch die Militärgerichtsbarkeit wird von einem Nichteradvocat geleitet,<lb/>
der von keinem Minister abhängt. DaS &#x201E;Kommissariat", welches für die Nah- .<lb/>
Ring und die Pferde der Armee sorgt und die Fonds derselben verwaltet, ist<lb/>
ein Zweig deS Schatzamtes.  Der Generalzahlmeister der Armee und der Ma-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_14" place="foot"> *) OK. 6ö KsMusst. t^ KÄorws aäministrÄtivs on ^.»Alstsrrs.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. IV. -I8so.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0257] Die administrative Reform in England.^) „Wir brauchen für den Krieg Männer," sagte im December 18S5 der Ab¬ geordnete Layard im britischen Parlament; „wenn man ein Privatunternehmen so führen wollte, wie die Minister den Krieg führen, müßte man in acht Tagen Bankrott machen," Im Januar 18SS beantragte Roebuck, daß der Zustand der englischen Armee vor Sewastopol und das Verfahren der Behörden, welchen die Sorge für die Bedürfnisse dieser Armee oblag, untersucht würden. Der Antrag ging durch und das Ministerium trat ab. Es handelte sich nun um die Centralisation der Behörden, welche die Armee bilden, leiten und ver¬ walten." Bis 18os bestand kein Kriegsminister. Der Oberbefehlshaber der Armee war nur dem Träger der Krone verantwortlich; sobald die Armee von dem Parlament votirt war, gehörte sie ihm allein; von ihm allein gingen die Er¬ nennungen und Beförderungen aus. Der „Kriegssecretär" (SeLretcu^ at war) war als solcher nicht Mitglied des Cabinets und Staatsminister, sondern nur Finanzminister des Kriegs. Ohne ihn konnte der Oberbefehlshaber keine Ver¬ sammlung oder Bewegung der Truppen ausführen. Denn dies war eine Aus¬ gabe. Der Kriegssecretär beantragte ferner bei dem Parlament jährlich das Votum sür die Armeen und für das Gesetz, welches die Disciplin regelt (Nu- Un^ bill>). Er beantragte den nöthigen Credit und stand für dessen Verwen¬ dung ein. Er überwies der Armee die königlichen Entscheidungen in Finanz¬ sachen, bewilligte Halbsold, machte die Beförderungen officiell bekannt. Alle Beziehungen des Militärs mit den Civilbehörden gehörten zu seiner Competenz. Ohne seine Mitwirkung konnte keine Truppenverlegung stattfinden, da er die erforderlichen Ausgaben zu bewilligen hatte; aber wenn es sich um die innere Sicherheit des Landes oder um die Colonien handelte, communicirte nicht er, sondern der Minister des Innern, oder der Colonien mit' dem Oberbefehlshaber. Dieser, der-,,IIorse A'u-u-et", war und ist noch, betraut mit der Ertheilung von Befehlen an die Truppen, mit der Leitung des Personals, des Avancements und der Disciplin. Er war ohne Controle, aber er befehligte eine Armee ohne Genietruppen und ohne Kanoniere. Die Artillerie und das Genie standen unter einem Generalordonanzmeister, der direct der Königin untergeordnet war. Auch die Militärgerichtsbarkeit wird von einem Nichteradvocat geleitet, der von keinem Minister abhängt. DaS „Kommissariat", welches für die Nah- . Ring und die Pferde der Armee sorgt und die Fonds derselben verwaltet, ist ein Zweig deS Schatzamtes. Der Generalzahlmeister der Armee und der Ma- *) OK. 6ö KsMusst. t^ KÄorws aäministrÄtivs on ^.»Alstsrrs. Grenzboten. IV. -I8so.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/257
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/257>, abgerufen am 28.04.2024.