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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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neueste Werk aufgenommen: Ine LMKeäals KvmcmLL. Es ist von allen Ro¬
manen des geistvollen Dichters am meisten geeignet, uns in das innere Leben
der jungen amerikanischen Dichterschule einzuführen, die man in vielen Be¬
ziehungen unsern Romantikern an die Seite stellen kann. Der novellistische
Inhalt des Buchs ist gering, desto eingehender wird uns der Idealismus jenes
Kreises in Beziehung auf die materielle, wie auf die geistige Entwicklung dar¬
gestellt. -- So weit geht bis jetzt die schätzenswerthe Sammlung. Wir werden
nicht verfehlen, bei ihrem weitern Fortschritt die Aufmerksamkeit unsrer Leser
wieder darauf hinzulenken.




Schleswig-Holsteinische Briefe.
Vierter Brief.

Bereits im vorigen Briefe erwähnte ich, daß die Stadt Schleswig den
Dänen aufs äußerste verhaßt ist. Und sie haben guten Grund dazu. Hier
war der Centralpunkt, von wo das Deuschthum mit seiner Bildung zugleich sein
ganzes Wesen, Denken, Hoffen, Streben über das Herzogthum verbreitete.
Hier war die Seele des Widerstandes gegen die Machinationen der Propagan¬
da, welche Schleswig dem ScandinaviSmus erobern wollte. Hier wurde jenes
große Sängerfest gehalten, wo zum ersten Male die Schleswig-holsteinische Fahne
entfaltet wurde, und hier hatte jener Club von energischen Patrioten seinen
Sitz, der es während der Zeit der Landesverwaltung durch seine Rührigkeit
dahin zu bringen wußte, daß auch aus den Strichen nördlich von ber Demar-
cationslinie ziemlich reichliche Sendungen von Steuern und Rekruten nach
Rendsburg gingen. Was Wunder, wenn nach dem Umschwunge der Verhält¬
nisse das Vav piceis mit seiner ganzen Schwere auf der mißliebigen Stadt zu
lasten begann, und wenn von Seiten der Sieger alles geschah, um dieselbe
herabzudrücken, in ihren Nahrungsquellen zu schmälern, zu peinigen und zu
placken.

Edler und auf alle Fälle vortheilhafter würde es gewesen sein, zu ver¬
geben und zu vergessen. Eine vernünftige Regierung hätte, statt ihrem Gewinn
und ihrer Nachsucht zu fröhnen, daran gedacht, die Wunden, welche der Krieg
der "eroberten Provinz" geschlagen, zu heilen, wäre es auch nur darum ge¬
wesen, um die Steuerkraft zu heben und dadurch vie Eroberung nutzenbringen-
der zu machen. Ganz nebenbei und in aller Stille hätte man bei der Loyali¬
tät des Volks und der am Ende des Kampfes gegen das "wortbrüchige"
Deutschland herrschenden Stimmung eine allmälige Sammlung der Gemüther


neueste Werk aufgenommen: Ine LMKeäals KvmcmLL. Es ist von allen Ro¬
manen des geistvollen Dichters am meisten geeignet, uns in das innere Leben
der jungen amerikanischen Dichterschule einzuführen, die man in vielen Be¬
ziehungen unsern Romantikern an die Seite stellen kann. Der novellistische
Inhalt des Buchs ist gering, desto eingehender wird uns der Idealismus jenes
Kreises in Beziehung auf die materielle, wie auf die geistige Entwicklung dar¬
gestellt. — So weit geht bis jetzt die schätzenswerthe Sammlung. Wir werden
nicht verfehlen, bei ihrem weitern Fortschritt die Aufmerksamkeit unsrer Leser
wieder darauf hinzulenken.




Schleswig-Holsteinische Briefe.
Vierter Brief.

