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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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unter die Segnungen des Danebrog erreichen können. Wäre man der "er¬
kämpften Braut", wie dänische Floskelliebhaber Schleswig gern bezeichnen, mit
dem Oelzweig entgegengekommen, wer weiß, ob ihre Sprödigkeit nicht jetzt
schon gewichen wäre. Sie sofort mit der Fuchtel zu tractiren war mehr als
unzart, war eine Thorheit. Aber der böse Dämon Dänemarks wollte es nun
einmal so und nicht anders. Die Sieger haben es vorgezogen, dem Herzog-
thum und namentlich seiner einstigen Hauptstadt recht gründlich fühlen zu
lassen, was es bedeutet, von Dänemark besiegt zu sein, und es ist ihnen unter
dem Regiment Moltkes gelungen, die Bitterkeit dieses Gefühls bis zu einer
Höhe zu steigern, die ein Vierteljahrhundert der mildesten und rücksichtsvollsten
Behandlung nicht wieder auf den Grad des politischen Thermometers herabzu¬
führen vermöchte, wo eine Versöhnung der Gegensätze denkbar ist.

Wir Deutschen haben uns zu diesem plumpen, nur von der Leidenschaft
geleiteten Zutappen, das sich so arg verrannte, lediglich Glück zu wünschen,
und so können die im Folgenden mitgetheilten Thatsachen, so schwer sie auch
, die Einzelnen betreffen mögen, für das Ganze als Lichtblicke gelten, wobei
freilich immer vorauszusetzen ist, daß Deutschland den Leidenden seine
Sympathien erhält und zu rechter Zeit die Gelegenheit ergreift, sie zu be¬
thätigen.

Als die Schlacht bei Jdstedt verloren war, machten sich die Bürger Schleswigs
auf das Schlimmste gefaßt. Es gingen Gerüchte, man werde die Stadt an allen
vier Ecken anzünden, sie wenigstens der Plünderung überlassen. Sie waren
übertrieben. Karl Moltke, wie wir ihn kennen, würde gegen solch eine Züch¬
tigung des Aufruhrs nichts einzuwenden gehabt haben und die kopenhagener
Eiderdänen erwarteten sie sogar mit Zuversicht. General Krvgh erfüllte ihre
Hoffnungen nicht, sondern verfuhr zum Verdrusse der Fanatiker als civilisirter
Soldat. Vom Niederbrennen der Stadt war nicht die Rede, und die Plün¬
derung beschränkte sich auf einige verzeihliche Diebstähle von Victualien und
auf nachstehenden Vorfall, den ich, so unbedeutend er ist, als eine charak¬
teristische Thatsache mitzutheilen nicht unterlassen mag.

Oberst Fürsen-Vachmann -- derselbe, welcher durch seine rechtzeitig ent¬
wickelte Energie beim Beginn der Erhebung den größten Theil des in Schles¬
wig garnisonirenden Dragonerregiments der Sache Schleswig-Holsteins beizu¬
treten veranlaßte -- hatte an jenem unheilvollen 2S. Juli in seinem Hause
eine werthvolle Sammlung stlberbeschlagener Mcerschaumpfeifen zurücklassen
müssen. Die Dienstleute hatten dieselben in eine große Kiste gelegt und um
sie sicher zu verbergen, Asche und Kehricht darüber geworfen. Nach dem Ein¬
rücken der dänischen Armee stellte sich in dem Hause der Lieutenant von Glahn
ein und forderte von den Mägden gebieterisch die Auslieferung der Pfeifen,
die er als ehemaliger Hausfreund des Obersten kennen und schätzen gelernt


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unter die Segnungen des Danebrog erreichen können. Wäre man der „er¬
kämpften Braut", wie dänische Floskelliebhaber Schleswig gern bezeichnen, mit
dem Oelzweig entgegengekommen, wer weiß, ob ihre Sprödigkeit nicht jetzt
schon gewichen wäre. Sie sofort mit der Fuchtel zu tractiren war mehr als
unzart, war eine Thorheit. Aber der böse Dämon Dänemarks wollte es nun
einmal so und nicht anders. Die Sieger haben es vorgezogen, dem Herzog-
thum und namentlich seiner einstigen Hauptstadt recht gründlich fühlen zu
lassen, was es bedeutet, von Dänemark besiegt zu sein, und es ist ihnen unter
dem Regiment Moltkes gelungen, die Bitterkeit dieses Gefühls bis zu einer
Höhe zu steigern, die ein Vierteljahrhundert der mildesten und rücksichtsvollsten
Behandlung nicht wieder auf den Grad des politischen Thermometers herabzu¬
führen vermöchte, wo eine Versöhnung der Gegensätze denkbar ist.

Wir Deutschen haben uns zu diesem plumpen, nur von der Leidenschaft
geleiteten Zutappen, das sich so arg verrannte, lediglich Glück zu wünschen,
und so können die im Folgenden mitgetheilten Thatsachen, so schwer sie auch
, die Einzelnen betreffen mögen, für das Ganze als Lichtblicke gelten, wobei
freilich immer vorauszusetzen ist, daß Deutschland den Leidenden seine
Sympathien erhält und zu rechter Zeit die Gelegenheit ergreift, sie zu be¬
thätigen.

Als die Schlacht bei Jdstedt verloren war, machten sich die Bürger Schleswigs
auf das Schlimmste gefaßt. Es gingen Gerüchte, man werde die Stadt an allen
vier Ecken anzünden, sie wenigstens der Plünderung überlassen. Sie waren
übertrieben. Karl Moltke, wie wir ihn kennen, würde gegen solch eine Züch¬
tigung des Aufruhrs nichts einzuwenden gehabt haben und die kopenhagener
Eiderdänen erwarteten sie sogar mit Zuversicht. General Krvgh erfüllte ihre
Hoffnungen nicht, sondern verfuhr zum Verdrusse der Fanatiker als civilisirter
Soldat. Vom Niederbrennen der Stadt war nicht die Rede, und die Plün¬
derung beschränkte sich auf einige verzeihliche Diebstähle von Victualien und
auf nachstehenden Vorfall, den ich, so unbedeutend er ist, als eine charak¬
teristische Thatsache mitzutheilen nicht unterlassen mag.

Oberst Fürsen-Vachmann — derselbe, welcher durch seine rechtzeitig ent¬
wickelte Energie beim Beginn der Erhebung den größten Theil des in Schles¬
wig garnisonirenden Dragonerregiments der Sache Schleswig-Holsteins beizu¬
treten veranlaßte — hatte an jenem unheilvollen 2S. Juli in seinem Hause
eine werthvolle Sammlung stlberbeschlagener Mcerschaumpfeifen zurücklassen
müssen. Die Dienstleute hatten dieselben in eine große Kiste gelegt und um
sie sicher zu verbergen, Asche und Kehricht darüber geworfen. Nach dem Ein¬
rücken der dänischen Armee stellte sich in dem Hause der Lieutenant von Glahn
ein und forderte von den Mägden gebieterisch die Auslieferung der Pfeifen,
die er als ehemaliger Hausfreund des Obersten kennen und schätzen gelernt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/299>, abgerufen am 13.05.2024.