Bereits im vorigen Briefe erwähnte ich, daß die Stadt Schleswig den
Dänen aufs äußerste verhaßt ist. Und sie haben guten Grund dazu. Hier
war der Centralpunkt, von wo das Deuschthum mit seiner Bildung zugleich sein
ganzes Wesen, Denken, Hoffen, Streben über das Herzogthum verbreitete.
Hier war die Seele des Widerstandes gegen die Machinationen der Propagan¬
da, welche Schleswig dem ScandinaviSmus erobern wollte. Hier wurde jenes
große Sängerfest gehalten, wo zum ersten Male die Schleswig-holsteinische Fahne
entfaltet wurde, und hier hatte jener Club von energischen Patrioten seinen
Sitz, der es während der Zeit der Landesverwaltung durch seine Rührigkeit
dahin zu bringen wußte, daß auch aus den Strichen nördlich von ber Demar-
cationslinie ziemlich reichliche Sendungen von Steuern und Rekruten nach
Rendsburg gingen. Was Wunder, wenn nach dem Umschwunge der Verhält¬
nisse das Vav piceis mit seiner ganzen Schwere auf der mißliebigen Stadt zu
lasten begann, und wenn von Seiten der Sieger alles geschah, um dieselbe
herabzudrücken, in ihren Nahrungsquellen zu schmälern, zu peinigen und zu
placken.

Edler und auf alle Fälle vortheilhafter würde es gewesen sein, zu ver¬
geben und zu vergessen. Eine vernünftige Regierung hätte, statt ihrem Gewinn
und ihrer Nachsucht zu fröhnen, daran gedacht, die Wunden, welche der Krieg
der „eroberten Provinz" geschlagen, zu heilen, wäre es auch nur darum ge¬
wesen, um die Steuerkraft zu heben und dadurch vie Eroberung nutzenbringen-
der zu machen. Ganz nebenbei und in aller Stille hätte man bei der Loyali¬
tät des Volks und der am Ende des Kampfes gegen das „wortbrüchige"
Deutschland herrschenden Stimmung eine allmälige Sammlung der Gemüther


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[0298] neueste Werk aufgenommen: Ine LMKeäals KvmcmLL. Es ist von allen Ro¬ manen des geistvollen Dichters am meisten geeignet, uns in das innere Leben der jungen amerikanischen Dichterschule einzuführen, die man in vielen Be¬ ziehungen unsern Romantikern an die Seite stellen kann. Der novellistische Inhalt des Buchs ist gering, desto eingehender wird uns der Idealismus jenes Kreises in Beziehung auf die materielle, wie auf die geistige Entwicklung dar¬ gestellt. — So weit geht bis jetzt die schätzenswerthe Sammlung. Wir werden nicht verfehlen, bei ihrem weitern Fortschritt die Aufmerksamkeit unsrer Leser wieder darauf hinzulenken. Schleswig-Holsteinische Briefe. Vierter Brief. Bereits im vorigen Briefe erwähnte ich, daß die Stadt Schleswig den Dänen aufs äußerste verhaßt ist. Und sie haben guten Grund dazu. Hier war der Centralpunkt, von wo das Deuschthum mit seiner Bildung zugleich sein ganzes Wesen, Denken, Hoffen, Streben über das Herzogthum verbreitete. Hier war die Seele des Widerstandes gegen die Machinationen der Propagan¬ da, welche Schleswig dem ScandinaviSmus erobern wollte. Hier wurde jenes große Sängerfest gehalten, wo zum ersten Male die Schleswig-holsteinische Fahne entfaltet wurde, und hier hatte jener Club von energischen Patrioten seinen Sitz, der es während der Zeit der Landesverwaltung durch seine Rührigkeit dahin zu bringen wußte, daß auch aus den Strichen nördlich von ber Demar- cationslinie ziemlich reichliche Sendungen von Steuern und Rekruten nach Rendsburg gingen. Was Wunder, wenn nach dem Umschwunge der Verhält¬ nisse das Vav piceis mit seiner ganzen Schwere auf der mißliebigen Stadt zu lasten begann, und wenn von Seiten der Sieger alles geschah, um dieselbe herabzudrücken, in ihren Nahrungsquellen zu schmälern, zu peinigen und zu placken. Edler und auf alle Fälle vortheilhafter würde es gewesen sein, zu ver¬ geben und zu vergessen. Eine vernünftige Regierung hätte, statt ihrem Gewinn und ihrer Nachsucht zu fröhnen, daran gedacht, die Wunden, welche der Krieg der „eroberten Provinz" geschlagen, zu heilen, wäre es auch nur darum ge¬ wesen, um die Steuerkraft zu heben und dadurch vie Eroberung nutzenbringen- der zu machen. Ganz nebenbei und in aller Stille hätte man bei der Loyali¬ tät des Volks und der am Ende des Kampfes gegen das „wortbrüchige" Deutschland herrschenden Stimmung eine allmälige Sammlung der Gemüther

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/298>, abgerufen am 28.04.2024.